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Paläontologie: Sind frühe Lebensspuren nur komische Gesteine?

Wann entstand das erste Leben auf diesem Planeten - vor 3,7 Milliarden Jahren oder noch früher? Darüber diskutieren Paläontologen regelmäßig. Eine jüngere Studie wird angegriffen.
Spuren alten Lebens - oder doch nicht?

Wann das erste Leben auf der Erde entstand, ist schwer nachweisbar: Im Gegensatz zu Ammoniten oder Dinosauriern besaßen die ersten Einzeller keine verwitterungsresistenten Knochen oder Schalen. Ihr Nachweis ist daher nur indirekt über chemische Signaturen oder charakteristische Ablagerungen möglich – und zudem existiert kaum Gestein, das die letzten vier Milliarden Jahre unverändert überstanden hat. Und deshalb wird immer wieder scharf diskutiert, welche Fossilien tatsächlich erstes Leben darstellen oder ob es einfach Fehlinterpretationen sind. Eine zumindest in ihren Augen derartige falsche Schlussfolgerung legen Abigail Allwood vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena und ihr Team in »Nature« vor. Anhand ihrer Daten zweifeln sie einen Befund an, den ein Team um Allan Chivas von der University of Wollongong 2016 vorgelegt hat: Die Wissenschaftler hatten in 3,7 Milliarden alten Gesteinen der Isua-Formation auf Grönland Ablagerungen analysiert, die ihrer Meinung von versteinerten Bakterienkolonien stammten, so genannte Stromatolithen.

Die bis zu vier Zentimeter großen, kissen- oder zipfelmützenförmigen Strukturen waren 200 Millionen Jahre älter als fossile Überreste von Bakterienmatten, die wenige Jahre zuvor in Australien beschrieben worden waren – und die bis 2017 als älteste Lebensspuren galten. Allwood hatte diese australischen Funde untersucht, und vielleicht war auch dies einer der Gründe, warum sie mit ihrem Team die grönländische Formation neu analysierte. Mit Hilfe spezieller Röntgenanalyseverfahren, die unter anderem für Marsexpeditionen entwickelt wurden, durchleuchteten sie weitere Gesteinsproben aus der Isua-Formation und kamen anhand einer dreidimensionalen chemischen »Karte« des Materials zu einem gegenteiligen Schluss: Die Ablagerungen sind demnach geologischen und nicht biologischen Ursprungs. Über Milliarden Jahre hinweg sei das Gestein verbogen, gedehnt und zerbrochen worden, so dass manche Bereiche zwar wie die Überreste ersten Lebens aussehen, aber eigentlich keine sind.

Im Gegensatz zu der in Stromatolithen erwarteten gleichmäßigen Schichtung weisen die fraglichen Kissen deutliche Unregelmäßigkeiten und Beulen auf. Als die Wissenschaftler das Gestein zerschnitten, zeigte sich auch, dass die potenziellen Fossilien keine typischen Kegel, sondern eher lang gezogene Rücken waren, was ebenfalls gegen biogenen, aber für einen geologischen Ursprung spreche, so Allwood. Ihre Schlüsse stoßen allerdings bei Chivas' Team auf entschiedenen Widerspruch. »Wir haben erwartet, dass unsere Arbeiten neue Untersuchungen auslösen würden und hatten uns auf die Resultate gefreut«, sagte die damals an der Studie beteiligte Paläontologin Vickie Bennett gegenüber »The Atlantic«. Doch Allwood und Co hätten weniger als einen Tag vor Ort verbracht und nicht einmal das gleiche Gestein untersucht – was wiederum Allwood in »The Atlantic« nicht auf sich sitzen lassen mochte: »Wir haben weniger als einen Meter entfernt von der ursprünglichen Stelle gearbeitet.« Zudem sei das Material anschließend akkurat im Labor analysiert worden. Die fraglichen Kissen bestanden laut dieser Analysen aus einem quarzigen Inneren, das Dolomite nach außen abgrenzen, was nach Meinung von Allwoods Team nicht auf Mikroben zurückgeht.

Ob damit das Kapitel allerdings abgeschlossen ist, darf angezweifelt werden. Schließlich gibt es auch Wissenschaftler, die auf einen noch früheren Beginn des Lebens auf der Erde setzen: Es soll sogar 4,3 Milliarden alt sein.

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