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Tsunamis: Neue Erklärung für rätselhafte Tsunamikatastrophe

4000 Menschen starben 2018 bei einem Tsunami, den es eigentlich nicht hätte geben dürfen. Simulationen zeigen nun: Die Wellen könnten womöglich auch dort auftreten, wo sie bisher als unwahrscheinlich galten.
Vom Sockel gerissene und weggespülte Moschee nach dem Tsunami von Palu.

Ein immer noch rätselhafter Tsunami tötete 2018 in der Stadt Palu auf der Insel Sulawesi mehr als 4000 Menschen. Bis heute ist unklar, wie die Welle entstehen konnte, denn keiner der bekannten Tsunamimechanismen kann die Katastrophe zufrieden stellend erklären. Nun schlägt eine Arbeitsgruppe um Ares Rosakis vom California Institute of Technology anhand von Computersimulationen eine neue, unerwartete Lösung des Problems vor. Demnach können Tsunamis ebenfalls in flachen, engen Buchten möglich sein, berichtet das Team in »PNAS« – ausgelöst von Erdbeben, die normalerweise keine Tsunamis erzeugen. So auch von jenem Erdbeben, das im September 2018 Sulawesi traf.

Tsunamisimulation | Drei Zeitabschnitte der Simulation der Wellenhöhe in einer idealisierten länglichen Bucht. Die Bruchfläche, die das Erdbeben erzeugt, verläuft genau in der Mitte parallel zu den Ufern. Oben: Auswirkungen des sich entlang der Verwerfung fortpflanzenden Bruches auf die Wasseroberfläche während des Bebens selbst. Mitte: Beginn des eigentlichen Tsunamis. Unten: die am Ende der Bucht reflektierten Tsunamiwellen laufen Richtung offenes Meer.

Mit einer Magnitude von 7,5 war es zwar relativ stark, aber da der Auslöser eine Seitenverschiebung war, sollte es eigentlich keinen Tsunami bewirken. Die Wellen entstehen, wenn während eines Bebens der Meeresgrund auf großer Fläche abrupt hebt oder senkt, wie beim Tohoku-Beben von 2011. Das aber geschieht nur, wenn zwei Erdplatten übereinandergeschoben werden, zum Beispiel in Tiefseegräben, wo Ozeanboden in den Erdmantel eintaucht. Beben, in denen zwei Bereiche der Erdkruste horizontal aneinander vorbeigleiten, erzeugen nur geringe Hebungen oder Senkungen. Bisher behalf man sich beim Tsunami von Palu deswegen mit der Vermutung, untermeerische Erdrutsche hätten die Welle verursacht.

Das Team von Rosakis zeigt nun, dass es eine andere mögliche Erklärung gibt. Demnach können auch Erdbeben mit reiner Seitenverschiebung, von denen unter normalen Umständen keine Tsunamigefahr ausgeht, große Flutwellen auslösen. Und zwar, wenn die verantwortliche Verwerfung enge Gewässer durchschneidet. Wie die Simulation der Arbeitsgruppe zeigt, reicht es schon, wenn sich Teile der Uferböschung horizontal gegeneinander verschieben, wenn das Ausmaß der Verschiebung groß genug und die Böschung steil genug ist. Dann nämlich bewirkt selbst die rein horizontale Verschiebung deutliche Höhenunterschiede im Wasserspiegel, die schließlich durch Einwirkung der Schwerkraft die Wellen des Tsunamis erzeugen.

Besonders stark wirke der Effekt, wenn die Bucht an einem Ende schmal zulaufe und sich der Bruch im Gestein schneller fortpflanze als seine eigenen Scherwellen. In dem Fall entsteht ein Effekt analog zum Überschallknall, und die Stoßwelle verstärkt den entstehenden Tsunami zusätzlich. Dass dieser Effekt in Sulawesi eine Rolle spielte, hatten Fachleute schon früher vermutet. Da es sich bei der Simulation um ein extrem vereinfachtes Modell handelt, ist jedoch unklar, welche Rolle der nun von Rosakis Team modellierte Effekt bei der Katastrophe von Palu tatsächlich gespielt hat. Allerdings weist die Arbeitsgruppe darauf hin, dass das Szenario womöglich auf viele große Städte an bebengefährdeten Küsten passt.

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