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News: Überschätzte Auflösung?

Das Rastertunnel-Mikroskop ist häufig erste Wahl, wenn es darum geht, Oberflächen leitender Materialien zu untersuchen. Denn es ist vergleichsweise unkompliziert zu handhaben und liefert obendrein Bilder in atomarer Auflösung. Doch gerade die Bildqualität zweifeln nun Theoretiker an: Sie meinen, dass Wechselwirkungen zwischen Messspitze und Probe häufig Strukturen vorgaukeln, die in dieser Form gar nicht existieren.
Im Grunde ist das Prinzip einfach: Eine winzige Spitze tastet die Oberfläche einer Probe wie die Nadel eines Schallplattenspielers ab und setzt die winzigen Höhenunterschiede zusammen mit der Ortsinformation in ein dreidimensionales Bild um. Derlei Mikroskope gibt es heute in den verschiedensten Ausführungen für ganz unterschiedliche Zwecke. Der Urtyp ist jedoch das Rastertunnel-Mikroskop (STM, scanning tunneling microscope): Hier ist zwischen der Metallspitze und der Probe eine Spannung angelegt, und wenn sich die feine Spitze der Probe bis auf etwa einen Nanometer nähert, dann fließt aufgrund des quantenmechanischen Tunneleffekts ein kleiner Strom.

Da dieser Tunnelstrom äußerst empfindlich auf Abstandsänderungen reagiert, lässt sich mit ihm die Spitze auf eine konstante Höhe über der Probe einregeln. Dabei dienen die Regelströme gleichzeitig auch als Höheninformation und werden zusammen mit der jeweiligen Position der Spitze in einer dreidimensionalen Karte dargestellt. Anfang der achtziger Jahre gelang es Gerd Binnig und Heinrich Rohrer vom IBM Zurich Research Laboratory zum ersten Mal, aus dem Tunnelstrom die Distanz zwischen Messspitze und Probe zu bestimmen. Schon 1986 erhielten die Forscher für ihr Mikroskop zusammen mit Ernst Ruska, dem Erfinder des Elektronenmikroskops, den Nobelpreis für Physik.

In den zwanzig Jahren seit ihrer Erfindung nutzt man nun Rastertunnel-Mikroskope, um so unterschiedliche Proben wie Ratten-Zellen oder Quantenpunkte zu untersuchen. Wissenschaftler schätzen die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten, die einfache Handhabung und nicht zuletzt die gute Auflösung, die das tastende Mikroskop bietet. Dabei ist theoretisch gar nicht so klar, was es genau misst. Sicher, der Tunnelstrom lässt sich durch vergleichsweise einfache Gleichungen beschreiben, doch beeinflussen eine Menge Wechselwirkungen letztlich das Bild.

"Da gibt es Kräfte, Felder, Anregungen – es ist schon eine sehr komplizierte Situation", erklärt Werner Hofer vom University College London. Der Physiker hat sich zusammen mit seinen Kollegen daran gemacht, die Wechselwirkung zwischen den Atomen der Metallspitze und der Probe so genau zu simulieren, wie niemand zuvor. Dabei berücksichtigten die Forscher peinlich genau den Einfluss der Elektronen beteiligter Atome.

So fanden sie heraus, dass eine Anziehungskraft zwischen Spitze und Probe existiert, die so stark ist, dass einzelne Atome um ihre halbe Größe aus ihrer normalen Ruheposition bewegt werden. Das wiederum beeinflusst den Tunnelstrom, was das STM-Bild verzerrt und eine Oberfläche deutlich rauer aussehen lässt, als sie in Wirklichkeit ist. Hofer vermutet, dass deshalb zum Beispiel Goldoberflächen unter dem Rastertunnel-Mikroskop deutlich holpriger wirken, als es die Theorie erwarten lässt.

"Es mag erstaunen, dass es zwei Jahrzehnte dauerte, bevor sich STM-Messungen nun wirklich quantitativ beschreiben lassen. Doch zeugt diese Verzögerung nur von der großen Herausforderung, die es zu bewältigen galt", äußert sich Mark Freeman von der University of Alberta. Immerhin, zusammen mit den Ergebnissen anderer Arbeiten ergibt sich nun eine detailliertere Vorstellung vom bildgebenden Prozess eines Rastertunnel-Mikroskops. Die Erkenntnis könnte nun in Zukunft dabei helfen, die Aufnahmen dieses Mikroskops neu zu interpretieren sowie dessen Auflösung technisch zu verbessern.

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