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Antarktisches Ökosystem: Unflexible Pinguine sterben schneller aus

In der Antarktis verändert der Einfluss des Menschen das Ökosystem besonders dramatisch. Arten mit eher flexiblem Lebensentwurf kommen damit besser klar als andere.
Kehlstreifpinguin und Eselspinguin jagen gemeinsam

Der Mensch hat das Ökosystem der Antarktis im vergangenen Jahrhundert ziemlich durcheinandergebracht: Er jagte Robben und Wale bis zur Ausrottung, heizte durch die Erderwärmung die Algenblüten an und sorgte durch beides für ideale Lebensbedingungen zunächst von kleinen Krillkrebsen – bis es jenen wiederum selbst zu warm wurde, genauso wie anderen Kälte liebenden Arten. Der typische Lebenskreislauf am Südpol veränderte sich also plötzlich und turbulent, was in Flora und Fauna neben den Verlierern auch Gewinner produziert. Und das sogar bei sehr ähnlichen, nahe verwandten Arten in ein und demselben Lebensraum, etwa unter Pinguinen, wie jetzt ein internationales Forscherteam in »PNAS« zusammenfasst: Erfolgreich sind hier eindeutig Arten gewesen, die flexibel und wenig wählerisch sind, während die Spezialisten eher das Nachsehen haben.

Die Wissenschaftlergruppe um Michael Polito von der Louisiana State University kommen zu diesem Schluss, nachdem sie die allmählich veränderten Ernährungsgewohnheiten von Pinguinen über die letzten knapp 100 Jahre hinweg im Detail analysiert haben. Dazu dienten ihnen die Federn von Museumsexemplaren zweier nur auf den ersten Blick ähnlichen Pinguinarten, dem Kehlstreifpinguin (Pygoscelis antarctica) und dem Eselspinguin (Pygoscelis papua). Federn solcher Tiere werden seit langer Zeit gesammelt und in Museen und privaten Sammlungen aufbewahrt, so dass die Forscher nun genug Pinguinmaterial beider Arten aus den 1930er, 1960er, 1980er und 2010er Jahren ins Labor bekamen. Dort analysierten sie die Stickstoffisotope aus den Aminosäuren der Federn. Das Isotopenverhältnis lässt Rückschlüsse darauf zu, was das Tier zu Lebzeiten gegessen hat: Die Mischung ändert sich je nachdem, ob der Pinguin vor allem kleine Krillorganismen aus den unteren, breiten Stufen der Nahrungspyramide verdaut oder auch routinemäßig größere Organismen wie Fische und Krebse erjagt hat.

© Michael J. Polito
Antarktisches Ökosystem:Unflexible Pinguine sterben schneller aus

Veröffentlicht am: 03.12.2019

Laufzeit: 0:02:35

Sprache: deutsch

Die Auswertung belegt, dass Eselspinguine im vergangenen Jahrhundert offenbar immer das genommen haben, was ihnen besonders häufig vor den Schnabel kam. Vor einem Jahrhundert war das vor allem Krill: Der Mensch hatte die großen Meeressäuger durch ungezügelten Walfang dezimiert, weshalb Krill – als Hauptnahrungsmittel der stark dezimierten Wale – sich in den antarktischen Gewässern stark vermehrt hatte. In den letzten 40 Jahren aber scheinen Eselspinguine umgeschwenkt zu sein: Sie fressen immer weniger Krill und immer mehr Fische und andere Beute. Das dürfte mit dem nun im Lebensraum der Tiere wieder geschrumpften Angebot an Krill zusammenhängen, konstatieren die Wissenschaftler: Wale sind seit einiger Zeit besser geschützt, während der Mensch seinerseits vermehrt begann, die Krillvorkommen auszubeuten; gleichzeitig hat die Erderwärmung die marinen Kleinstlebewesen in die verbliebenen kälteren Rückzugsräume verdrängt.

All das hat essenstechnisch wenig wählerischen Eselspinguine nicht viel ausgemacht – ganz im Gegensatz zum Kehlstreifpinguin, der dieselben Habitate bewohnt. Kehlstreifpinguine fressen seit rund 100 Jahren unverdrossen vor allem Krill, wie die Analyse der Federisotopverhältnisse zeigt – obwohl sie gelegentlich durchaus einmal Fische beim Tauchen erjagen, stellen sie ihre Ernährung demnach nicht je nach Angebot um. Und dies hat offenbar dafür gesorgt, dass die Population der Kehlstreifpinguine deutlich mit den Veränderungen des Ökosystems schwankt, meinen Polito und Co: Die Kolonien der insgesamt in der ganzen Antarktis noch durchaus häufigen Art sind in den 1980er bis 2010er Jahren um bis zu 50 Prozent eingebrochen – während die Menge der Eselspinguine im selben Zeitraum um das Sechsfache gewachsen ist.

Auch weitere, eher flexible Konkurrenten wie die Adeliepinguine können sich an eine dynamische Umwelt offenbar besser anpassen als Spezialisten: Forscher hatten schon vor einigen Jahren bemerkt, dass diese Art ihren Speiseplan erweitert. Im Gegensatz zu Kehlstreif- und Eselspinguinen fühlen sich Adeliepinguine in etwas anderen Habitaten heimisch, etwa auf dem Eis. Man weiß aber, dass sie schnell auf veränderte Umstände reagieren: Wenn in mancher Saison Minkwale in ihren Jagdgründen deutlich häufiger sind, beginnen Adeliepinguine auf Fische statt Krill auszuweichen. Insgesamt dürften die langfristigen Überlebenschancen der anpassungsfähigen Arten im Südpolargebiet größer sein als diejenigen von Spezialisten wie den Kehlstreifpinguinen, so die Schlussfolgerung der Forscher – vor allem dann, wenn der Einfluss des Menschen nicht gebremst wird, der für wärmeres und saueres Meerwasser, schmelzendes Seeeis, Krillübernutzung, Faunenverfälschung und Störungen durch Tourismus verantwortlich ist.

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