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Verhaltensforschung: Warum Hunde ihren Kopf zur Seite neigen

Frauchen oder Herrchen geht das Herz auf, wenn ihre Hunde den Kopf zur Seite legen und sie aufmerksam anblicken. Doch warum machen die Tiere das überhaupt?
Ein Mischlingshund neigt seinen Kopf zur Seite.
Kopf zur Seite, Blick auf Herrchen oder Frauchen gerichtet: Dieses Verhalten beim Hund kennen viele. Aber was wollen uns die Tiere damit sagen?

Sollten Sie Ihren Hund fragen, ob er Gassi gehen möchte, dann kann es sein, dass er seinen Kopf zur Seite legt und Sie neugierig anschaut. Dieses niedliche Hundeverhalten ist vermutlich vielen Frauchen und Herrchen wohlvertraut. Doch keiner weiß genau, warum der beste Freund des Menschen so agiert. Fachleute haben bislang nur eine Studie veröffentlicht, die sich mit den möglichen Gründen für das Kopfneigen beim Hund beschäftigt. Die Untersuchung von Verhaltensforscherinnen und -forschern der Budapester Eötvös-Loránd-Universität im Fachblatt »Animal Cognition« legt nahe, dass die Tiere ihre Köpfe abknicken, wenn sie im Gehirn ihnen vertraute Wörter verarbeiten.

»Wenn Menschen sich an eine Geschichte oder etwas anderes erinnern, dann neigen sie ebenfalls ihren Kopf zur Seite – dabei entsteht ein geistiges Bild der Sache im Kopf«, sagt Andrea Sommese, Hauptautor der Studie in »Animal Cognition« und Forscher für Tierkognition. »Womöglich ist es bei Hunden genauso.«

Auch viele Tiere neigen ihren Kopf, wenn sie bestimmte Dinge sehen oder Geräusche und Gerüche um sich herum wahrnehmen. Oft hängt es damit zusammen, dass sie eines ihrer beider Ohren – oder manchmal ein Nasenloch – bevorzugen, erklärt Sommese.

Vorliebe für ein Ohr oder ein Nasenloch?

In anderen Fällen gehe es darum, ein Geräusch zu lokalisieren, sagt Julia Meyers-Manor, die am Ripon College in Wisconsin über Tierwahrnehmung forscht und an der Studie von Sommese nicht beteiligt war. »Menschen tun es, Vögel tun es, Hunde tun es«, ergänzt Meyers-Manor. »Viele verschiedene Spezies neigen den Kopf, weil sich dadurch die Ausrichtung der Ohren ändert – sie stehen dann in einem anderen Winkel, so dass der Ton nun ein Ohr schneller erreicht als das andere.«

Schleiereulen zum Beispiel sind Meister darin, den Kopf zu kippen oder ihren Hals um 270 Grad zu drehen. Diese Anpassung ermöglicht es ihnen, ihre weitgehend unbeweglichen Augen auf eine Beute zu richten und ihre feinen Ohren in fast jede Richtung zu lenken, wie eine Studie aus dem Jahr 2017 im »Journal of Anatomy« ergab.

Doch zumindest in einigen Fällen, in denen Hunde ihren Kopf zur Seite legen, scheinen die Tiere mit diesem Verhalten weniger Informationen sammeln, sondern sie verarbeiten zu wollen. Sommese und seine Kollegen untersuchten dazu »hochbegabte« Hunde, die die Namen von vielen Spielzeugdingen erlernen konnten – ein Kunststück, das für den Durchschnittshund nahezu unmöglich ist. Als die Forschenden das Verhalten der Superhunde mit dem von Artgenossen, die nicht auf Spielzeugnamen trainiert werden konnten, verglichen, stellten sie fest: Die begabten Hunde neigten ihren Kopf in 43 Prozent der Fälle, wenn ihre Besitzer den Namen eines der Spielzeuge ausriefen. Bei gewöhnlichen Hunden geschah dies nur in zwei Prozent der Fälle.

Beim Kopfneigen entsteht ein mentales Bild

Sommese und sein Team machten dabei eine weitere interessante Beobachtung: Die begabten Hunde legten ihren Kopf immer zur selben Seite, unabhängig davon, wo ihr Besitzer stand. Demnach hilft das Verhalten nicht dabei, ein Geräusch oder eine Stimme zu lokalisieren, sondern den Ton zu verarbeiten und ihn mit einem mentalen Bild zu verknüpfen, sagt Sommese.

»Wahrscheinlich passiert das bei normal begabten Hunden nicht, weil sie mit einem bestimmten Spielzeug keinen Namen verbinden und somit auch keine Erinnerung abrufen können«, erklärt der Verhaltensforscher. Doch womöglich reagieren gewöhnliche Vierbeiner dann mit einer Kopfneigung auf etwas, was für sie von Bedeutung ist – beispielsweise die Aussicht auf einen Leckerbissen oder einen Spaziergang um den Block.

Seit ihrer Studie in »Animal Cognition« aus dem Jahr 2021 sind Sommese und seine Kollegen noch keine weiteren Versuche zum Kopfneigen der Hunde angegangen. Bleibt also die Frage, warum es Hunden helfen könnte, ein bekanntes Wort zu verarbeiten, wenn sie den Kopf zur Seite legen. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass das Gehirn bestimmte Prozesse in der einen, aber nicht in der anderen Hirnhälfte durchführt; gemeint ist die Lateralisation des Gehirns. Beim Menschen zum Beispiel läuft die Verarbeitung von Sprache vor allem in der linken Hälfte ab. Und Hunde verarbeiten vertraute menschliche Wörter in der rechten Hirnhälfte, wie eine 2016 in »Science« veröffentlichte Studie ergab. Dieses Ergebnis könnte weiterhin gültig sein.

Vielleicht entwickelte sich daraus mit der Zeit eine Geste oder ein Körpersignal, das anderen zeigt, dass man aufmerksam die Geschehnisse um sich herum wahrnimmt, sagt Meyers-Manor. Dieser Aspekt könnte erklären, weshalb Menschen das Kopfneigen eines Hundes als Zeichen aufmerksamer Neugier interpretieren – und warum viele von uns dieses Verhalten so niedlich finden.

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