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Insektennahrung: Warum Maden so schnell Nahrung verputzen können

Insekten könnten zukünftig ihren Beitrag zu unserer Ernährung leisten. Doch dafür müssen sie selbst adäquat fressen. Ein Zeitraffervideo zeigt, wie sie vorgehen.
Larve eines Käfers - Fliegenmaden im Fressrausch sind ein bisschen unappetitlicher (Symbolbild)

Anm. d. Red.: Das Teaserbild zeigt bewusst keine Massenansammlung fressender Fliegenlarven. Die ursprüngliche Betitelung als »Raupe eines Apfelwicklers« war jedoch falsch – es handelt sich um die Larve eines Käfers. Vielen Dank für die Hinweise.

Die Menschheit hat ein Problem: Sie konsumiert zunehmend mehr Fleisch, gleichzeitig landen jährlich mehr als 1,3 Milliarden Tonnen Nahrung im Müll – beides belastet die Umwelt, während gleichzeitig Menschen wegen Verteilungsschwierigkeiten hungern müssen. Einen Ausweg aus dem Dilemma könnten Insekten bilden, indem sie direkt verzehrt werden oder Vieh als Nahrung dienen, wobei sie selbst mit Essensresten gefüttert werden. Doch um qualitativ hochwertige Nahrung aus Insekten herzustellen, muss man sie adäquat versorgen. Um zu verstehen, wie das funktionieren könnte, fütterten Olga Shishkov vom Georgia Institute of Technology und ihr Team die Larven Schwarzer Soldatenfliegen (Hermetia illucens) mit verschiedenem Essen – und filmten die Fressorgien mit Zeitrafferkameras. Die Ergebnisse stellten sie im »Journal of the Royal Society Interface« vor.

Das faszinierende Ergebnis zeigt, wie der Nachwuchs der Fliegen in kurzer Zeit eine komplette Pizza vertilgt – und wie der kollektive Fressmechanismus funktioniert, so dass möglichst viele Larven an Nahrung gelangen. Shishkov und Co bezeichnen das charakteristische Verhalten der Tiere dabei ganz poetisch als »Fontäne an Larven«, weil die entstehende Bewegung sie an einen Springbrunnen erinnerte. Die Maden, die direkt an der Nahrungsquelle sitzen, halten sich demnach mindestens fünf Minuten an diesem Ort auf und fressen ungefähr 40 Prozent der Zeit, wobei sie bezogen auf ihre Körpergröße erhebliche Mengen aufnehmen können; allerdings nur, wenn sie ungestört sind. Denn sonst blockieren sie für nachkommende Artgenossen den Zugang zu gammelndem Obst oder Aas, was die Verwertungsgeschwindigkeit herabsetzt.

© Olga Shishkov, Georgia Institute of Technology, Mechanical Engineering
Fliegenmaden im Fressrausch

Bei den Fliegenmadenmassen gilt nicht, wer zuerst kommt, frisst ungestört zuerst, sondern ein Verdrängungswettbewerb: Nachrückende Larven drücken sich unter ihren Vorgängern durch und schieben diese dadurch nach oben weg. Dann fressen sie selbst, bis sie ebenfalls durch die Artgenossen aus dem Weg geräumt werden und so weiter. Dadurch entsteht eine wuselnde, lebende Pyramide an Larven, deren oberste Vertreter immer wieder nach unten purzeln und mit Glück auf frischer Nahrung landen – oder sich wieder nach vorne arbeiten müssen. Dieser sich selbst fortpflanzende Fluss sorgt für eine erhöhte Futterumsatzrate und maximal mögliche Versorgung des Madenschwarms. Eine komplette Pizza wurde dabei von den Larven innerhalb von nur zwei Stunden vollständig vertilgt. Und das Verhalten erklärt wahrscheinlich auch, warum Schwarze Soldatenfliegen die häufigsten Gäste an Kadavern sind.

Laut den Biologen zeigen die Larven ein im Tierreich bislang nicht bekanntes einmaliges Fressverhalten, das beispielsweise bei Wirbeltieren nicht vorstellbar erscheint. Und die Studie offenbart noch eine Bizarrerie: Auch Fliegenlarven bevorzugen bei Pizza das weiche Innere mit Käse und Tomatensoße, so wie die meisten Menschen. Nachdem sie die Kruste durchstoßen hatten, fraßen die Maden erst einmal diese Teile, bevor sie sich am Ende den verbliebenen Krustenstücken widmeten.

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