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Wetter: Das berüchtigte Omega

Europa droht eine Omega-Wetterlage. Sie ist besonders stabil und daher gefürchtet. Wenn sie nicht endet, könnte uns ein ähnlich heißer Sommer wie im Jahr 2018 bevorstehen.
Heißer Sommertag in Frankfurt am Main

Wenn von Omega die Rede ist, werden Wetterexperten nervös. Eigentlich steht der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets für das Ende, doch Meteorologinnen und Meteorologen meinen damit eine Wetterlage, die nicht enden mag. Weil sie dem Buchstaben optisch ähnelt, bezeichnen die Expertinnen und Experten die spezielle Konstellation von Hoch- und Tiefdruckgebieten als Omega-Wetterlage. Und die hat es in sich: Omegalagen sind besonders stabil und daher gefürchtet. Über Mitteleuropa bläht sich dann ein gewaltiges Hochdruckgebiet auf, flankiert von zwei Tiefdruckgebieten über dem Nordatlantik und Osteuropa. Insofern steht die Omegalage unter Meteorologen für hohe Beständigkeit: Je länger sie anhält, desto extremer wird das Wetter.

Jetzt kündigt sich erneut eine solche Wetterlage an. Am Wochenende steigt der Luftdruck über Mitteleuropa und Skandinavien, sehr warme Luft aus dem Süden strömt auf den Kontinent. »Es sieht sehr nach einer Omegalage aus«, sagt Meteorologin Jacqueline Kernn vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach, allerdings sei unklar, wie lange sich das Omega dieses Mal behaupten werde, das Tief über Osteuropa schwächle etwas. Denn alles hängt davon ab, ob die flankierenden Tiefdruckgebiete das Hoch in der Mitte unterstützen, dann werde das Omega von der Strömung aufrechterhalten. »Normalerweise halten solche Lagen aber gut und gerne drei Wochen«, sagt sie. Im Glutsommer 2003 setzte sich das Hoch Michaela sogar noch länger fest. Damals sprach das halbe Land über das berüchtigte Omega, das im Süden fast den ganzen Sommer dominierte.

Die Folgen der aktuellen Wetterlage lassen sich jetzt schon auf den Wetter-Apps erkennen. Bis weit in die nächste Woche hinein sagen die Modelle frühsommerliche Werte und viel Sonne voraus, mancherorts könnte es tagelang sogar erstmals heiß werden. Große Hitze, wie sie Anfang der Woche noch von einigen Modellen berechnet wurde, ist allerdings unwahrscheinlich. Dafür ist bis auf Weiteres in weiten Teilen des Landes kein Regen in Sicht. Damit spitzt sich die Trockenheit im Osten und Norden weiter zu, allenfalls zum Wochenanfang könnte ein kleines Randtief ein paar Schauer und Gewitter übers Land ziehen lassen. Nach größeren Regenmengen sieht es vorerst aber nicht aus.

Doch warum sind Omegalagen so beständig? Das Hoch im Zentrum einer Omegalage ist wie ein Bollwerk. Meteorologen zählen sie zu den Blockadelagen, auch Blockings genannt. Die regenträchtigen Westwinde dringen dadurch nicht mehr nach Europa vor, die Atmosphäre ist blockiert. Das Hoch ist deshalb so stabil, weil vom Boden bis in die Höhe hoher Luftdruck herrscht. Gewöhnliche Hochdruckgebiete hingegen bilden sich häufig nur am Boden und werden nach wenigen Tagen von der anrückenden Westdrift plattgebügelt. Dadurch kommt es in Mitteleuropa zum typischen Wechsel von Sonne und Regen und eher gemäßigten Temperaturen.

Niemand wünscht sich einen Sommer wie im Jahr 2018

Ähnlich beständig wie die Omegalage ist auch ein Dipol- oder Rexblock (benannt nach dem Meteorologen Daniel F. Rex). Bei dieser Konstellation bildet sich ebenfalls ein stabiles Hochdruckgebiet in der Höhe, zudem ein abgeschnürtes Tiefdruckgebiet südlich davon, das so genannte Cut-Off-Tief. Unter Meteorologen wird die Lage auch als Hoch über Tief bezeichnet. Sehr beständig sind ebenfalls Hochdruckgebiete, die sich im Sommer von den Subtropen in die mittleren Breiten ausdehnen. Diese Sommerhochs können Blockaden in der Atmosphäre verursachen, werden aber nicht immer zu den Blockings gezählt.

Doch was genau ein Blocking ist, darüber sind sich die Forschenden bis heute uneins. Eine einheitliche Definition für Blockings existiert nicht und damit keine geschlossene Theorie. Zu den wichtigsten Charakteristika zählen Atmosphärenforscher ihre beinahe stationäre Lage und die dadurch ausgelöste Blockierung der Westströmung. Manche Blockade-Hochs sind so beständig, dass sie mehrere Tage oder sogar Wochen anhalten. Je länger sie dauern, desto schlimmer sind die Auswirkungen. Hält die Lage Wochen oder Monate an wie im Sommer 2018, dörren die Böden aus und verstärken Hitzewellen zusätzlich.

Genau dieses Szenario bereitet Forstleuten, Landwirtinnen und Hydrologen derzeit große Sorge. Niemand wünscht sich, dass sich 2018 wiederholt. Denn das aktuelle Frühjahr ist bereits deutlich zu trocken, 80 Liter Regen sind in Deutschland bislang im Schnitt gefallen. Das ist gut die Hälfte der üblichen Mengen bis Mitte Mai. Dafür schien die Sonne bundesweit schon anderthalb Mal so lange. Besonders trocken ist es erneut in Berlin und Brandenburg. In Wiesenburg an der Grenze zu Sachsen-Anhalt fielen seit Anfang März gerade einmal zehn Liter Regen pro Quadratmeter, das sind 15 Prozent. In dieser Region herrscht jetzt die höchste Waldbrandgefahr.

Trocken ist es auch im äußersten Westen, und sogar am nassen Alpenrand fiel im Frühling bislang zu wenig Regen. Die Auswirkungen sind fatal: Im Rheinland und verbreitet im Osten sind die Böden bereits staubtrocken, Pflanzen beginnen zu welken. Im ganzen Osten herrscht im Oberboden eine schwere, mancherorts sogar extreme Dürre, weist der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig aus. Noch schlimmer sieht es in den tieferen Bodenschichten von etwa 1,80 Meter Tiefe aus: Dort herrscht in Teilen Niedersachsens und in weiten Regionen Ostdeutschlands sogar eine außergewöhnliche Dürre, die höchste aller Stufen.

Die Lage ist mancherorts also schon angespannt genug – und dabei hat die regenarme Omega-Wetterlage noch gar nicht begonnen. Sorgen bereitet den Meteorologinnen und Meteorologen aber nicht nur die Mittelfrist, sondern vor allem die Langfrist, die grobe Prognose der Witterung für die nächsten Monate. Als der europäische Wetterdienst EZMWF Anfang Mai seine Sommerprognose veröffentlichte, staunten viele Expertinnen und Experten nicht schlecht. Demnach soll der Sommer in großen Teilen Europas im Schnitt ein bis zwei Grad wärmer als im Vergleich der ohnehin schon warmen Jahre 1993 bis 2016 ausfallen, zudem dürfte es weiter regenarm bleiben. Tritt die Prognose ein, stünde der Kontinent vor einem neuerlichen Hitzesommer.

Das Signal für einen heißen und trockenen Sommer ist außergewöhnlich stark

Man kann nur hoffen, dass sich die Prognose am Ende als falsch herausstellt. Langfristprognosen sind mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Insofern sollte man solche Berechnungen nicht allzu ernst nehmen. Hinter der Prognose der Temperaturanomalien von Juni bis August stehen 51 Ensemble-Berechnungen, die Anfang Mai in Großrechnern beim Europäischen Zentrum für Mittelfristige Vorhersagen in Reading bei London erstellt werden. Aus diesen Berechnungen bilden die Forschenden einen Mittelwert und vergleichen ihn mit dem Mittelwert der Jahre zwischen 1993 und 2016, erklärt Florian Pappenberger, Chef der Vorhersage-Abteilung.

Pappenberger bestätigt, dass die Prognosequalität der saisonalen Vorhersage in unseren Breiten im Vergleich zu den Tropen eher niedrig sei. Allerdings gebe es im Sommer in Europa auch Gebiete, die man ganz gut vorhersagen könnte. Dazu gehört vor allem Südosteuropa, wo eine hohe Prognosequalität bestehe. In Nordwesteuropa sei sie hingegen relativ gering, sagt er.

Diese Langfristprognose könnte man für Mitteleuropa also vernachlässigen, wenn das Signal für einen heißen und trockenen Sommer in diesem Jahr nicht außergewöhnlich stark wäre. Außerdem kommt der Deutsche Wetterdienst in seinem Langfristtrend zu einem ähnlichen Ergebnis. Demnach müsste sich der komplette Süden Europas auf einen heftigen Sommer mit großer Dürre einstellen. Ebenfalls eine positive Abweichung berechnet der amerikanische Wetterdienst Noaa.

»Die Sommerberechnungen zeigen schon ein sehr deutliches Signal«, sagt Andreas Brömser, Agrarmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst. Allerdings dürfe man jetzt nicht den Fehler begehen, einen Hitze- und Dürresommer auszurufen. Dafür seien die Prognosen zu unsicher. Dennoch mahnt er erhöhte Vorsicht an: In den kommenden Wochen sollte man die weiteren Berechnungen verfolgen und sich als Landwirt vielleicht jetzt schon Gedanken machen, wie man das verfügbare Wasser einteilt und die Verdunstung niedrig hält.

Bislang gebe es aus Sicht der Landwirtschaft jedenfalls noch keine größeren Probleme, sagt Brömser. Raps und Wintergetreide hätten ausreichend tiefe Wurzeln gebildet und könnten sich gut mit Wasser versorgen. Allenfalls Zuckerrüben, Mais und Soja, die Ende März bis April gesät wurden, könnten verspätet auflaufen, zudem habe sich in den trockenen Regionen der Dünger noch nicht ausgelöst. Bäume und Sträucher hingegen würden von der Trockenheit noch nicht viel merken, erklärt der Agrarmeteorologe.

Jetzt kann man nur hoffen, dass das auch so bleibt. Glücklicherweise scheint sich das bevorstehende Omega nicht so stabil über Europa zu behaupten wie üblich. Die Wettermodelle deuten für das nächste Wochenende schon sein Ende an, heftige Schauer und Gewitter kündigen sich an. Das Problem ist nur, dass die Wettermodelle blockierende Wetterlagen häufig unterschätzen. Es wäre daher nicht das erste Mal, dass die Omegalage einfach nicht enden mag, obwohl die Wettermodelle etwas anderes behaupten.

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