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Psychische Störungen: Sexuelle Lustlosigkeit

Was versteht man unter sexueller Lustlosigkeit? Wie entsteht sie, und was sind die Folgen? Informationen für Betroffene.
Mann und Frau

Was ist sexuelle Lustlosigkeit?

Sexuelle Lustlosigkeit (oft auch Libidostörung oder Störung mit verminderter sexueller Appetenz genannt) zählt zu den häufigsten sexuellen Funktionsstörungen. Ihr zentrales Kennzeichen ist ein anhaltender Mangel oder Verlust an sexuellen Fantasien, Gedanken und Gefühlen, der über einen Zeitraum von sechs Monaten besteht. Die Betroffenen fühlen sich zu anderen Personen kaum körperlich hingezogen, und sie empfinden nur wenig oder kein Bedürfnis nach sexuellem Kontakt. Auch in der Partnerschaft ergreifen sie für gewöhnlich nicht die Initiative. Kommt es dennoch zum Geschlechtsverkehr, können sie diesen aber durchaus als befriedigend empfinden.

Die meisten Patienten berichten, ihr Verlangen nach Sex habe irgendwann nachgelassen. Bei einem kleinen Teil war es noch nie vorhanden. Die Lustlosigkeit betrifft entweder alle Formen der Sexualität oder nur Teilbereiche. So kann etwa der Wunsch nach Selbstbefriedigung vorhanden sein, aber der nach Geschlechtsverkehr fehlen.

Da sich das Verlangen nach Sex von Person zu Person unterscheidet, lässt sich die Frage, wie viel Lust eigentlich "normal" ist, nicht einfach beantworten. Es gibt kein objektives Kriterium. In der Praxis spricht man von sexueller Lustlosigkeit, wenn der Wunsch nach Sex nur einmal im Monat oder weniger auftritt und dies bei der Person großen Leidensdruck und zwischenmenschliche Probleme verursacht. Im Gegensatz dazu bezeichnet der Begriff Asexualität ein vollkommen fehlendes sexuelles Interesse, das die Betroffenen aber nicht vermissen.

Wie verbreitet ist sexuelle Lustlosigkeit?

Wesentlich mehr Frauen als Männer leiden unter sexueller Lustlosigkeit; sie gilt als die häufigste sexuelle Funktionsstörung bei Frauen. In einer Befragung an über 4000 Bundesbürgerinnen über 20 Jahren gaben rund 15 Prozent an, unter sexuellem Desinteresse zu leiden. Allerdings scheint das Thema, selbst gegenüber einem Gynäkologen, immer noch ein Tabu darzustellen: Etwa die Hälfte der Betroffenen erwähnte ihr Problem erst, nachdem sie ausdrücklich danach gefragt wurden. Daher scheint die Häufigkeit der Störung eher unter- als überschätzt zu werden. In Umfragen berichten zwischen 17 und 35 Prozent der Frauen von einem reduzierten Bedürfnis nach Sex, und etwa die Hälfte leidet darunter. Bei Männern sind rund fünf Prozent betroffen.

Wie entsteht sie?

Sexuelle Unlust kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Meistens wirken sich verschiedene psychische, organische und soziale Faktoren negativ auf die Sexualität aus, wobei vor allem psychische Ursachen eine große Rolle spielen.

Psychische Faktoren: Probleme und Streit in der Partnerschaft, berufliche Belastung, chronischer Stress, aber auch Versagensängste, Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und ein geringes Selbstwertgefühl begünstigen die Entstehung der Störung. Ebenso können belastende sexuelle Erfahrungen wie Erektionsprobleme oder ein früherer Missbrauch zu einer Lustlosigkeit führen.

Körperliche Faktoren: Verschiedene Medikamente wie die antidepressiv wirkenden selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) oder Neuroleptika reduzieren die Libido. Auch Östrogen- beziehungsweise Testosteronmangel, Stoffwechselerkrankungen, Drogen- oder Alkoholmissbrauch sowie neurologische Erkrankungen wie Demenz oder multiple Sklerose können das Lustempfinden dämpfen.

Soziale Faktoren: Die sexuelle Revolution der 1960er Jahre enttabuisierte die Sexualität und führte zu einem freieren Umgang mit dieser. Heute sind erotische Reize überall präsent; gleichzeitig schwindet die sexuelle Aktivität der Deutschen laut Erhebungen seit Jahrzehnten. In einer Umfrage der Universität Göttingen im Jahr 2005 an über 13 000 liierten Männern und Frauen gaben 17 Prozent an, im letzten Monat gar nicht mit ihrem Partner geschlafen zu haben. Rund 60 Prozent hatten in diesem Zeitraum einmal Sex. Einige Experten sehen darin eine "Übersättigung" durch sexuelle Reize und vermuten, dass die in den Medien propagierte Sexualität Leistungsdruck und Versagensängste erzeugt.

Psychische Störungen wie eine Depression, Essstörung oder Suchterkrankung können sowohl Ursache als auch Folge der Lustlosigkeit sein. Männer leiden häufig noch unter einer Erektions- oder Orgasmusstörung, Frauen oft zusätzlich unter Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs oder einer Erregungsstörung.

Was sind die Folgen?

Die Betroffenen leiden meist deutlich unter ihrer Lustlosigkeit, suchen aber aus Scham selten oder erst sehr spät professionelle Hilfe auf. Die Probleme bestehen daher häufig über Monate oder Jahre hinweg und haben schwer wiegende Folgen für den Selbstwert und die Partnerschaft der Betroffenen. Negative Emotionen wie Unverständnis, Ärger, Wut und Enttäuschung sowie das Gefühl von Zurückweisung stauen sich lange zwischen den Partnern auf. Häufig ziehen sich beide mehr und mehr voneinander zurück, was dazu führt, dass auch das Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit unerfüllt bleibt. Die Störung beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen daher oft stark und ist keineswegs ein "Luxusproblem".

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