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»°C – Celsius«: Schnell mal die Welt retten?

Im Thriller von Marc Elsberg rettet ein globaler Sonnenschirm die Welt vor Überhitzung. Oder? Spannend und mit überraschenden Wendungen.
Ein Mann versucht Glutnester zu ersticken

Schweden? Das ist vielleicht nicht nur für die Eltern der Klimaforscherin Fay im Roman von Marc Elsberg ein persönlicher Zufluchtsort angesichts der Folgen der Klimakatastrophe. Die jedenfalls kaufen ihren Enkeln dort eine Zweitimmobilie – in dem in Zukunft vermeintlich kühleren Land. Diese kleine Szene im Buch offenbart beispielhaft eine Sicht- und Handlungsweise der westlichen Welt im Hinblick auf die kommende Krise.

Doch in Elsbergs neuem Thriller gibt es eine Lösung gegen den Klimawandel. Das Wundermittel heißt Geoengineering. Auch in der realen Welt diskutieren Forschende darüber. Bislang stößt dieser Traum auf Grund seiner unkalkulierbaren und globalen Folgen überwiegend auf Ablehnung. Doch was wäre, wenn? Elsberg denkt diesen Schritt weiter, was wäre, wenn dieser globale Sonnenschirm funktioniert. Er schildert, warum diese Art der Weltrettung nicht ohne Folgen ist.

Der Thriller startet mit einer weltweiten Überraschung. Plötzlich tauchen wie aus dem Nichts monströse schwarze Drohnen am Himmel auf, selbst die Regierenden sind geschockt. Die bedrohlichen Flugobjekte stammen aus China und stürzen scheinbar auf Taiwan zu. In letzter Sekunde verhindert eine Klimaforscherin eine Überreaktion der westlichen Regierungen, deren Atomwaffen schon bereitstehen. »Wenn es nicht um Taiwan oder Vietnam geht«, fragt der US-amerikanische Präsident, »worum geht es dann?« Nüchtern antwortet ihm die Klimaforscherin: »China übernimmt die Kontrolle über das Weltklima.«

Die fliegenden Geschwader sollen über Jahre Tonnen von Aerosolen im Himmel verteilen und so die Welt vor zu viel Hitze abschirmen – so jedenfalls der Plan. Dieser künstlich aufgespannte Sonnenschirm ist aus zwei Gründen gefährlich. Das Vorhaben darf nicht unterbrochen werden, sonst erfolgt ein »Abbruchschock« (termination shock), eine der größten Gefahren von Geoengineering. Der Klimawandel würde nicht in Jahrzehnten erfolgen, sondern unkontrollierbar in wenigen Jahren voll zuschlagen. Elsberg macht die zweite Gefahr zum Hauptthema: Wer das globale Klima beherrscht, besitzt eine extrem mächtige und begehrte globale Waffe.

Der Thrill sind daher gar nicht so sehr die üblichen Elemente wie Verbrecher, Verfolgungsjagden und Anschläge. Die richtige Gänsehaut erzeugt die real mögliche Technik. Elsberg macht überdeutlich: Technik darf nie ohne Macht und Geld gedacht werden. Und so ist es vielleicht gar nicht ein drohender dritter Weltkrieg, sondern die Möglichkeiten von Menschen, die schnell mal das Klima retten wollen, die die wirkliche Bedrohung darstellen.

Der wissenschaftliche Teil ist sauber recherchiert, und es ist schön, dass im Thriller die Granden der Klimaforschung wie Svante Arrhenius, John Tyndall und Joseph Fourier erwähnt werden. Und erschreckend ist es, beim Lesen zu realisieren, dass das Wissen um das weltweite Versagen in Sachen Klimaschutz schon vor 70 Jahren bekannt war. Einmal fasst die Klimaforscherin Fay die Folgen der Klimakatastrophe in einem Meeting zum wiederholten Mal zusammen. Dann macht sie eine Pause: »Sie alle wissen, was das bedeutet.«

Eine andere Art Gänsehaut machen die Debatten der Regierenden, die ähnlich auch in der realen Welt zu hören sind. Und so weigern sich die westlichen Länder trotz drohender Gefahr, den bisherigen Lebensstil zu ändern, sie streiten nicht darum, fossile Verbrenner abzuschaffen, sondern ob die indische oder die chinesische Kohle schlimmer sei, und sie wollen die Industrie eigentlich nicht schnell dekarbonisieren.

Im Schatten dieser Verzögerungstaktiken stehen aber Länder, die nicht nur Angst vor zu viel Hitze, Klimaflüchtlingen oder sinkender Wirtschaftskraft haben, sondern deren Existenz auf dem Spiel steht. Und es ist Elsbergs Verdienst, diesen Ländern eine Stimme im Roman zu geben.  

Noch etwas macht den Roman besonders. Elsberg gelingt eine originelle Erzählung der Geschichte des Klimawandels. Bei ihm ist es ein Senior-Journalist namens Pat Welzer, der in den Himalaja eingeladen ist, und während der durch den noch vorhandenen Schnee stapft, nutzt Elsberg diese Kulisse, das ganze Klimadrama noch einmal sehr lesenswert zu schildern.

Das Buch fesselt bis zum Schluss. Und natürlich hat sich Elsberg bis zur letzten Seite spannende Wendungen ausgedacht. Eines wird verraten: Die Fluchtoption mit einem Haus in Schweden klappt nicht. Würde es auch nicht in der realen Welt, denn der Klimawandel ist dort schon längst angekommen. Das nördlich gelegene Land heizt sich gerade sogar doppelt so schnell auf wie im weltweiten Mittel.

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