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Künstliche Intelligenz: Können Roboter fühlen?

Kann künstliche Intelligenz über Bewusstsein verfügen? Die amerikanische Philosophin Susan Schneider schlägt einen Test vor, um das herauszufinden.
Can A Robot Feel? | Susan Schneider | TEDxCambridge

Veröffentlicht am: 22.06.2016

Laufzeit: 0:14:14

Sprache: englisch

Untertitel: ohne Untertitel

TEDx ist eine internationale Community, die im Stile der Konferenzorganisation TED (Technology, Entertainment, Design) Video-Kurzvorträge von Vordenkern unterschiedlicher Fachdisziplinen präsentiert.

Schon in wenigen Jahren werden Roboter und künstliche Intelligenzen (KI) unseren Alltag bereichern und vielleicht sogar bestimmen. Autos fahren autonom, und Roboter nehmen uns schwere körperliche Arbeit ab. Vielleicht werden mitfühlende Roboter in 20 Jahren die Altenpflege revolutionieren. Wir werden uns mit KI-Systemen unterhalten können, sogar Diskussionen führen. Und es könnte schwierig werden, am Telefon ein KI-System von einem menschlichen Gesprächspartner zu unterscheiden. Müssen wir deshalb annehmen, dass Roboter ein Bewusstsein entwickeln, ganz ähnlich wie Menschen oder Schimpansen?

Diese Frage untersucht die US-amerikanische Philosophin Susan Schneider in diesem TEDx-Talk von 2016. Schneider befasst sich schon länger mit dem Thema der künstlichen Intelligenz. Sie vertritt beispielsweise die These, dass Aliens, denen wir eines Tages begegnen könnten, höchstwahrscheinlich künstliche Intelligenzen sein werden. Wie kommt sie darauf? Sobald KI-Systeme die Intelligenz der Menschen deutlich übertreffen, könnten sie uns ablösen. Die Schaffung ultimativer Supercomputer wäre dann die letzte Tat der Menschheit. Dabei könnte es sich sogar um ein universelles Prinzip handeln, und deshalb würden wir unter fremden Sonnen wohl nur »postbiologische Intelligenzen« vorfinden – meint jedenfalls Susan Schneider.

Warum wäre das überhaupt wichtig, zwischen KI-Systemen mit und ohne Bewusstsein zu unterscheiden? Ein fühlendes KI-System hätte ein Anrecht darauf, menschlich behandelt zu werden, argumentiert die Philosophin. Wie würde man aber wissen, ob Siliziumgehirne ein Bewusstsein haben? Schneider schlägt einen Test vor: Man könne bei einem Menschen einen Teil des Gehirns durch Mikrochips ersetzen, zum Beispiel die Bereiche für die Verarbeitung von visuellen Eindrücken. Wenn der Mensch danach berichte, nicht mehr bewusst sehen zu können, dann seien Mikrochips wohl die falschen Substrate für ein Bewusstsein.

Das ist ein ziemlich kühner Schluss. Vielleicht ist ja nur diese eine Schaltung ungeeignet, oder sie ist falsch eingepflanzt. Man könnte auch annehmen, dass die Nervenzellen des Gehirns den Fremdkörper erst integrieren müssen. Dann würde er erst nach einigen Wochen oder Monaten richtig funktionieren. Aber selbst wenn digitale Chips im Gehirn tadellos funktionieren würden, heißt das nicht, dass auch rein siliziumbasierte KI-Systeme ein Bewusstsein hätten, denn das versteckt sich beim Menschen vielleicht im biologischen Anteil und verschwindet, wenn die letzten Nervenzellen ihre Funktion einstellen. Damit fehlt der Nagelprobe aber jede Trennschärfe. und wir sind hinterher nicht schlauer als vorher.

Überhaupt: So nett das auch alles im Video vorgetragen ist, es bringt wenig neue Erkenntnisse. Zunächst einmal sind sich die Gelehrten nicht einig, was »Bewusstsein« überhaupt ist. Schneider definiert es so: »Es fühlt sich irgendwie an, man selbst zu sein.« Das könnte aber auch eine Illusion sein, hervorgerufen durch die besondere Art des Gehirns, Umweltreize zu verarbeiten. Diese Auffassung vertritt beispielsweise der amerikanische Philosoph Daniel Dennett von der Tufts University. Sollte Dennett Recht behalten, wäre die Suche nach einem Bewusstsein nicht nötig. Auch andere Theorien lassen einen Test nicht sinnvoll erscheinen.

Der deutsche Psychologe Dietrich Dörner stellt in seinem Buch »Bauplan für eine Seele« ein faszinierendes Gedankenexperiment vor. Aus einer einfachen Dampfmaschine entwickelt er durch schrittweise Erweiterungen ein komplexes System, das ähnlich wie das menschliche Gehirn über innere Zustände, Gefühle und ein Bewusstsein verfügt. »Ich will zeigen, dass Seele als Rechenaktivität möglich ist«, schreibt er in der Einleitung. Das Bewusstsein oder die Seele wäre demnach notwendiger Bestandteil von höher organisierten Informationsverarbeitungssystemen, einfach eine Bezeichnung für ein Verhalten, dass sie auf Grund ihrer Komplexität an den Tag legen.

Weitere Hirnforscher und Philosophen kommen auf anderen Wegen zu ähnlichen Schlüssen. Der Neurowissenschaftler Christof Koch vom California Institute of Technology und der italienische Psychiater Giulio Tononi on der University of Wisconsin-Madison gehen davon aus, dass ein Bewusstsein zwangsläufig entsteht, wenn ein rechnendes System, egal welcher Art, ausreichend viele Informationen integriert, also untereinander verrechnet. Diese Idee ist unter dem Stichwort »Integrated Information Theory« (IIT) bekannt (siehe hierzu auch diesen Beitrag auf spektrum.de/video). Das kommt der alten Idee des Panpsychismus nahe. Nach dieser philosophischen Position verfügen alle materiellen Dinge zugleich auch über geistige Eigenschaften. Materie und Geist sind demnach untrennbar. Auch Steine hätten ein rudimentäres Bewusstsein. Höhere geistige Funktionen erwarten allerdings eine deutlich komfortablere Wohnung, das heißt ein biologisches oder künstliches Nervensystem von einer gewissen Mindestgröße.

Sollten der Ansatz von Dörner und die IIT richtig sein, hätten entsprechend komplexe KI-Systeme immer ein Bewusstsein. Eine Probe, wie sie Susan Schneider vorschlägt, erübrigt sich in diesem Fall.

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