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Seevogelsterben: Hungertod im Beringmeer

In den letzten Jahren sind im Beringmeer massenhaft Gelbschopflunde verhungert. Wahrscheinlich ist der Klimawandel schuld daran: Den Vögeln schwimmt das Futter davon.
19 tote Gelbschopflunde, die am Nordstrand von St. Paul geborgen wurden

Massenhaft tote Papageientaucher

Mehr als 350 tote Seevögel, vor allem Gelbschopflunde, wurden von Oktober 2016 bis Januar 2017 vom Beringmeer an die Strände der kleinen Insel St. Paul gespült. Mit Hilfe einer einheimischen Umweltbehörde untersuchte ein Team um Timothy Jones von der University of Washington die gestrandeten Kadaver. Die meisten der stark abgemagerten Tiere hatten sich wohl zum Zeitpunkt ihres Todes in der Mauser befunden. Ein durch die Klimaerwärmung bedingter Futtermangel habe den Tieren das Leben gekostet, so behauptet das Team nun im Fachmagazin »PLOS One«.

Das Beringmeer liegt zwischen der Westküste Alaskas und der Ostküste Sibiriens. Im Norden ist das relativ flache Randmeer über die Beringstraße mit dem Arktischen Ozean verbunden, während es im Süden durch die Inselkette der Aleuten – darunter St. Paul – begrenzt wird. Zeitweise sind Beringstraße und -meer von Eis bedeckt. Schon seit 2014 beobachten Experten dort eine Wärmeperiode. Das Eis geht zurück, die Wassertemperatur nimmt zu – und manchen darin lebenden Tieren wird es zu warm: Sie wandern in nördlichere Gebiete ab. Seevögel wie der Gelbschopflund sind jedoch mittelbar auf die Kleinstlebewesen – das Zooplankton – angewiesen. Denn sie fressen Fisch und Meerestiere, die sich davon ernähren. Wenn Gelbschopflunde im Herbst Teile ihres Gefieders abwerfen, sind sie für etwa 40 Tage fluguntüchtig und müssen sich ihre Nahrung in unmittelbarer Nähe ertauchen. Eine klimabedingte Nahrungsknappheit bedeutet für sie in dieser Phase laut dem Team um Jones doppelten Stress – und hat oft den Tod zur Folge.

Das Team aus Forschern und Einheimischen vom Stamm der Aleuten geht davon aus, dass die auf der Sankt-Paul-Insel geborgenen Kadaver nur die Spitze des Eisbergs sind. Anhand von Wetterdaten rekonstruierten die Forscher, woher die gestrandeten Vögel stammten, und berechneten, dass während der beobachteten vier Monate insgesamt 3150 bis 8800 Seevögel verhungert sein könnten. Das wären 40 bis 100 Prozent der gesamten Population von St. Paul sowie seiner Nachbarinsel St. George. Das Team vermutet deshalb, dass ebenso die Vogelbestände anderer Inseln im Beringmeer betroffen waren. Neben dem Gelbschopflund zählen sie auch andere Arten wie den Schopfalk zu den Opfern des Vogelsterbens. Laut Jones und seinen Kollegen ist dies nur eines vieler solcher Ereignisse, die von der aktuellen Wärmeperiode ausgelöst wurden. Ob die Seevögel im Beringmeer den fortwährenden Veränderungen ihrer Ökosysteme – und somit dem Klimawandel – standhalten können, sei ungewiss, so die Forscher.

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