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Wissenschaft und Karriere: Kindheitsträume im Job erfüllt

Raymond Freymann
Von der Luftfahrt zum Leiter der BMW Forschung und Technik GmbH | Mit rund 200 Mitarbeitern arbeitet Prof. Raymond Freymann an neuen Technologien für Automobile.
Spektrum der Wissenschaft: Autos faszinieren viele Jungen und Männer. Haben Sie sich einen Kindheitstraum erfüllt?

Raymond Freymann: Absolut. Wobei mich damals nur Rennautos interessiert haben. Und Kampfflugzeuge. Nach der Schule wollte ich zunächst Pilot werden, begann dann aber doch erst an der TU Braunschweig Flugtechnik zu studieren. Ich war jung und konnte mir Optionen offen lassen.

Spektrum: Doch der Ingenieurberuf war spannender als der des Jet-Piloten?

Freymann: Ja, so war es. Ich blieb meiner Begeisterung für das Fliegen aber zunächst treu und wechselte nach meinem Studium an das Institut für Aeroelastik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Göttingen. Fast zehn Jahre lang erforschte ich dort alles, was sich im Luftstrom verformt, von schwingenden Tragflächen bis hin zum vom Wind angeregten Hängebrücken. Das war eine fantastische Zeit, das Institut war hervorragend ausgestattet und ich konnte dort promovieren. Anschließend nahm ich für ein Jahr im Flight Dynamics Laboratory der US Air Force in Ohio an der Entwicklung des Kampfflugzeugs F16 teil.

Das Auto passt mit auf | Wie auch andere Hersteller arbeitet BMW an neuen Sicherheitssystemen. Die gezeigte Situation zeigt, wie ein die Straße querender Fußgänger elektronisch identifiziert wird (gelbe Markierung im Monitor rechts), woraufhin ein eingeblendetes "Stop"-Schild den Fahrer warnt.
Spektrum: Hatten Sie keine ethischen Bedenken, an einem Waffensystem zu arbeiten?

Freymann: Es war die Zeit des Kalten Krieges und wir im Westen wollten natürlich die besten militärischen Optionen haben. Heute sehe ich das anders. Hier bei BMW dreht sich ein großer Teil meiner Arbeit um Effizienz und Sicherheit, und ich habe immer das Gefühl, etwas Gutes für alle zu leisten. Ich fing dort 1986 als Abteilungsleiter "Akustik und Strukturdynamik" an und bin heute Geschäftsführer der Forschung und Technik GmbH.

Spektrum: Sie arbeiten also am Auto der Zukunft?

Vorsicht Bremsmanöver! | Dieses Motorrad erkennt, wenn das voranfahrende Fahrzeug plötzlich abbremst. Auch hier wird der Fahrer durch ein eingeblendetes Symbol, rechts neben Tachometer und Drehzahlmesser zu erkennen, rechtzeitig informiert.
Freymann: Nicht am Design, aber an allen anderen Bereichen. Die großen Themen sind zurzeit Energie, aktive Sicherheit und IT. Mit welchem Treibstoff werden wir fahren, wie kann die Technik den Fahrer noch mehr unterstützen? Beispielsweise arbeiten wir derzeit daran, eine Vielzahl von Verkehrsteilnehmern, ob Auto, Fahrrad oder Fußgänger, in ein Kommunikationsnetzwerk einzubinden, so dass sie untereinander Informationen austauschen können. Die damit realisierbaren Fahrerassistenzsysteme können die Sicherheit in Zukunft weiter maßgeblich erhöhen. Beispielsweise könnte das System den Fahrer warnen, dass er sich einem Fußgänger nähert, obwohl dieser momentan noch nicht zu sehen ist.

Spektrum: Wie viel Freiheit lässt Ihnen dabei der Markt?

Freymann: Die Innovationszyklen in unserer Branche haben sich dank Elektronik und IT extrem verkürzt. Sie dauern beispielsweise im Infotainmentbereich nur noch einige Monate. Das heißt, dass viele unserer Projekte relativ schnell im Fahrzeug verwirklicht werden können. Deshalb wechseln unsere Mitarbeiter mit ihrem Forschungsprojekt dann auch in die Serienentwicklung, damit kein Wissen beim Transfer verloren geht.

Spektrum: BMW hat viel Zeit und Geld in die Entwicklung des Wasserstoff-Autos gesteckt. Ende vergangenen Jahres wurde dann Concept ActiveE vorgestellt, ein Elektroauto, das ab dem kommenden Jahr im Großversuch getestet wird. Haben Sie sich vom Wasserstoff-Auto abgewandt?

Freymann: Keineswegs. Wir haben mit der Versuchsflotte des Hydrogen 7 bewiesen, dass Autos mit Wasserstoffantrieb im Prinzip serienreif sind. Aber der Aufbau einer Infrastruktur lässt noch auf sich warten. Für den Stadtverkehr ist ein Elektroauto sehr interessant – trotz der beschränkten Reichweite, welche die Batterietechnik derzeit ermöglicht. Man muss einfach beide Technologien vorantreiben. Wir optimieren auch den klassischen Verbrennungsmotor, denn auch der wird uns noch sehr lange erhalten bleiben.

Spektrum: Haben Sie als Geschäftsführer der BMW Group Forschung überhaupt noch Zeit, in Projekten mitzuarbeiten?

Freymann: Für Technik muss Zeit bleiben, auch um immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Manche Gebiete wie die Elektronik sind mir als Maschinenbauer nicht in die Wiege gelegt worden, da muss ich dann eben büffeln. Ich betreue auch einige Doktoranden und halte engen Kontakt mit Kooperationspartnern an Universitäten und Forschungseinrichtungen. Nur so kommt man auf neue Ideen.

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Professor Dr. Raymond Freymann, geboren 1952, hat sein Heimatland Luxemburg nach dem Abitur verlassen, weil es dort bis vor sechs Jahren keine Universität gab. Er studierte Maschinenbau in der Fachrichtung Flugtechnik an der TU Braunschweig, wo er auch promovierte. Von 1976 bis 1986 forschte er am Institut für Aeroelastik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Göttingen und arbeitete 1983/84 als Gastwissenschaftler im Flight Dynamics Laboratory der US Air Force in Dayton, Ohio. 1986 wechselte er zu BMW und übernahm dort im gerade entstehenden Forschungszentrum nacheinander die Leitung für die Fachgebiete Akustik, Fahrzeugphysik und Fahrzeugforschung. Nebenbei habilitierte er sich an der TU München, wo er seit 2002 eine Honorarprofessur am Lehrstuhl für Angewandte Mechanik innehat. Seit 2003 ist er Leiter der BMW Forschung und Technik GmbH, wo er mit rund 200 Mitarbeitern an neuen Technologien für Automobile arbeitet.

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