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Partnerschaft: Warum wiederholen wir oft negative Beziehungsmuster?

Manche Menschen finden sich stets in den gleichen dysfunktionalen Beziehungen wieder, die sie schon aus ihrer Kindheit kennen. Dahinter könnte unter anderem der Versuch stecken, ein frühes Trauma zu verarbeiten.
Im Hintergrund ist unscharf eine Frau zu sehen, im Vordergrund eine geballte Faust.
Wer körperliche oder psychische Gewalt in einer Beziehung erlebt hat, nimmt künftig beim ersten Anzeichen Reißaus, sollte man meinen. Doch die Sogwirkung des Vertrauten ist stark.

Es ist schon seltsam: Menschen, die eine schwierige Kindheit hatten, wählen später oft ausgerechnet einen Partner, der ihnen genauso übel mitspielt wie damals Mutter oder Vater. Sie wiederholen also alte Muster, obwohl sie einst darunter litten – und kaum ist eine negative Beziehung beendet, geht es mit der nächsten Person von vorne los. Andere wiederum verhalten sich selbst ähnlich abweisend und gefühlskalt oder werden gewalttätig, wie sie es im Elternhaus erlebten.

Eigentlich müssten gerade diejenigen, die bereits ähnlich schlimme Erfahrungen durchmachten, beim ersten Anzeichen dafür die Flucht ergreifen. Zwar schaffen es manche durchaus, die Ketten der Vergangenheit zu sprengen, vielen gelingt das jedoch nicht. Warum?

Von einem regelrechten Wiederholungszwang sprach bereits der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856–1939). Vieles von dem, was er der Seele zuschrieb, gilt heute als überholt. Mit einigen Thesen lag der Pionier der Seelenkunde jedoch gar nicht so falsch. Als Wiederholungszwang bezeichnete Freud den Impuls, alte Gedanken, Gefühle und Beziehungskonstellationen wiederaufleben zu lassen, selbst wenn (oder gerade weil!) sie einst schmerzhaft waren.

Es gibt zwar keine eindeutige Erklärung für das Phänomen, wohl aber interessante Ansätze dazu. Das zwanghafte Wiederholen ist womöglich ein Versuch, die alte Wunde zu heilen. Dahinter steht die oft trügerische Hoffnung, diesmal werde es anders laufen, man könne endlich Harmonie finden und so geliebt werden, wie man ist. Aus diesem Wunsch heraus sucht sich mancher eine der frühen Bindungsperson ähnliche Ersatzfigur.

Die Sehnsucht, das frühere Trauma doch noch zu beheben, ist dann größer als der Drang, das Geschehene hinter sich zu lassen. Wer etwa von einer bestimmten Person emotional verletzt wurde, verfolgt vielleicht immer noch das Ziel, von genau demjenigen Respekt und Anerkennung zu erfahren.

Ein weiterer Grund, warum manche Menschen aus freien Stücken wiederholt unheilvolle Beziehungen eingehen, kann lauten: Sie haben die früher so oft gehörten Botschaften verinnerlicht. Gerade weil sie von denen, die sie eigentlich hätten beschützen sollen, zu Versagern erklärt oder misshandelt wurden, glauben sie, es nicht besser zu verdienen. Ihr Überlebensinstinkt lehrte sie als Kind, sich dem übermächtigen anderen zu ergeben, und das gleiche Bewältigungsmuster lässt sie auch heute das Übel suchen, statt ihm zu entfliehen. Hinzu kommt: In vieler Hinsicht ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Der Sog des Vertrauten, und sei es noch so fragwürdig, ist häufig stärker als der Mut, Neues zu wagen. Zumindest weiß man bei Ersterem ziemlich genau, was einen erwartet.

Wie Sisyphos, der in der griechischen Sage stets von Neuem einen Stein den Berg hinaufwälzt, sind manche Menschen in einer Wiederholungsschleife gefangen. Doch anders als Sisyphos können sie ihr Schicksal dennoch gestalten. Selbst tief sitzende Muster lassen sich durchbrechen; dazu muss man sich ihrer jedoch bewusst werden und den Autopiloten, der immer wieder das gleiche Ziel ansteuert, ausschalten. Das kann durch Gespräche mit empathischen Freunden oder mit einer psychotherapeutisch ausgebildeten Person gelingen. Dabei gilt es, die Verbindung zwischen einst und heute aufzudecken und zu erkennen, dass es Alternativen gibt. Die nächste Hürde ist dann, den Weg der Veränderung wirklich Schritt für Schritt zu gehen.

Dieser Beitrag ist ein leicht bearbeiteter Auszug aus dem Buch »55 Fragen an die Seele« von Tanja Michael und Corinna Hartmann, das im Juni 2023 erschienen ist.

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