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Die fabelhafte Welt der Mathematik: Pi ist überall – Teil 3.1: Was ergibt 1 + 1/4 + 1/9 + 1/16 + …?

Pi ist bereits in Billardspielen, in Fraktalen und in Simulationen des Lebens aufgetaucht. In dieser Folge begegnet uns die Kreiszahl beim Basler Problem: einer unendlichen Summe.
Symbolbild von Pi

Seit Jahrhunderten beschäftigen sich Mathematiker mit unendlich langen Summen. In der Schule hatte ich einen ehrgeizigen Lehrer, der sie uns näherbrachte – die meisten Personen begegnen ihnen hingegen nur, wenn sie sich für das Studium eines mathelastigen Fachs entscheiden. Ich erinnere mich noch, wie ich mich damals wunderte, dass das Addieren unendlich vieler Summanden einen endlichen Wert liefern kann. Dafür müssen die Terme jedoch schnell genug klein werden. Das ist zum Beispiel für geometrische Reihen der Fall \( \sum_{n=0}^\infty \frac{1}{x^n} = 1 + \frac{1}{x} + \frac{1}{x^2} + \frac{1}{x^3} + …\): Für Werte von x, die größer sind als eins, liefert die Reihe ein endliches Ergebnis, nämlich 1(1-1/x).

In einer vergangenen Kolumne hatten wir schon gesehen, dass die geometrische Reihe für x = 2 (also 1 + ½ + ¼ + 18 + …) den Wert 2 erreicht. 1644 fragte sich der italienische Mathematiker Pietro Mengoli, wie wohl der Grenzwert einer ganz ähnlich aussehenden Reihe sein könnte: \( \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2} = 1 + \frac{1}{4} + \frac{1}{9} + \frac{1}{16} + …\) Doch es gelang ihm nicht, das Ergebnis zu berechnen. Auch andere scheiterten an der Aufgabe, darunter die Familie Bernoulli. Tatsächlich sollte es noch 90 Jahre dauern, bis eine Lösung gefunden wurde, die kein Geringerer als der damals 27-jährige Mathematiker Leonhard Euler erbrachte. Weil sowohl Euler als auch die Bernoulli-Familie in Basel lebten, ist die Aufgabe heute als »Basler Problem« bekannt. Dass es so lange dauerte, um einen Erfolg zu erzielen, wird klar, wenn man das unerwartete Ergebnis betrachtet: Euler berechnete den Grenzwert der Reihe als π2/6.

Viele Menschen denken, Mathematik sei kompliziert und öde. In dieser Serie möchten wir das widerlegen – und stellen unsere liebsten Gegenbeispiele vor: von schlechtem Wetter über magische Verdopplungen hin zu Steuertricks. Die Artikel können Sie hier lesen oder als Buch kaufen.

Inzwischen wird das Ergebnis unter Nerds häufig als Basis für Witze genutzt, die auf etwas vollkommen Unerwartetes anspielen (»Was könnte denn wohl bei dieser Rechnung herauskommen?« – »Ist doch ganz offensichtlich: π2/6!«). Aber wie kommt die Kreiszahl Pi bei einer unendlich langen Summe ins Spiel, die zunächst nichts mit Kreisen oder Geometrie zu tun hat? Schließlich addiert man nur das Inverse von Quadratzahlen.

Wie kommt Pi in die unendliche Summe?

Doch tatsächlich lässt sich auch dieses Problem geometrisch interpretieren, wie der schwedische Mathematiker Johan Wästlund von der Technischen Hochschule Chalmers in Göteborg 2010 erkannte – und zwar auf eine Weise, die auch Euler nicht gesehen hatte. Dessen ursprünglicher Beweis aus dem 18. Jahrhundert basierte sogar auf Annahmen, die erst 100 Jahre später bewiesen wurden. Streng genommen war also Eulers Nachweis, für den er drei Jahre gebraucht hatte, unvollständig.

Wie Wästlund gezeigt hat, lässt sich die unerwartete Lösung des Basler Problems durch ein physikalisches Gedankenexperiment erklären. Stellen Sie sich dazu vor, Sie stehen auf dem Nullpunkt einer Zahlengeraden und auf jeder natürlichen Zahl befindet sich eine Kerze, die alle gleich hell leuchten. Die Menge an Licht, die bei Ihnen ankommt, nimmt mit dem Quadrat des Abstands der Quelle ab. Wenn also die erste Kerze eine Helligkeit von eins (in einer beliebigen Einheit) zu haben scheint, dann erreicht Sie nur ein Viertel des Lichts der zweiten und ein Neuntel der dritten und so weiter. Die gesamte Helligkeit entspricht daher 1 + ¼ + 19 + 116 + …, also dem Basler Problem.

Nun hat man das rein mathematische Problem in ein physikalisches umgewandelt, doch wirklich weitergekommen ist man dadurch nicht. Allerdings kann man einen gängigen Trick anwenden, den Mathematiker gerne nutzen, wenn sie Aufgaben bearbeiten, die den ganzen Zahlenstrahl betreffen. Anstatt die unendlich lange Gerade zu studieren, kann man sich zunächst einem Kreis widmen, den man immer weiter vergrößert, bis die Krümmung so riesig ist, dass der untere Bogen einer Geraden gleicht. Das klingt zwar wie Mogelei, aber es lässt sich formal zeigen, dass solche Näherungen funktionieren – zumindest manchmal. Das Basler Problem ist so ein Fall.

Von aufgereihten Kerzen zu einem See voller Leuchttürme

Die Gerade wird also zu einem Kreis, etwa einem kreisrunden See, mit einem Leuchtturm am nördlichen Ende und einem Beobachter am südlichen. Die Distanz entlang des Seeufers soll einen Kilometer betragen, so dass der Durchmesser des Sees (und damit die direkte Entfernung zum Leuchtturm) 2π Kilometer entspricht. Da die Helligkeit beim Beobachter vom Inversen der quadrierten Entfernung abhängt, ist sie in dieser Situation π2/4.

Nun kann man überlegen, wie man die gleiche Helligkeit am Standort des Beobachters erzeugen kann, indem man den einen Leuchtturm durch zwei andere Leuchttürme ersetzt, die man geschickt im Raum platziert. Dabei hilft der inverse Satz des Pythagoras, der zwar wesentlich unbekannter ist als der Satz des Pythagoras, aber mindestens genauso nützlich. Auch er bezieht sich auf rechtwinklige Dreiecke, nutzt aber die Höhe bezüglich der Hypotenuse: Demnach ist die Summe aus den inversen Kathetenquadraten gleich dem inversen Höhenquadrat. Für unser Leuchtturmproblem bedeutet das: Wenn die Distanz zwischen Beobachter und Leuchtturm der Höhe eines rechtwinkligen Dreiecks entspricht, dann leuchtet dieser genau so hell wie zwei Leuchttürme zusammen, die sich an den beiden anderen Ecken des Dreiecks befinden.

Man kann also genauso gut den ersten Leuchtturm streichen und sich stattdessen einen doppelt so großen, kreisrunden See vorstellen, an dessen südlichsten Punkt ein Beobachter steht, mit zwei Leuchttürmen nordöstlich und nordwestlich gelegen. Wie zuvor man muss nur einen Kilometer rechts- oder linksherum entlang des Ufers laufen, um einen der Leuchttürme zu erreichen. Die Distanz zwischen Beobachter und Leuchtturm ist also trotz des doppelt so großen Sees nicht gewachsen. Die wahrgenommene Helligkeit am südlichsten Punkt entspricht wieder π2/4 – auch wenn beide Leuchttürme genauso hell leuchten wie der ursprüngliche.

Diese Überlegung kann man nun wiederholen: Man ersetzt jeden der beiden Leuchttürme durch zwei andere – und zwar wieder durch den inversen Satz des Pythagoras. Damit erhält man vier neue Leuchttürme, deren Licht dem Beobachter zusammengenommen genauso hell erscheint wie das des ursprünglichen Turms, der sich am Nordufer des ersten (kleinen) kreisrunden Sees befand. Um die genaue Lage der neuen Lichtquellen besser zu veranschaulichen, kann man sich wieder einen doppelt so großen See (also viermal so groß wie der allererste) vorstellen, wobei die vier Leuchttürme entlang des Kreises verteilt sind. Erneut muss der Beobachter nur einen Kilometer entlang des Ufers zurücklegen, um die jeweils ersten Leuchttürme zu erreichen. Und auch die Bogenlängen zwischen den Leuchttürmen bleibt gleich: Sie beträgt stets zwei.

Im nächsten Schritt ersetzt man die vier Leuchttürme durch jeweils zwei neue, so dass man bei acht Lichtquellen landet – und verdoppelt nochmals die Größe des Sees. Das Prozedere wiederholt man wieder und wieder. Das Bemerkenswerte: Die Abstände zwischen den Lichtquellen bleiben stets gleich, ebenso wie der Fußweg des Beobachters zum ersten Turm.

Zurück zum ursprünglichen Basler Problem

Je größer der See wird, desto mehr ähnelt er einem Meer. Das gegenüberliegende Ufer ist irgendwann nicht mehr zu erkennen, und die Küste scheint geradlinig zu verlaufen. Rechter und linker Hand befinden sich Leuchttürme, die in regelmäßigen Abständen von zwei Kilometern auftauchen. Die Helligkeit aller Lichtquellen zusammengenommen beträgt am Standort des Beobachters noch immer π2/4.

Damit ist man dem Basler Problem extrem nahe. Man kann sich vorstellen, der Beobachter stünde auf dem Nullpunkt und die Leuchttürme bei den Punkten plus und minus eins, plus und minus drei, plus und minus fünf und so weiter. Ziel ist es nun, diesen Aufbau dem Basler Problem anzupassen und damit die Helligkeit zu bestimmen, die dem Grenzwert der unendlichen Summe entspricht. Um unsere konstruierte Situation dem eigentlichen Problem anzugleichen, kann man zunächst alle Leuchttürme im negativen Bereich entfernen. Dadurch verringert sich die Helligkeit um die Hälfte, beträgt also nur noch π2/8. Die Leuchttürme liegen jetzt auf allen ungeraden Zahlen, es fehlen also nur noch jene auf den geraden Werten. Diese kann man jetzt geschickt mit den Lichtquellen des Basler Problems auffüllen.

Angenommen, die gesuchte Helligkeit des Basler Problem beträgt H. Wenn man mit diesem Aufbau die Lücken in den geraden Zahlen auffüllen wollte, müsste man den Leuchtturm von Stelle eins auf die Stelle zwei unserer Situation verschieben; den von Stelle zwei auf Stelle vier; den von Stelle drei auf Stelle sechs und so weiter. Um also die Helligkeit H des Basler Problems zu berechnen, muss man unsere Situation mit Helligkeit π2/8 nehmen und dann die Distanz der Lichtquellen des Basler Aufbaus verdoppeln, wodurch man eine Helligkeit H' erhält, und diese hinzuaddieren: H = π2/8 + H'.

Durch die Verdopplung die Distanz jeder Lichtquelle des Basler Problems viertelt sich die gesamte Helligkeit, also H' = H4. Damit kann man die Gesamthelligkeit H berechnen: H = π2/8 + H4. Indem man diese Gleichung nach H auflöst, erhält man das gesuchte Ergebnis, das Personen seit Jahrhunderten in Erstaunen versetzt: H = π2/6.

Was ist euer Lieblingsmathetheorem? Schreibt es gerne in die Kommentare – und vielleicht ist es schon bald das Thema dieser Kolumne!

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