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Storks Spezialfutter: Wer A sagt, muss auch B sagen

Wer Windkraft will, muss Kompromisse machen. Nicht nur bei der Landschaftsoptik, sondern auch dort, wo es wirklich wehtut - etwa beim Artenschutz.
Windkraftanlagen im Schwarzwald

Bei den erneuerbaren Energien in Deutschland ist die Lage ganz ähnlich wie bei Biolebensmitteln: Die halten zwar fast 80 Prozent der (befragten) Deutschen für »eher wichtig« oder gar »sehr wichtig«. Trotzdem macht der Anteil der Bioprodukte gerade mal 5,5 Prozent des Lebensmittelumsatzes aus. Zwischen idealistischem Anspruch und der Realität klafft eine gewaltige Lücke, weil die schöne Theorie an der profanen Realität scheitert: an höheren Preisen zum Beispiel, die man am Ende dann doch nicht bezahlen will oder kann. Oder an der Verfügbarkeit. Wenn im Supermarkt das Fach mit Biogurken leer ist, greife auch ich manchmal zur konventionellen Ware.

Auch die Energiewende befürwortet eine deutliche Mehrheit. In einer Umfrage des Energieunternehmens EnBW in Brandenburg gaben 66 Prozent der Befragten an, Nutzung und Ausbau von Windenergieanlagen sei für sie wichtig oder eher wichtig. Trotzdem herrscht insbesondere beim Ausbau der Windkraft ziemliche Flaute. Von 2013 bis 2017 lag der Zuwachs bei durchschnittlich rund 4200 Megawatt pro Jahr. 2019 betrug er lediglich rund 700 Megawatt. Und das obwohl Windenergie fast die Hälfte des Stroms der erneuerbaren Energien liefert. Ähnlich wie bei Biolebensmitteln besteht auch bei der Windkraft ein großer Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

Der Welt steht ein Umbruch bevor – ob die Menschheit will oder nicht: Landwirtschaft, Verkehr und Energiegewinnung müssen nachhaltig und fit für den Klimawandel werden, gleichzeitig gilt es, eine wachsende Weltbevölkerung mit wachsenden Ansprüchen zu versorgen. Was bedeutet das für uns und unsere Gesellschaft? Und was für die Umwelt und die Lebewesen darin?
In »Storks Spezialfutter« geht der Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.

Dabei muss der Einzelne für den Ökostrom nicht einmal besonders tief in die Tasche greifen. Der weitere Ausbau krankt vielmehr an Sozial- und Umweltkosten: Nicht jeder will von seiner Terrasse auf eine Windkraftanlage gucken. Schon gar nicht, wenn von dem Gewinn, den die Anlage abwirft, nichts in der Region bleibt.

Die Klagen von Anwohnern und Gemeinden sind eines der größten Hemmnisse für den Bau neuer Windparks. Und weil es so viele Klagen gibt, lassen sich die Behörden auch sehr viel Zeit zum Prüfen, bevor sie Windanlagen genehmigen. Abhilfe könnte da tatsächlich die von der Bundesregierung geplante Beteiligung der Kommunen am Gewinn der Windkraftanlagen schaffen. Anwohner könnten auch durch günstigere Strompreise profitieren.

Windkraft bleibt auf Dauer ein Kompromiss

Ungelöst bliebe dann allerdings immer noch das Nadelöhr der Windeignungsgebiete: Wegen der Abstandsregeln zu Siedlungen, Einzelgebäuden, Naturschutzgebieten, Gewässern, Greifvogelhorsten oder Fledermausquartieren ist die mögliche Fläche für Windkraftanlagen für einen zügigen Ausbau eigentlich nicht groß genug.

Wir als Gesellschaft werden deshalb darüber verhandeln müssen, was uns wichtiger ist: der weitere Ausbau der Windenergie oder ein restriktiver Artenschutz. Beides zusammen wird nicht gehen. Die Energiewende wird nicht nur blühende Landschaften und glückliche Tiere hervorbringen. Der Flächenbedarf für Solarparks und Windanlagen ist deutlich größer als der für fossile Energieträger. Wer die Erneuerbaren will, wird an anderer Stelle Abstriche machen müssen, zum Beispiel beim lokalen Artenschutz.

Die Naturschutzverbände haben eine bemerkenswerte Haltung zu diesem Dilemma gefunden. In einer gemeinsamen Erklärung fordern sie den raschen Ausbau der Windkraft. Damit der gelingen kann, empfehlen sie – etwas verklausuliert – auch die verstärkte Anwendung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Im Klartext hieße das, dass Windparks selbst dann errichtet werden können, wenn in den Gebieten seltene und geschützte Tiere vorkommen. Der Verlust einzelner Nistplätze könne in Kauf genommen werden, wenn der Verlust an anderer Stelle durch Artenschutzmaßnahmen kompensiert würde. Wer A sagt, muss auch B sagen. Die Naturschutzverbände haben diese Konsequenz offenbar verstanden. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

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