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Robert-Wichard-Pohl-Preis: Ausgezeichnet: Unanschauliches anschaulich gemacht



Der Fortschritt der Physik hat uns im vergangenen Jahrhundert mehrere Beschreibungsweisen der Natur geliefert, die zwar experimentell genauestens überprüft sind, die aber nicht unbedingt mit unserer Alltagserfahrung übereinstimmen. Beispiele sind die Relativitätstheorie und die Quantenphysik. Selbst gestandene Physiker tun sich mitunter schwer, die mit diesen Theorien verbundenen Phänomene anschaulich zu beschreiben.

Ganz anders Hanns Ruder (62), Professor für Theoretische Astrophysik an der Universität Tübingen. Er hat sich zum Ziel gesetzt, Unanschauliches anschaulich zu machen. Seine Hilfsmittel sind Hochleistungsrechner und eine gehörige Portion didaktisches Geschick. Heraus kommen Computersimulationen, die nicht nur dem Fachmann, sondern auch dem Laien reihenweise Aha-Erlebnisse verschaffen.

Wie steht es etwa mit der Längenkontraktion in der Relativitätstheorie? Wer glaubt, eine fast lichtschnell am Beobachter vorbeisausende Kugel werde zu einer Art Pfannkuchen gestaucht, der irrt: Die Kugel bleibt eine Kugel, nur ihre Oberfläche erscheint gedreht und verzerrt.

Ob ein Flug mit Fast-Lichtgeschwindigkeit durch das Brandenburger Tor, ob Raumkrümmung durch Schwarze Löcher oder die Wirkung eines Magnetfelds auf die Struktur eines Wasserstoffatoms: Ruder und sein Team können mit den im Computer erzeugten Bildern und Filmsequenzen selbst die exotischsten Naturphänomene physikalisch korrekt und anschaulich darstellen.

Zu Ruders Interessen gehören auch Fragen der Biomechanik: Was passiert bei einem Crash mit den Insassen eines Fahrzeugs? Mit welchen Sicherheitsvorkehrungen lässt sich ein Sturz vom Baugerüst möglichst unbeschadet überstehen? Die Antworten darauf sucht der Astrophysiker häufig in Kooperation mit der Industrie.

Für seine herausragenden Verdienste in der fachübergreifenden Forschung und der Physikvermittlung hat ihm die Deutsche Physikalische Gesellschaft nun den mit 5000 Euro dotierten Robert-Wichard-Pohl-Preis verliehen. Die Auszeichnung erinnert an den Göttinger Physiker Pohl, der unter anderem die Beugung von Röntgenstrahlen nachwies und gemeinsam mit dem Zoologen A. Kühn zeigte, dass Bienen auf Spektralfarben dressiert werden können; durch seine bahnbrechende Versuchstechnik in seinen Vorlesungen erwarb sich Pohl einen exzellenten Ruf als Didaktiker.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2002, Seite 104
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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