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Forum Romanum: Archäologen entdecken »Grab des Romulus«

In Rom haben Forscher einen Sarkophag aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. frei gelegt. Sie deuten den Fund als legendäre Grabstätte des mythischen Stadtgründers Romulus.
Laserscan des unterirdischen »Grab des Romulus« (gelb) und seiner Umgebung an der Curia Iulia.

Es ist ein Aufsehen erregender Fund, den Archäologen in Rom gemacht haben. Auf dem Forum Romanum öffneten die Ausgräber einen unterirdischen Raum mit einem Sarkophag, den sie mit Romulus, dem sagenumwobenen Stadtgründer, in Verbindung bringen. Wie die Direktorin des Archäologischen Parks am Kolosseum, Alfonsina Russo, ausgehend von antiken Beschreibungen vermutet, könnte es sich um eine Kultstätte aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. handeln. In der Antike war der Ort als »Grab des Romulus« bekannt. Die Ausgräber erklärten zudem, dass ihnen vor 120 Jahren schon ein anderer Forscher mit der Entdeckung zuvorgekommen ist. Der hatte den Fund aber nicht weiter beachtet.

Die Archäologen haben den Raum in der Nordecke des Forum Romanum ausfindig gemacht – ungefähr dort, wo heute der berühmte Ehrenbogen des Septimius Severus steht. Der Hohlraum selbst liegt direkt unter dem Eingang der Curia Iulia, des einstigen Sitzungsgebäudes der Senatoren. In der Frühzeit Roms lag in dieser Gegend des Forums das Comitium, der Versammlungs- und Gerichtsplatz der Republik.

In dem unterirdischen Hohlraum fanden die Archäologen einen 1,4 Meter langen Sarkophag aus Tuffgestein und einen runden Stein, den sie als Rundaltar deuten. Der Tuff stammt vom nahe gelegenen Kapitol, wo schon im frühen Rom Stein abgebaut wurde. Dass auch der Sarkophag und der Rundaltar aus jener Epoche stammen, schließen die Ausgräber aus dem Bodenniveau des unterirdischen Raums. Das läge auf der derselben Höhe wie die Rostra, die Rednerbühne, vom Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr.

Hohlraum | In der Nordecke des Forum Romanum haben Archäologen 2020 eine Kammer aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. entdeckt. Darin befinden sich ein Tuffsarkophag und ein Rundaltar. Den Ort deuten Fachleute als »Grab des Romulus«.

In Roms politischem Zentrum errichteten die Römer nicht nur Regierungs- und Verwaltungsbauten, sondern auch Tempel und Kultorte, die teils von der Gründung ihrer Stadt zeugen sollten und der Verehrung ihrer Urväter dienten. Römische Schriftsteller beschreiben, dass sich hinter den Rostra das Grab des Stadtgründers befände. »Im Abgleich mit den Schriftquellen erscheint es sehr wahrscheinlich, dass der Fundort dem entspricht, was die Römer als Grab des Romulus erachteten«, sagt Direktorin Alfonsina Russo laut einem Pressebericht des Archäologischen Parks am Kolosseum. Allerdings nicht die tatsächliche Grablege, sondern eher ein Scheingrab. Das schließt Russo aus antiken Schriften, die berichten, Romulus sei als Gott in den Himmel aufgestiegen. Für die Römer hätte es demnach keine sterblichen Überreste mehr gegeben. »Es wäre ein Grabmonument gewesen, das in einer Zeit nach dem Tod des Romulus errichtet worden war, um seinen Kult zu begehen und seiner zu gedenken«, sagt Russo.

Die Archäologin rechnet demnächst mit weiteren Funden. Im April will das Team die Grabungen fortsetzen. In dem unterirdischen Raum stehe noch Erdreich an, das bisher unangetastet sei. Außerdem befinden sich im Inneren der Curia Iulia zwei Falltüren, die genau auf einer Linie mit dem Sarkophagraum liegen. Die Falltüren decken eine Reihe von Tuffblöcken ab. Russo nimmt an, dass sie die Wände des Sarkophagraums bildeten, der dann deutlich größer gewesen sein muss. Wahrscheinlich hatte man im 1. Jahrhundert v. Chr., als die Curia Iulia errichtet wurde, die Fundamente durch die Kultstätte des Romulus verlegt.

Die frühesten Zeugnisse Roms

Unweit des Sarkophagraums befindet sich heute noch der »Lapis niger«, ein Stück schwarzes Marmorpflaster, das der Archäologe Giacomo Boni im Jahr 1899 frei legen ließ. Damals hatte man den Ort mit einer Stelle beim römischen Schriftsteller Festus verknüpft: Auf dem Forum gebe es im Comitium einen schwarzen Stein, der einen Kultplatz kennzeichne – das Grab des Romulus. Festus betont aber, dass die tiefer liegende Altarstätte auch auf andere Mythenfiguren des frühen Roms zurückgehe.

Besagter Giacomo Boni hatte vor 120 Jahren aber nicht nur den »Lapis niger«, sondern auch als Erster den Sarkophagraum unter der Curia Iulia aufgedeckt. Laut Alfonsina Russo beschrieb Boni in seinen Grabungsnotizen ein 1,4 Meter langes »Becken« aus Tuffgestein, das mit Kies, Keramikscherben und Muschelschalen gefüllt gewesen sei. Boni bringt zwar den Fund mit dem wenig später entdeckten »Lapis niger« in Beziehung, verfolgte die Entdeckung aber nicht weiter. Das Tuffbecken geriet offenbar in Vergessenheit. In den 1930er Jahren dann wurde der Zugang überbaut: Man schichtete eine Treppe auf, die zur Tür der Curia Iulia führte. Russo und ihr Team hatten die Treppe im November 2019 abgetragen und mit Grabungen begonnen.

Die Gründung ihrer Stadt verlegten die Römer ins Jahr 753 v. Chr. Ihr erster König sei Romulus gewesen. Er soll dem Mythos zufolge auf dem Palatin mit einem Pflug eine Furche gezogen haben, die er zur Stadtgrenze erklärte. Sein Zwillingsbruder Remus ignorierte die Grenze und sprang über die Furche. Weil er unerlaubt die neue Stadt betreten hatte, erschlug Romulus seinen Bruder.

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