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Astronomie: Astronomen staunen über rülpsende Schwarze Löcher

Erst Jahre nachdem sie einen Stern zerrissen haben, senden manche Schwarze Löcher die dazugehörigen Radiowellen aus – und stellen die Fachwelt damit vor ein Rätsel.
Obwohl Schwarze Löcher (links, umgeben von einer Scheibe aus heißem Gas; Illustration) oft Materie von Sternen verzehren, kann ihre Schwerkraft auch Sterne nach außen schleudern.
Nähert sich ein Stern einem Schwarzen Loch, wird ein Teil nach außen katapultiert, während der Rest eine Akkretionsscheibe bildet.

Wagt sich ein Stern zu nahe an ein extrem massereiches Schwarzes Loch heran, sieht es schlecht für ihn aus. Durch den starken Einfluss der Gezeitenkräfte kann der Stern innerhalb weniger Stunden regelrecht auseinandergerissen werden: Etwa die Hälfte des Himmelskörpers fliegt davon, während der Rest eine »Akkretionsscheibe« um das Schwarze Loch bildet. Diese Scheibe umringt das Schwarze Loch und füttert es laufend mit herabstürzender Materie. Das Geschehen äußert sich bei Astronomen auf der Erde als heller optischer Blitz. Im Anschluss daran erhalten Fachleute weitere Signale. Denn in den ersten Tagen bis Wochen ist die Akkretionsscheibe nicht besonders stabil, die Materie in ihr prallt immer wieder zusammen, wodurch messbare Radiosignale entstehen.

Solche Sternzerstörungen (tidal dsruption events, kurz: TDEs) sind gar nicht so selten. Das erlaubte es Astronominnen und Astronomen um Yvette Cendes von der Harvard University, 23 solcher Ereignisse mehrere Jahre nach ihrem Stattfinden zu untersuchen. Und dabei machten sie eine überraschende Entdeckung, wie sie in ihrer noch nicht begutachteten Arbeit im August 2023 berichten: Neun der beobachteten TDEs lieferten erst zwei bis sechs Jahre nach der Sternzerstörung das viel früher erwartete Radiosignal. »Das hat niemand vermutet oder vorhergesagt – es ist eine Entdeckung, die das gesamte Feld auf den Kopf stellt!«, schreibt Cendes in einem Beitrag bei »Reddit«. Und es kommt noch verrückter: Zwei der beobachteten TDEs lieferten kurz nach dem Ereignis das erwartete Radiosignal, das dann schwächer wurde, bevor es Monate später wieder deutlich erschien.

Was diese »Rülpser« verursacht, wie Cendes die verspäteten Radiosignale auf der Nachrichtenseite »Livescience« nennt, ist bisher noch nicht bekannt. Es handle sich nicht um Materie, die aus dem Schwarzen Loch wieder entwischt, betont Cendes auf »Reddit«. Die galaktischen Ungetüme enthalten extrem viel Materie auf engem Raum, wodurch die Gravitationskraft so stark wird, dass ab einem bestimmten Abstand nichts mehr dem Schwarzen Loch entkommen kann. Diese Grenze, ab der eine Flucht selbst für Licht unmöglich wird, heißt Ereignishorizont. Was jenseits davon vor sich geht, bleibt verborgen, da keinerlei Signale nach außen dringen können. Ein Ausstoß von Materie wäre daher eine Sensation, auf die es keine Hinweise gibt.

Man weiß zumindest, was die Rülpser nicht verursacht

Auch einen anderen Erklärungsversuch kann Cendes direkt ausräumen: Dass die Zeit in der Nähe von Schwarzen Löchern deutlich langsamer vergeht als in anderen Bereichen des Universums, kann die verspäteten Signale auch nicht erklären. Denn in den Entfernungen, in denen sich die Phänomene abspielen, sollten die Effekte der Zeitdilatation keine merkliche Rolle spielen. Ebenso schlossen die Forscher aus, dass die verspäteten Signale von zweiten TDEs, also weiteren zerrissenen Sternen stammen.

Aber was könnte das unerwartete Verhalten der Schwarzen Löcher erklären? Theoretische Modelle, welche die Ereignisse am Computer simulieren, liefern bisher keinen Aufschluss. Weil die Simulationen so aufwändig sind und so viele Ressourcen verbrauchen, stellt man mit ihnen bloß die Ereignisse bis zu wenigen Wochen nach der Zerstörung eines Sterns dar. Cendes erklärt auf »Reddit«, dass man nun alles in Frage stellen müsse, was man für gesichert gehalten habe: etwa, dass der detektierte optische Blitz vielleicht nicht von der Entstehung einer Akkretionsscheibe stammt und diese möglicherweise Jahre braucht, um sich zu bilden. Die Astronomin zeigt sich in ihrem »Reddit«-Artikel hoffnungsvoll: »Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, was wir als Nächstes entdecken!«

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