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Hirnentwicklung: Mit weniger Ionenkanälen zu mehr Grips?

Menschliche Neurone haben deutlich weniger ionendurchlässige Poren als andere Säugetiere. Womöglich konnte unser Gehirn so mehr Energie in die Kognition investieren.
Nervenzelle mit vielen Verzweigungen

Nervenzellen brauchen Ionenkanäle, damit sie eintreffende Signale in elektrische Impulse umwandeln können. Die Poren in der Membran lassen geladene Teilchen wie Natrium- oder Kaliumionen kontrolliert in die Zelle hinein- oder aus ihr hinausfließen. Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA, haben eine überraschende Eigenheit des menschlichen Gehirns entdeckt: Unsere Neurone haben deutlich weniger der winzigen Kanäle als die anderer Säugetiere. Die Arbeitsgruppe um Mark Harnett glaubt, dass dieser Umstand überhaupt erst die hohe Rechenleistung des menschlichen Denkorgans ermöglicht haben könnte.

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten die Nervenzellen in Hirnschnitten von zehn verschiedenen Säugetieren – angefangen bei der Etruskerspitzmaus, dem kleinsten Säuger der Welt, über Ratten, Kaninchen und Makaken bis hin zum Menschen. Bei den menschlichen Präparaten handelte es sich um Gewebe, welches Epilepsiepatienten im Zuge eines chirurgischen Eingriffs operativ entfernt worden war. Das Team maß mit Hilfe hauchdünner Pipetten die elektrischen Eigenschaften der Pyramidenzellen in der Hirnrinde. Darüber konnte es auf die Menge an Ionenkanälen rückschließen.

Nur der Mensch fällt aus der Reihe

Bei allen untersuchten Tierarten zeigte sich ein durchgehendes Prinzip: Die Dichte an Ionenkanälen eines Neurons steigt mit zunehmender Größe der Nervenzelle. Im winzigen Gehirn der Etruskerspitzmaus, das mit sehr kleinen Neuronen vollgepackt ist, befinden sich mehr Nervenzellen in einem bestimmten Hirnvolumen als beim Kaninchen, das viel größere Neurone hat. Da Letztere jedoch mehr Ionenkanäle aufweisen, ist die Dichte der Kanäle pro Gewebevolumen bei beiden Arten trotzdem gleich.

»Es scheint, als würde der Kortex versuchen, die Anzahl an Ionenkanälen pro Hirnvolumen und somit die Energiekosten über alle Arten konstant zu halten«, sagt Harnett. Nur der Mensch fällt hier aus der Reihe. Die Wissenschaftler fanden bei unserer Spezies deutlich weniger Ionenkanäle, als es nach diesem Prinzip zu erwarten gewesen wäre. Sie vermuten, dass das menschliche Gehirn so mehr Energie in komplexere Verbindungen oder höhere Feuerraten investieren kann. »Wenn das Gehirn Energie spart, indem es die Dichte an Ionenkanälen reduziert, kann es mehr Energie für andere neuronale Prozesse aufbringen«, sagt der Neurowissenschaftler.

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