Direkt zum Inhalt

Materialforschung: Rätsel des Pizzasteins gelöst

In der Hitze des Ofens verhält sich das Mineral Cordierit merkwürdig. Es dehnt sich in zwei Richtungen aus und schrumpft in der dritten. Nun ist klar, warum.
Pizza liegt auf einem Pizzastein auf dem Grill.
Mit einem hitzebeständigen Pizzastein kann man Pizza auch auf einem Grill backen.

Ob Wasser oder Stein, wenn Stoffe warm werden, dehnen sie sich aus. Der Grund ist ganz simpel: Die Atome und Moleküle bewegen sich stärker und brauchen mehr Platz. Doch manche Stoffe widersetzen sich dieser Regel – zum Beispiel das Mineral Cordierit, aus dem auch viele hitzebeständige Pizzasteine bestehen. Cordierit ändert seine Größe nur geringfügig, egal wie heiß das Material wird. In eine Richtung schrumpft es im Ofen sogar, während es sich in den beiden anderen Richtungen ausdehnt. Martin Dove von der Queen Mary University of London und Li Li von der Civil Aviation Flight University of China in Guanghan haben die Hintergründe dieses seltsamen Verhaltens entschlüsselt. Wie sie in der Fachzeitschrift »Matter« berichten, wirken zwei Effekte gegeneinander und gleichen sich nahezu aus.

In der Technik ist solch ein Verhalten begehrt für Anwendungen bei hohen Temperaturen. Wenn sich Bauteile immer wieder stark ausdehnen und schrumpfen, entstehen Spannungen, die es zerstören können. Materialien wie Cordierit, die sich über weite Temperaturbereiche kaum verändern, sind deswegen viel widerstandsfähiger. Doch Stoffe, die sich der thermischen Ausdehnung widersetzen oder gar durch Hitze zusammenziehen, sind relativ selten. Ihre atomare Struktur muss ganz besondere Eigenschaften aufweisen, um die naturgemäß immer raumgreifenderen Wärmeschwingungen der Atome zu neutralisieren. Wie das bei Cordierit zu Stande kommt, war bisher unbekannt.

Kristallstruktur des Cordierit | Das Mineral mit der Summenformel Mg2Al4Si5O18 besteht aus Tetraedern aus Sauerstoffatomen (rot), die entweder Aluminium- (hellblau) oder Siliziumatome (dunkelblau) im Zentrum haben. Es sind vor allem die Schwingungen in Aluminium-Tetraedern, die die Abstände zwischen Atomen reduzieren. Bei höheren Temperaturen wiederum dehnt sich die hier gezeigte Ebene in beide Richtungen aus und zieht dadurch die darüber- und darunterliegenden Ebenen zu sich heran.

Anhand von theoretischen Berechnungen und Computersimulationen kommen Dove und Li zu dem Ergebnis, dass dabei zwei Effekte eine Rolle spielen. Einerseits können stärkere Bewegungen das Kristallgitter auch zusammenziehen – dann nämlich, wenn Atome durch ihre starken Hitzeschwingungen die benachbarten Atome aufeinander zuziehen und der Abstand zwischen diesen geringer wird. Andererseits können »Gelenke« im Kristallgitter die Verformungskräfte auf die ganze Struktur übertragen, so dass zum Beispiel ringförmige Strukturen oval werden. Sie dehnen sich also in eine Richtung aus und ziehen sich in der anderen zusammen, ganz ähnlich wie das Gitter eines Jägerzauns, wenn man es längs streckt.

Bei niedrigen Temperaturen führen Schwingungen relativ niedriger Frequenz dazu, dass Atome im Kristall ihre Nachbarn aufeinander zuziehen. Dadurch schrumpft Cordierit in allen drei Raumrichtungen etwas. Steigen die Temperaturen weiter, übertragen sich die hochfrequenten Schwingungen der Atome über die Gelenke aufs Kristallgitter. Dadurch wird die Schrumpfung in zwei Raumrichtungen umgekehrt und neutralisiert. Insgesamt führt das dazu, dass sich Cordierit im Ofen nur minimal ausdehnt und in einer Richtung sogar ein kleines Stückchen schrumpft. Diese Erkenntnisse helfen zwar nur indirekt dabei, eine bessere Pizza zu backen, sie sollen aber nun auf der Suche nach Materialien mit ähnlichen Eigenschaften helfen.

  • Quellen
Matter 10.1016/j.matt.2024.101943, 2025

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.