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Mikrobiom: Darmbakterien passen sich uns an

Für Forscher war die gemischte Mikrobengemeinschaft in unserem Darm eigentlich schon vielfältig genug - nun finden sie heraus, dass jeder Keim sich auch noch allmählich an seinen Menschen anzupassen scheint.
Mikrobiom

Die Bakteriengemeinschaft im Darm des Menschen, sein Mikrobiom, spielt für die Gesundheit von Körper und Geist eine wesentliche Rolle – wie und welche genau ist allerdings im Detail für jeden Einzelnen schwer zu ermitteln. Das liegt schon daran, dass Lebensstil, Genetik, Umwelteinflüsse und Ernährung die Zusammensetzung der Arten von Mikroben in jedem Einzelnen einzigartig gestalten. Zudem ist nicht nur die Artenzusammensetzung von Mensch zu Mensch verschieden: Jede Spezies von Darmkeimen kann in subtil unterschiedlichen Stämmen vorkommen, die jeder Mensch in einer individuellen Kombination beheimatet. Und nun belegen neue Untersuchungen auch noch, was Mikrobiologen bisher nur vermutet haben: Die einzelnen Bakterien der Arten entwickeln sich im Darm ihres Menschen weiter und mutieren, wobei sie sich in typische Subpopulationen aufspalten. Immerhin scheint es dabei aber Regeln im Chaos zu geben. Manche Gene der Keime sind anfälliger für Mutationen – und einige Veränderungen sind typisch für Menschengruppen im Westen oder in Fernost, wie ein Team von Mikrobiomforschern im Fachblatt »Cell Host & Microbe« schlussfolgert.

Das Team um Eric Alm vom MIT hatte für ihre Studie zunächst die Entwicklung der typischen Mikrobiomspezies Bacteroides fragilis im Darm von zwölf Freiwilligen analysiert. Die Forscher konnten zudem auf eine Datenbank von individuellen Stuhlproben zurückgreifen, deren Aufbau sie seit einigen Jahren mit anderen Mikrobiomforschern vorantreiben und in der auch die Daten der Freiwilligen hinterlegt waren. Der Vergleich von Bacteroides-Gensequenzen über die Zeit ermöglichte es den Wissenschaftlern, die individuelle genetische Evolution nachzuzeichnen, die die zwölf typischen Bacteroides-Gruppen im Darm der Freiwilligen durchlaufen hatten.

Typischerweise werden die Keime vielfältiger, sie spalten sich aber nach und nach in deutlich unterscheidbare Stämme auf, so die Forscher. Das geschieht nicht völlig zufällig: Stets sind es ähnliche Gene, in denen Mutationen besonders häufig auftreten – wobei der Ort der Mutation im Gen allerdings wieder wahllos erscheint. Die Mutationshotspots scheinen in Genbereichen zu liegen, die eine Rolle bei der Interaktion der Keime mit Umwelteinflüssen zusammenhängen. So dürfte etwa eine besonders ballaststoffreiche Ernährung bestimmte Stämme heranzuzüchten – während andere offenbar durch eine stete Interaktion mit dem Immunsystem der Menschen geformt werden. Deutlich wird demnach, dass der Mensch nicht nur durch sein Mikrobiom mitgeprägt wird, sondern es umgekehrt selbst ebenfalls deutlich personalisiert.

Daraus resultieren typische geografische Mikrobiomgruppen in unterschiedlichen Region der Erde, schreiben die Forscher weiter. So sind bestimmte Mutationen in bestimmten Genen von B. fragilis eher in westlichen Ländern, andere dagegen eher im Mikrobiom von chinesischen Probanden häufig. Im Gen BF2755 mit bis dato unbekannter Funktion wird dies besonders deutlich, so die Forscher: Hier zeigte sich in den Proben der europäischen und amerikanischen Freiwilligen eine bestimmte Mutation auffallend häufig, nicht aber bei Menschen aus Fernost. Eine gezielte Suche in den vorhandenen Sequenzdatenbanken belegte, dass diese Mutation tatsächlich geografisch erheblich ungleichmäßig verteilt ist – irgendwelche bisher unbekannten Faktoren beeinflussen demnach auch die Evolution und Ausprägung einzelner Bakterienstämme des Mikrobioms. Dies sollte man im Auge behalten, wenn man in Zukunft einmal die individuelle Darmflora einzelner Menschen aus medizinischen Gründen verändern möchte, zum Beispiel mit speziellen Probiotika. Das Mikrobiom reagiert auf solche Eingriffe womöglich viel weniger universell als gehofft.

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