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Nachts im Museum: Was die Museen online bieten

Hinter verschlossenen Türen haben die Museen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ein umfangreiches Onlineangebot ausgearbeitet. Wir werfen einen Blick hinein.
Im Badischen Landesmuseum wird vor einer Tempeltür aus Tibet aus dem 19. Jahrhundert auf einem Smartphone eine App gezeigt, mit der Museumsbesucher Kontakt zu Ausstellungsobjekten aufbauen können.

Als zu Beginn der Coronakrise vor einem Jahr auch die Museen ihre Tore schließen mussten, hofften deren Direktorinnen und Leiter vermutlich noch, der Lockdown bliebe kaum mehr als eine Randnotiz in der oft langen Geschichte ihrer jeweiligen Häuser. Doch dann mussten die Museen in Deutschland ganze vier Monate lang schließen, ein Drittel des Jahres 2020. Als sie wieder öffneten, fehlten natürlich vor allem die Reisegruppen und Individualtouristen aus aller Welt. Doch offenbar scheuten auch die Einheimischen den Museumsbesuch, als er wieder möglich war. Trotz aller Hygienekonzepte überwog vielleicht die Furcht vor einer Ansteckung. Übers Jahr gerechnet blieben ersten Schätzungen zufolge rund 60 Prozent der Besucher den Museen fern.

Die Sehnsucht nach einem halbwegs normalen Betrieb ist unvermindert groß, bei Betreibern und den verhinderten Besuchern. Ende Januar 2021 sprach sich der Leipziger Kreis, ein lockerer Zusammenschluss der großen Museen in Deutschland, in einem – an die Staatsministerin für Kultur Monika Grütters und die Mitglieder der Kulturministerkonferenz gerichteten – Brief für eine vorsichtige Öffnung ihrer Häuser aus. »Unsere Sorge gilt der Eindämmung der Pandemie, zugleich aber auch einer dem jeweiligen Verlauf von Corona angepassten Wiedereröffnung der Museen«, hieß es in dem von mehr als einem Dutzend Direktorinnen und Direktoren unterzeichneten Schreiben, das eigentlich nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Die Kulturstaatsministerin reagierte ihrerseits und rief dazu auf, bei einer etwaigen Lockerung der Corona-Maßnahmen die Museen wieder zu öffnen, seien sie doch mit ihren Hygienekonzepten »bestens auf einen coronagerechten Publikumsverkehr vorbereitet«.

Nun geht der Lockdown mindestens bis zum 7. März weiter. Wo die Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner fällt, sollen allerdings in einem nächsten Öffnungsschritt auch die Museen und Galerien wieder Besucher in ihren Räumen empfangen dürfen – einen pro 20 Quadratmeter.

In Deutschland wird man auf die Öffnung noch warten müssen

In Italien, das von der ersten Welle der Pandemie so hart getroffen worden war, gewähren viele Museen bereits seit Anfang Februar wieder Einlass, darunter so bedeutende Häuser wie die Uffizien in Florenz und die Vatikanischen Museen in Rom. Mit Beginn dieser Woche erfolgte auch die Wiedereröffnung der österreichischen Sammlungen – hier wie dort selbstverständlich unter strengen Auflagen und mit ausgefeilten Hygienekonzepten. In Deutschland und der Schweiz (vorerst bis 28. Februar) verharren die Museen hingegen unverändert im Stand-by-Modus. Potenziellen Besuchern bleibt weiterhin und bis auf Weiteres nur der Rückgriff auf die digitalen Angebote der Musentempel. Dass der virtuelle Rundgang den tatsächlichen Gang durch eine Sammlung nicht ersetzen kann, ist klar. Einen Vorteil aber gibt es: Online stehen die Häuser zu jeder Zeit offen, am Tag wie in der Nacht.

Ein Besucher im Kunsthistorischen Museum in Wien am ersten Öffnungstag des Museums nach dem Lockdown | In einigen europäischen Ländern dürfen Museen bereits wieder öffnen, so wie hier in Wien. Doch die Erfahrung mit der zweiten Jahreshälfte 2020 zeigt, dass die Besucherzahlen von einst nach wie vor nicht erreicht werden.

Onlinemuseen und digitale Ausstellungen sind im Lauf des Corona-Jahres zu Themen mit Breitenwirkung geworden. Genaue Zahlen und Erkenntnisse fehlen noch, gewiss ist aber: Die Websites der Museen erlebten 2020 einen Boom mit so vielen Besuchern wie nie zuvor.

Inzwischen haben die meisten Häuser ihre Internetpräsenz erweitert und entwickelt. Zeit also für einen Spaziergang durch die virtuellen Museen des deutschsprachigen Raums. Fast alle Museen verweisen bereits auf der Startseite auf ihr Onlineangebot – manche posaunen es einem regelrecht entgegen. Besucher der Website der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) werden umgehend unter Hashtags wie #SMBforHome und #ClosedButOpen zum digitalen Angebot gelotst.

Experteneinblicke auf Youtube

Die in Kooperation mit »Google Arts & Culture« angebotenen virtuellen Rundgänge, etwa durch das Pergamonmuseum, basieren auf dem Streetview-Prinzip und verströmen – abgesehen von hoch aufgelöst fotografierten Exponaten – auch dessen holprigen Charme. Weit interessanter sind Eigenproduktionen aus den letzten Monaten wie das bislang knappe Dutzend der auf dem Youtube-Kanal der SMB unter dem Titel »Allein im Museum« versammelten, bis zu 20 Minuten langen Kurzfilme, in denen Leiterinnen und Kuratoren zu Glanzstücken ihrer verlassenen Sammlungen führen.

Wenn etwa Stefan Weber, der Direktor des Museums für islamische Kunst, vor dem rötlich getäfelten Aleppo-Zimmer stehend lebhaft und sichtlich bewegt das zu dem Empfangsraum aus dem 17. Jahrhundert gehörige Wohnhaus mit seinen übrigen Räumen und Höfen, dem Duft der Blumen im Garten und den dort zwitschernden Vögeln herbeifantasiert, lernt der Besucher die Möglichkeiten der digitalen Aufbereitung musealer Inhalte zu schätzen. Wann präsentiert einem schon der Direktor oder die Leiterin eines Hauses dessen Glanzstücke?

Stefan Weber, Direktor des Museums für islamische Kunst, unter anderem über das »Aleppo-Zimmer« (ab Minute 13:55)

Wie bei anderen großen Häusern mit entsprechendem Budget runden auch bei den Staatlichen Museen zu Berlin Liveführungen auf Instagram oder per Telefon, Podcasts, Blogs und Videoclips, Online-Präsentationen einzelner Sammlungen und Sonderausstellungen, Interviews mit Fachleuten und einiges mehr das digitale Angebot ab.

Ebenfalls, aber nicht ausschließlich auf Youtube finden sich beispielsweise Zusatzangebote zur aktuellen Sonderausstellung auf der Museumsinsel Berlin: »Germanen. Eine archäologische Bestandsaufnahme«. Sehr interessierte Laien dürften sich etwa über ein Experteninterview freuen, in dem vier Archäologinnen und Archäologen augenscheinlich in Videokonferenzen erörtern, »was die Archäologie aktuell über die germanischen Gesellschaften weiß und welche Klischees über Bord geworfen werden müssen«.

Kreative Angebote für Kinder und Jugendliche

Dass auch ein Haus mit weit bescheideneren Mitteln einen durchaus abwechslungsreichen, amüsanten und dabei lehrreichen Onlineauftritt hinlegen kann, beweisen die Betreiber des Kulturama. Das gemeinnützige Züricher Museum des Menschen wurde vor mehr als 40 Jahren speziell für die Museumspädagogik gegründet und soll »lehrplanrelevantes Wissen und wissenschaftliche Erkenntnisse über den Menschen an Schulklassen aller Stufen« vermitteln. Auf der aufgeräumten Website überwiegen denn auch die Angebote für Kinder ab dem Grundschulalter und Jugendliche.

In kurzen, selbst produzierten Filmen stellen die Macher vor allem naturwissenschaftliche Einsichten aus unterschiedlichen Forschungsgebieten altersgemäß aufgearbeitet vor. Dabei erörtern sie den Aufbau und die Funktion menschlicher Organe ebenso entspannt und kindgerecht wie die Geschichte der Dinosaurier, das Leben in der Steinzeit oder den Zweck unserer fünf Sinne. Vor allem Vor- und Grundschulkinder dürften überdies ihre Freude an den Tipps zum Basteln von Dinosauriern, Mammuts oder einem menschlichen Skelett haben.

Ebenfalls an vorwiegend junge User richtet sich das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven mit seinem Webspecial »Kogge trifft Playmobil«, in dem die Geschichte der Bremer Kogge von 1380, des am besten erhaltenen mittelalterlichen Handelsschiffs, von ihrem Bau bis zu ihrer Bergung 1962 und der anschließenden wissenschaftlichen Untersuchung erzählt wird, dargestellt von Spielzeugfiguren in der Rolle der Seeräuberin, dem Kaufmann, der Wissenschaftlerin oder dem Taucher.

Onlinemedien ergänzen die analoge Schau

Ende November 2020, also ziemlich am Anfang des aktuellen Lockdowns, eröffnete im selben Museum die Sonderausstellung »Karten Wissen Meer – Globalisierung vom Wasser aus«. Zu der analogen Schau über die Herstellung, den Gebrauch und die wissenschaftliche Erforschung maritimer Karten waren von Anfang an Ergänzungen im Internet geplant. Dass die Exponate bislang lediglich online zu bewundern waren und es erst mal auch bleiben, hingegen nicht. Die Ausstellungsmacher ließen sich nicht entmutigen und erweiterten das digitale Angebot erheblich. Ein Blick auf den virtuellen Kartentisch etwa ist zu empfehlen.

Das DSM zählt mit seinem beeindruckenden Onlineangebot sicherlich zu den Häusern in Deutschland, die am besten im Internet aufgestellt sind. Wie die anderen großen Museen bietet es sowohl auf der eigenen Website als auch auf den diversen Onlinekanälen zusätzliche Informationen und Angebote. Doch die Bremerhavener scheinen sich im Internet wohler zu fühlen als manche andere. Die Wahl der Gestaltungsmittel ist vielfältiger, die Umsetzung abwechslungsreicher.

Bei Youtube zeigt das DSM etwa Videos aus der Sonderausstellung »360° Polarstern – Eine virtuelle Forschungsexpedition«, die ursprünglich exklusiv für VR-Brillen produziert worden waren und daher eine ganz eigene, ungewohnte Optik haben.

Himmelsscheibe am Bildschirm

Bei den regionalen archäologischen Sammlungen der einzelnen Bundesländer sowie den jeweiligen Landesmuseen gibt es teilweise erhebliche Unterschiede im digitalen Angebot. Besucher der Seiten des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle an der Saale erfahren etwa von einem zukünftigen eMuseum und geplanten Download-Ausstellungen. Eines Tages sollen so die »Schätze der Menschheit im Spannungsfeld zwischen archäologischen Originalschauplätzen und digitaler Welt« in einem besonders innovativen Rahmen präsentiert werden. Noch aber müssen Besucher sich die Hintergründe zum wohl berühmtesten Artefakt Deutschlands, der Himmelsscheibe von Nebra, selbst anlesen. Auf dem hauseigenen Youtube-Kanal trifft Harald Meller, der »Retter« der Himmelsscheibe und Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, bislang ein gutes Dutzend Kolleginnen und Kollegen zu Expertengesprächen.

Das Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens Weimar verweist schon auf seiner Startseite auf ein Best-of archäologischer Funde aus der Region, wo man ausführliche Informationen zu den schönsten Stücken der Sammlung findet. Zudem haben die Thüringer auch eine Kinderplattform eingerichtet, in der unter anderem geklärt wird, ob es »in der Steinzeit schon bunte Ostereier« gab. An ein etwas älteres Publikum richtet sich der bebilderte Podcast des Museums, in dem vorwiegend naturwissenschaftliche Fragestellungen erörtert werden.

Denkmäler im Umkreis finden

Von den regionalen Ausstellungshäusern ist der Weg zu den Denkmalbehörden der Länder nicht weit. Von der Website des Rheinischen Landesmuseums Trier gelangt der Besucher mit nur einem Klick zum #KulturErbeOnline, einem Angebot der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz. Auch hier gibt es eine Kinderecke, digitale Ausflüge und Rundgänge, Details zu ausgewählten Exponaten und mehr von dem, was auch andere Museen anbieten. In der Rubrik »Am Wegesrand« finden Besucherinnen und Besucher dem regionalen Charakter der Einrichtung entsprechend »bekannte und weniger bekannte Schätze des Landes vor, die Sie auf Ihrer ganz persönlichen Erkundungstour entdecken können«.

Hier oder auch auf den Seiten des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie können Interessierte archäologische Stätten und kulturelle Denkmale finden, sich über ihre Geschichte und Hintergründe informieren und vielleicht auch schon einen Ausflug im echten Leben planen – sofern das Wetter es zulässt. Die Corona-Maßnahmen tun's.

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