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Kosmologie: Düstere Gesellen falsch eingeschätzt

Etwas Dickes, Helles ist auch im Weltall leichter zu sehen als etwas Mageres, Dunkles. Erspäht man allerdings doch einmal etwas Dunkles, dann kann das auch überraschend massig sein.
AB Doradus und sein lichtschwacher Begleiter
Es beginnt vielleicht mit Stoßwellen ferner Supernovae oder dem Aufbrausen starker Sternenwinde – ganz genau wissen die Forscher eigentlich nicht, wie neue Sterne gezeugt werden. Jedenfalls aber beginnt die Karriere einer Sonne mit der allmählichen Kontraktion von interstellarem Gas und Staub, die sich immer mehr verdichten, bis sie eine kritische Masse erreichen, erste Kernreaktionen entzünden – um dann mit einem Millionen Jahre währenden Fusionsfeuer aufzuglühen: A new star is born.

Nun wird aber eben nicht jeder zum Star – manche Kandidaten haben dazu einfach nicht das nötige Gewicht. Ganz leicht ist das Schicksal der ganz leichten Gasklumpen zu klären, sie werden einfach zu Planeten wie unserem Jupiter. Sammelt man mehr als rund zwölf, aber weniger als knapp achtzig Jupitermassen, dann wartet womöglich ein zwielichtiges Zwischenexistenz-Schicksal: Wegen fehlenden Drucks im Inneren kann in solchen Sternkandidaten nur ein schwaches Kernfeuer glühen, bei dem schwerer und durchschnittlicher Wasserstoff zu einer leichgewichtigen Heliumvariante verschmelzen. Ein derart knapp gescheiterter Sternkandidat glimmt so für den Rest seines Lebens infrarot, kaum sichtbar im sichtbaren Licht vor sich hin: A Brauner Zwerg is born.

Schwer zu sehen heißt auch schwer zu entdecken: Erst 1995 gelang es erstmals, einen solchen Braunen Zwerg tatsächlich zu finden. Für Kosmologen wichtig, denn trotz ihrer geringen Einzelmasse könnte eine möglicherweise große Menge Brauner Zwerge dazu beitragen, das so genannte "Missing-mass-Problem" etwas abzuschwächen – die ungelöste kosmologische Frage, wo die theoretisch vorhergesagte, praktisch aber irgendwie nicht erkennbare Masse des Universums zu finden ist.

Solange die lichtschwachen Braunen Zwerge frei und ungebunden, fern eines sie überstrahlenden Stern durchs Weltall fliegen, könnten sie mit Mühe auch aufzuspüren sein. Kreisen sie aber recht nahe in einem System um einen Zentralstern, dann verrät sich ihre Existenz nur durch die Gravitation, die sie selbst ausüben: Der Stern wackelt ein wenig aus seiner Bahn im System. Wirklich zu sehen sind die lichtschwachen Zwerge schlecht in der Nähe eines Sternleuchtfeuers – genau wie etwa die ebenso gesuchten Exoplaneten.

Laird Close und seine Kollegen von der Universität Arizona, dem Max-Planck-Institut für Astrophysik und ein paar weiteren Institutionen hatten sich nun in den Kopf gesetzt, Braune Zwerge im nahen Orbit eines Sterns trotz aller Lichtwidrigkeiten zu fotografieren. Ziel ihrer Suche war ein System im Sternbild des Schwertfisches: AB Doradus. Hier zieht, wie seit längerem schon bekannt war, offensichtlich ein Begleiter an dem noch jungen sichtbaren AB Dor-Zentralstern. Schon das Hubble-Teleskop hatte versucht, diesen Begleiter zu erspähen – und war gescheitert. Die alte Leier: Zu nah kreist er am Licht, zu schwach leuchtet er selbst.

AB Doradus und sein lichtschwacher Begleiter | Eine zur Verdeutlichung eingefärbte Infrarot-Aufnahme von AB Doradus A und seinem dunklen Begleiter. Dieser strahlt 120fach schwächer als der helle Zentralstern, ist 93 Mal schwerer als Jupiter und benötigt 11,75 Jahre für seinen elliptischen Orbit.
Die Astronomen um Close schärften daher die Kameras der 8,2-Meter-Teleskopaugen am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte – knapp gesagt, belichteten sie Aufnahmen des Systems mehrfach auf mehreren Aufnahmekanälen, filterten dann die Lichtwellen des Zentralsterns möglichst aus, erhöhten die vermuteten Infrarot-Emissionen des braunen Begleiters und konzentrierten sich auf die Stelle, an der dieser auf Grund der Schwerkrafteffekte eigentlich sein sollte. Dann kombinierten sie die entstandenen Einzelschnappschüsse zu einem Gesamtbild – eh voilà: Die erste wirkliche Aufnahme eines Braunen Zwerges, der einen Stern umkreist, gelang.

Die Forscher sind entsprechend begeistert – schließlich entspricht diese Auflösungsleistung einer Aufgabe, die vergleichbar wäre mit dem Auseinanderhalten zweier Stecknadelköpfe in 1,5 Zentimeter Abstand per bloßem Auge – aus etwa 13 Kilometern Entfernung. Wobei ein Stecknadelkopf ziemlich hell strahlt, der andere aber fast gar nicht leuchtet.

Apropos fast gar nicht leuchten: Das macht zur Verblüffung der Forscher auch der Begleiter vom AB-Dor-Zentralstern, der – einmal gesehen – prompt auch detailliert analysiert wurde. Er erwies sich dabei völlig überraschend um etwa 400 Grad kälter und zweieinhalb Mal lichtschwächer, als theoretische Modelle unter Berücksichtigung seiner Gravitationswirkung von zwischen 88 und 98 Jupitermassen vorhergesagt hatten. Ein Objekt der beobachteten Lichtstärke und -farbe sollte aber, so bislang die Theorie, eigentlich nur 50 Jupitermassen schwer sein.

Und Moment: Sollte nicht auch ein Brauner Zwerg von über 80 Jupitermassen eigentlich ein echter Stern sein? Oder andersherum: Würde man bislang ein Himmelsobjekt dieser Leuchtstärke und Farbe gesehen haben, dann hätte man es einen Braunen Zwerg genannt und seine Masse dabei ziemlich gründlich unterschätzt.

Theoretische Modelle gerade über die Masse junger Sterne und Brauner Zwerge, schlussfolgern demnach Close und Kollegen, bedürfen dringend einer Überarbeitung. Selbst wenn nun aber, Konsequenz der Beobachtungen an einem im Übrigen nicht gerade typischen Sternensystem, Masse oder Anzahl der Braunen Zwerg im Weltall größer ist als gedacht – das praktisch beobachtete Massedefizit des Universums können sie, soweit bleibt es bei bewährten Theorien, ohnehin nicht alleine ausgleichen.

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