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Evolution des Mikrobioms: Fledermäuse sind auch im Darm sehr eigen

Säugetiere sind nie allein, denn in ihrem Darm beherbergen sie stets eine perfekt angepasste Mikrobengemeinschaft. Aber typisch: Der exzentrischste aller Säuger macht auch in diesem Punkt mal wieder sein ganz eigenes Ding.
Eine Hipposideros-Fledermaus

Fledermäuse gehören zu den eher seltsamen Außenseitern unter den Säugetieren: Sie sind die einzigen, die fliegen können, die sich mit Echo sowie Ultraschall orientieren und die ausschließlich Blut trinkende Arten hervorgebracht haben. Und damit nicht genug der Exzentrizität. Forscher um Holly Lutz von der University of California in San Diego berichten nun im Fachblatt »mSystems«: Auch im Darm ist bei Fledermäusen einiges ganz anders als bei anderen Säugern.

Die Wissenschaftler hatten sich für das Mikrobiom der Tiere interessiert, das heißt für die im Darm angesiedelte Bakteriengemeinschaft. Diese ist bei verschiedenen Säugetiere ziemlich typisch zusammengesetzt: Unterschiedliche Linien wie der Mensch oder das Rind leben seit Jahrhunderttausenden mit einem auf die Ernährung spezialisierten Gemisch verschiedener Bakterienarten in den diversen Darmabschnitten zusammen. Fast immer zeigt sich, dass nah verwandte Arten auch ein ähnliches Mikrobiom besitzen, man spricht hier von einer Phylosymbiose von Spezies und Spezies-Mikrobiom, also einer gemeinsamen Entwicklungslinie. Anders ist dies allerdings bei den Flattertieren, so Lutz und Co, nachdem sie von 497 Fledermäusen 31 unterschiedlicher Spezies Bakterienproben von Haut, Zunge und Darm analysiert haben: Hier können von Art zu Art deutlich unterschiedliche Mikrobengesellschaften völlig unabhängig vom Verwandtschaftsgrad der Fledermäuse identifiziert werden.

Vielleicht stimme demnach für Fledermäuse nicht, was für andere Säuger mittlerweile als Lehrmeinung etabliert ist: dass die Zusammensetzung der Darmbakterien vor allem eine Folge der typischen Ernährung eines Tieres ist und vielleicht noch der Umweltbedingungen, in denen es sich entwickelt hat. Womöglich ist ein gut auf die Art abgestimmtes Mikrobiom für Fledermäuse nicht überlebenswichtig, spekulieren die Forscher. Sonst hätten sich im Lauf der Evolution nicht derart drastische Veränderungen der Darmbesiedlung innerhalb einer Verwandtschaftslinie abspielen können. Eine Ausnahme von der Ausnahme machen – nicht sehr überraschend – die Blut saugenden Vampirfledermäuse, deren Mikrobiom schon früher als aufregend anders beschrieben wurde.

Die Besonderheiten des Mikrobioms könnten vor allem mit der auffälligsten anderen Eigenheit der Fledermäuse zu tun haben, vermuten die Forscher: dem Flugvermögen. Es erfordert anatomische Veränderungen, die sich nicht auf die Erfindung von Flügeln beschränken. Flugfähige Tiere müssen auch leichter sein, und sie haben deshalb – wie die Fledermaus – üblicherweise einen kürzeren Darm. Damit verengt sich die Vielfalt der Ökosysteme für Darmbewohner, was womöglich dazu geführt hat, dass sich nie eine artangepasste, hoch spezialisierte Bakteriengemeinschaft entwickelte.

Dadurch profitieren die Fledermäuse allerdings auch nicht von den Vorzügen eines gut koevolvierten Mikrobioms, geben die Forscher zu bedenken: Vielleicht macht sie das viel anfälliger für eine Veränderung ihrer Ökosysteme. Tatsächlich haben andere Wissenschaftler diese mögliche Schwäche im Fledermaus-Bauplan schon erkannt und zu stopfen versucht – zuletzt probierten sie mit einigen Anfangserfolgen, das für Fledermäuse tödliche Weißnasensyndrom, eine Pilzkrankheit, durch die Infusion von Probiotika zu heilen, die das Mikrobiom der Tiere zu optimieren scheint.

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