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Invasive Arten: Gar nicht mal so fehl am Platz

Von frei laufenden Hippos in Südamerika bis hin zu Kamelen im Outback: Viele invasive Arten wirken fremd. Dabei füllen sie nur Lücken, die der Mensch einst riss.
Dromedar in Australien

Was ist natürlich? Und was nicht? Unser Bild unberührter Natur werde durch die jüngste Vergangenheit geprägt, sagt Arian Wallach von der University of Technology Sydney. »Das war aber bereits lange, nachdem der Mensch seinen bleibenden Einfluss geltend gemacht hat.« Tatsächlich sah die Umwelt, die von Homo sapiens wirklich nicht berührt wurde, ganz anders aus: Viele Ökosysteme wurden von großen Pflanzenfressern geprägt oder, wie unsere Vorfahren vermutlich gesagt hätten: von lohnenden Beutetieren. Jene Tierarten, die nicht ohnehin schon von klimatischen Veränderungen durch die letzte Eiszeit an den Rand des Aussterbens gebracht wurden, fielen ihren Speeren und Pfeilen zum Opfer.

Seitdem fehlen die Tiere, die diese Nischen füllen. Allerdings nicht überall.

Für eine aktuelle Studie haben Wallach und Kollegen, darunter Erstautor Erick Lundgren, nun systematisch ausgewertet, ob die Lücken, die unsere Vorfahren gerissen haben, von unbeabsichtigt ausgewilderten Spezies wieder gefüllt werden. Und sie kommen zu dem Ergebnis: In der Regel ist das der Fall. Invasive Spezies machten ein Ökosystem wieder seinem Ursprungszustand ähnlicher, als es vorher war, schreiben sie im Fachmagazin »PNAS«.

Prominentestes Beispiel sind die Mustangs in Nordamerika. Sie wurden von den europäischen Siedlern ausgewildert, füllen jedoch letztlich nur eine Nische, die die uramerikanischen Wildpferde hinterließen, die mehr als 50 Millionen Jahre in den Prärien grasten. In anderen Fällen ähneln sich die Neuankömmlinge und die ursprünglichen Bewohner nicht. Dass auch sie eine bereits vorhandene Nische füllen, ist weniger augenfällig. So beeinflussen die in Australien ausgewilderten Dromedare die Umwelt ähnlich wie ausgestorbene Großbeuteltiere der Gattung Palorchestes. In Südamerika leben Wasserbüffel ähnlich wie die ausgestorbenen Glyptodonten, riesige, panzerbewehrte Verwandte der Gürteltiere.

Eine Gegenüberstellung | Welche invasiven Arten (links) entsprechen in ihrer Lebensweise am ehesten welchen ausgestorbenen Arten (rechts)? In vielen Fällen gibt es keine Eins-zu-eins-Entsprechung. Stattdessen kombinieren Neuankömmlinge die Merkmale mehrerer ausgestorbener Spezies.

Auch die inzwischen fast 100 Flusspferde, deren Vorfahren nach dem Tod des Drogenbosses Pablo Escobar aus seiner Ranch entkamen, passen nach Meinung von Lundgren und Kollegen ins Ökosystem. Sie nähmen einerseits die Rolle von Riesenlamas der Gattung Hemiauchenia ein, andererseits ähnelten sie auf Grund ihrer halbaquatischen Lebensweise den Notoungulata, ausgestorbenen, großen, südamerikanischen Huftieren.

Für ihre Statistik analysierten die Forscher die Lebensgewohnheiten von insgesamt 427 Pflanzenfresserarten ab einem Körpergewicht von zehn Kilogramm. Sie behaupten allerdings nicht, dass die Integration der Neuankömmlinge immer problemlos verläuft. Auch der Rest des Ökosystems sei nach wie vor vom Menschen geprägt. Fehlender Lebensraum und mangelnder Jagddruck von großen Beutegreifern führen dazu, dass eine invasive Spezies zum Problem werden kann, selbst wenn sie eine ursprünglich vorhandene Nische füllt.

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