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Fachkenntnis: Halbwissen bringt nichts

Wie viele Vorkenntnisse braucht man, um Wissenschaft zu verstehen? Die Schwelle zur Erkenntnis lässt sich mit einfachen Tests bestimmen.
Bücherstapel vor Bücherregal in einer Bibliothek.

Besser ein bisschen Vorwissen als überhaupt keine Ahnung – so sollte man meinen. Doch Halbwissen bringt nicht viel, hat ein Forschungsteam aus den USA festgestellt. Erst wenn es eine bestimmte Schwelle überschreitet, trage es merklich zum Verständnis bei, berichtet die Gruppe um Tenaha O'Reilly vom Testanbieter ETS in einer Studie in »Psychological Science«.

Der ETS, kurz für Educational Testing Service, bietet standardisierte Prüfungen an, darunter den bekannten Englischtest TOEFL. Aus der Sprachforschung wisse man, so O'Reilly und ihre Kollegen, dass Menschen einen Text gut verstehen, wenn sie die Bedeutung von 95 bis 98 Prozent der enthaltenen Wörter kennen. Für einen durchschnittlichen Text benötigten Englischlernende deshalb ein Vokabular von mehr als 3000 Wörtern. Das Lesen eines Sachtextes aktiviere im Kopf nicht nur die enthaltenen Wörter und zugehörige Konzepte, sondern auch solche, die darin gar nicht vorkommen, aber zum Verständnis des Textes beitragen.

Um den nötigen Umfang an solchen Schlüsselbegriffen zu erfassen, legte das Team mehr als 3500 Jugendlichen eine Liste von 44 Wörtern und einen Multiple-Choice-Test vor. Die Neunt- bis Zwölftklässler sollten angeben, welche Wörter mit dem Fachgebiet Ökologie zu tun hatten. Danach hatten sie eine Schulstunde Zeit, um einen Text über Ökosysteme zu lesen und Verständnisfragen zu beantworten, unter anderem zugehörige Zahlen zu interpretieren und Fallbeispiele zu beurteilen. Die Tests waren Teil einer Studie an 37 Schulen im Westen und Mittleren Westen der USA.

Wie erwartet hing das Textverständnis mit der Kenntnis von Schlüsselbegriffen zusammen – doch erst ab einer bestimmten Schwelle: ungefähr 60 Prozent korrekter Antworten. Knapp 90 Prozent jener Jugendlichen, die diese Grenze nicht erreichten, schnitten auch im Textverständnis unterdurchschnittlich ab, und rund 90 Prozent derer, die darüberlagen, verstanden den Text überdurchschnittlich gut. Aus der Kenntnis von spezielleren Fachbegriffen wie »Habitat« ließ sich außerdem besser auf das Verständnis schließen als aus allgemeineren Begriffen wie »Fauna«. Wie gut sich die Begriffe als Maß für das Hintergrundwissen eigneten, hing davon ab, wie häufig sie in entsprechenden Sachtexten vorkommen.

Es könne viele Gründe haben, wenn man einen Text nicht versteht, räumt das Team ein. Doch zu überprüfen, ob die wichtigsten Grundbegriffe bekannt sind, würde nicht viel Zeit kosten. Auf diese Weise könnten Lehrende rechtzeitig jene Personen identifizieren, die noch nicht über das erforderliche Vorwissen verfügen.

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