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Hirnreifung: Früher erwachsen als gedacht

Wann beginnen Heranwachsende, wie Erwachsene zu denken? Die exekutiven Funktionen, die hierbei eine entscheidende Rolle spielen, sind laut einer umfassenden Studie bereits mit 18 Jahren ausgereift.
Junge Frau zeigt ihren Freunden auf der Treppe etwas auf dem Laptop
Die Studienergebnisse stellen die Annahme in Frage, dass die Exekutivfunktionen erst nach dem 25. Lebensjahr ausgereift sind. (Symbolbild)

Wann endet die Jugend und wann beginnt das Erwachsensein? Bei dieser Frage spielen die exekutiven Funktionen eine bedeutende Rolle. Damit sind kognitive Prozesse wie Selbstkontrolle und Aufmerksamkeitssteuerung gemeint, die wichtig sind, um vorausschauend zu denken und Probleme zu lösen. In der bislang umfangreichsten Studie zu dem Thema stellten Forschende der University of Pittsburgh fest, dass diese mentalen Fertigkeiten bereits im Alter von 18 bis 20 Jahren ausgereift sind – und damit früher als angenommen.

»Wir haben Methoden verwendet, die den Forschern bis vor einigen Jahren nicht zur Verfügung standen. Eine Studie dieses Ausmaßes wurde nur durch den offenen Austausch von Daten möglich«, sagt Erstautor Brenden Tervo-Clemmens. Das Team analysierte vier große, voneinander unabhängige Datensätze mit fast 11 000 Versuchspersonen im Alter von 8 bis 35 Jahren. Die Probanden hatten 17 verschiedene Aufgaben aus dem Bereich der exekutiven Funktionen absolviert. Basierend auf den Ergebnissen konnten die Forscher Reifungskurven erstellen.

Demnach kommt es in der späten Kindheit bis zur frühen Adoleszenz (10 bis 15 Jahre) zu einem steilen Anstieg der exekutiven Fähigkeiten. Während der mittleren Adoleszenz (15 bis 18 Jahre) reifen die Exekutivfunktionen in kleineren Schritten, bevor sie sich in der späten Adoleszenz (18 bis 20 Jahre) auf dem Niveau der Erwachsenen stabilisieren. Auch wenn die Fachleute mögliche Einflussfaktoren wie Bildung der Eltern und Haushaltseinkommen berücksichtigten, veränderten sich die Ergebnisse nicht.

Die Studie stelle die weit verbreitete Annahme in Frage, dass die Exekutivfunktionen erst nach dem 25. Lebensjahr ausgereift sind, kommentiert der Neuropsychologe Vaughan Bell vom University College London die Arbeit auf X, ehemals Twitter. Es wäre allerdings ein Fehlschluss, daraus abzuleiten, dass die gesamte Gehirnentwicklung mit 18 bis 20 Jahren abgeschlossen ist. So waren die Tests etwa auf emotionale Neutralität ausgerichtet. »Andere wichtige Verhaltensfaktoren, die die exekutive Funktion ergänzen, wie die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu kontrollieren, können sich mit dem Alter verändern«, sagt Koautorin Beatriz Luna.

Die Ergebnisse sind nicht nur für Psychiater und Neurowissenschaftler von Bedeutung, sondern ebenso für Eltern, Pädagogen und möglicherweise für die Justiz, wenn es darum geht, die Grenzen der Pubertät zu definieren. Auch können die umfassenden Entwicklungskurven dabei helfen, Abweichungen und psychische Erkrankungen wie Schizophrenie früher zu erkennen.

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