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Kosmologie: Ist die Dunkle Energie ein gigantischer Irrtum?

Das Universum fliegt immer schneller auseinander. So lautet die gängige Theorie. Nun will ein Physiker aus Oxford diese widerlegt haben. Hätte er Recht, wären die Folgen gewaltig.
Dunkle Energie

Neulich hat Subir Sarkar eine E-Mail verschickt, sie ging an ausgewählte Kollegen auf der ganzen Welt. »Am wichtigsten war mir, dass sie auch Jim Peebles erreicht«, erzählt Sarkar. Er selbst ist Physikprofessor an der ehrwürdigen Oxford University, doch Jim Peebles steht noch eine Treppenstufe höher: Im Oktober 2019 bekam der US-Amerikaner eine Hälfte des diesjährigen Physik-Nobelpreises zugesprochen.

Peebles zählt zu den Architekten des Theoriegebäudes, mit dem Wissenschaftler das Universum beschreiben. Laut diesem kosmologischen Standardmodell entstand das All vor 13,8 Milliarden Jahren und dehnt sich seitdem immer weiter aus. Dabei verliert der Kosmos nicht etwa an Schwung, sondern expandiert mit der Zeit immer schneller. Verantwortlich soll die ominöse Dunkle Energie sein; eine Art allgegenwärtige Antigravitation, die sich überall im Universum befinden soll und dieses immer größer werden lässt.

Einwand eines Querdenkers

Subir Sarkar hält nicht viel von dieser Theorie. Der aus Indien stammende Forscher gilt als exzellenter Physiker – und als unbequemer Querdenker. Schon lange wälzt der 66-Jährige die Daten, aus denen Astrophysiker die beschleunigte Expansion ableiten. Immer wieder hat er Zweifel angemeldet, nun will ihm gemeinsam mit drei jüngeren Kollegen der entscheidende Beweis gelungen sein. »Die Beschleunigung gibt es zwar, aber sie zerrt uns nur in eine Richtung«, sagt Sarkar. »Was wir beobachten, kann daher nicht die Dunkle Energie sein, denn diese müsste in alle Richtungen wirken.«

Supernova 1994D | 1994 leuchtete ein heller Punkt am Rand der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 4526 auf (links unten): eine Supernova vom Typ 1a. Die Sternexplosionen dienen Forschern als »Standardkerzen«, da sie stets gleich viel Licht aussenden und so ihren Abstand zu uns verraten.

Sollte das stimmen, wären die Folgen gewaltig: Laut kosmologischem Standardmodell ist die Dunkle Energie der dominante Bestandteil unseres Universums, 68 Prozent des Energie-Masse-Haushalts sollen auf sie entfallen. Sie wäre damit viel häufiger als Dunkle Materie (27 Prozent) und jene gewöhnliche Materie (5 Prozent), aus der Sterne, Planeten und Menschen bestehen. Bedroht sehen dürfte sich auch das Stockholmer Nobelkomitee: 2011 zeichnete es mit Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess drei der Entdecker der beschleunigten Expansion aus.

War das eine voreilige Entscheidung? Die meisten Experten sehen das nicht so. Sie verweisen auf die vielen Indizien, die seit 20 Jahren für die Existenz der Dunklen Energie sprechen. Sarkar greift in erster Linie eine dieser Argumentationsketten an. Sie basiert auf einer besonderen Form von Sternexplosion, mit deren Hilfe die Teams um Perlmutter und Schmidt Ende der 1990er Jahre das beschleunigte Universum aus der Taufe gehoben hatten.

»Der Kosmos scheint nicht isotrop zu sein, wir sind also keine kopernikanischen Beobachter«Subir Sarkar, Universität Oxford

Diese Supernovae vom Typ 1a setzen jedes Mal eine ungefähr gleiche Menge an Energie und Strahlung frei. Beobachtet man eine von ihnen in einer fernen Galaxie und misst über mehrere Tage hinweg, wie hell die Supernova auf der Erde erscheint, lässt sich die Entfernung abschätzen. Perlmutter, Schmidt und Riess hatten Dutzende solcher Ereignisse aufgezeichnet, teils Milliarden Lichtjahre entfernt. Für jede von ihnen ermittelten sie auch die »Rotverschiebung«. Sie verrät, wie stark die Strahlung auf ihrem langen Weg durchs All in Folge der kosmischen Expansion gestreckt wurde. Vergleicht man das mit der Entfernung zur Quelle, lässt sich abschätzen, in welchem Maße das Weltraum während der Reise gewachsen ist.

Schnell, schneller, Universum

Die späteren Nobelpreisträger hatten eigentlich erwartet, ein abbremsendes Universum zu beobachten, da der Schwung aus dem Urknall wegen der sich anziehenden Massen mit der Zeit schwächer werden müsste. Zu ihrer Überraschung ließen sich die gesammelten Daten jedoch nur dann schlüssig erklären, wenn das All immer mehr an Fahrt aufnimmt. Bis heute halten Experten an diesem Befund fest; mittlerweile stützen sie sich dafür auf mehr als 1000 beobachtete Supernovae.

Doch unter Fachleuten macht seit Langem auch ein gewisses Unbehagen die Runde. Viele Ergebnisse der Kosmologie beruhen auf dem kopernikanischen Prinzip. Physiker verstehen darunter die Annahme, dass das Universum isotrop ist, also keine Richtung bevorzugt. Wenn man auf der Südhalbkugel gen Nachthimmel blickt, sollten sich die dort sichtbaren Galaxien prinzipiell genauso verhalten wie kosmische Objekte am nördlichen Firmament. Auch sollte die Materie im All ungefähr gleichmäßig verteilt sein, zumindest wenn man die größten Strukturen im All betrachtet.

Deep-Field-Aufnahme von Hubble | Galaxienhaufen wie der hier vom Hubble-Weltraumteleskop aufgenommene Coma-Cluster bilden die Bausteine der größten Strukturen im Universum. Der Coma-Haufen liegt mehr als 300 Millionen Lichtjahre von uns entfernt, enthält rund 1000 große Galaxien und ist selbst Teil eines noch größeren Gebildes, des Coma-Superhaufens, der nicht mehr zu Laniakea gehört.

Aber kann die Menschheit mit Sicherheit sagen, dass beides der Fall ist? Fest steht, dass sich unsere Milchstraße gemeinsam mit ihren Nachbarn flott durchs Weltall bewegt. Das sieht man unter anderem am »kosmischen Mikrowellenhintergrund«, einer Art Nachglimmen des Urknalls, das an jedem Punkt des Himmels messbar ist. Die Strahlung erscheint auf der einen Hälfte des Firmaments um rund ein Hundertstel energiereicher zu sein als in entgegengesetzter Richtung. Der Effekt lässt sich erklären, wenn sich unsere Galaxiengruppe relativ zu einem Beobachter, der die Hintergrundstrahlung komplett isotrop wahrnehmen würde, mit 620 Kilometern in der Sekunde bewegt.

Diese »Eigenbewegung« ist ein Problem, wenn man die kosmische Expansionsgeschwindigkeit anhand der Rotverschiebung ermitteln will. Denn nicht nur die Dunkle Energie kann Lichtwellen in die Länge ziehen, indem sie den Raum zwischen den Weltinseln immer größer werden lässt. Auch die Bewegung einer Galaxie, die von der Schwerkraft ihrer kosmischen Nachbarn von uns weggezogen wird, kann die Wellenlänge strecken – ganz so, wie es der aus der Schulphysik bekannte Dopplereffekt für die Schallwellen eines Krankenwagens besagt.

Jenseits von 500 Millionen Lichtjahren

Aber wie viel von der gemessenen Rotverschiebung kommt von der kosmischen Expansion, wie viel von der Eigenbewegung von Quelle und Beobachter? Für Kosmologen ist das eine knifflige Frage. Sie versuchen daher, die Bewegung von Galaxien infolge der gewöhnlichen Schwerkraft so gut wie möglich abzuschätzen. Das Ergebnis nutzen sie dann, um die Rotverschiebung von fernen Supernovae zu korrigieren. Idealerweise bleibt dann nur der Anteil übrig, der auf die Expansion zurückgeht.

Diese Korrekturen sind längst ein Standardverfahren der modernen Kosmologie. Aus Sicht von Subir Sarkar machen es sich seine Kollegen damit jedoch viel einfach: »Die Leute korrigieren die Daten auf Basis unzulässiger Vorannahmen«, sagt er. »Am Ende kommt dann das heraus, was sie gesucht haben.«

In einem Aufsatz, der vor Kurzem im Fachjournal »Astronomy & Astrophysics« erschienen ist, legt der Oxford-Theoretiker sein Argument genauer dar: Demnach gehen Kosmologen für gewöhnlich davon aus, dass die Eigenbewegung unserer Galaxiengruppe nicht mehr stark ins Gewicht fällt, wenn man Distanzen von mehr als 500 Millionen Lichtjahren überblickt. Auf diesen Skalen müsste die Strömung, in der sich die Milchstraße bewegt, von deutlich mächtigeren Materiebewegungen überlagert werden und sich dem »Referenzsystem« der kosmischen Hintergrundstrahlung anpassen, so die weit verbreitete Annahme.

Fehlerhafte Korrekturen?

Aber ist das wirklich so? Oder reicht der Materiefluss, der unsere Milchstraße bewegt, vielleicht viel weiter ins All hinaus als gedacht? Gleicht er sich möglicherweise gar nicht an den Mikrowellenhintergrund an? Wird unser ganzes sichtbares Universum womöglich von gewaltigen Strömungen beherrscht, die allgemein gültige Aussagen sehr schwierig machen?

Sarkar ist überzeugt von diesem Szenario: »Der Kosmos scheint nicht isotrop zu sein, wir sind also keine kopernikanischen Beobachter«, sagt er. Entsprechend seien die Rotverschiebungskorrekturen für sehr weit entfernte Supernovae fehlerhaft.

Er und sein Team haben sich daher an eine Neuanalyse von öffentlich verfügbaren Supernovamessungen gemacht. »Es war gar nicht so einfach, diese Daten zu finden, da an fast allen Datensätzen bereits herumgedoktert wurde«, beschwert er sich. Schließlich wurden die vier Forscher in einer Sammlung aus dem Jahr 2014 fündig, die 740 Sternexplosionen enthält, und machten die darin durchgeführten Rotverschiebungskorrekturen rückgängig.

»Zu behaupten, es gäbe keine Dunkle Energie, ist angesichts vieler anderer Daten einfach abenteuerlich«Matthias Bartelmann, Universität Heidelberg

Anschließend will Sarkars Team unvoreingenommen überprüft haben, welches Modell am besten zu den Daten passt. Die Forscher ließen hierbei auch einen Parameter zu, der eine Richtungsabhängigkeit der Rotverschiebung ausdrückt, wie man sie in Folge einer deutlichen Relativbewegung von Quelle und Beobachter erwarten würde. Modelle mit solch einer »Dipol-Komponente« schnitten deutlich besser ab als solche, in denen die Rotverschiebung keinerlei Richtungspräferenz hat, so Sarkar.

Damit stünde die Dunkle Energie auf der Kippe, behaupten die Forscher weiter: Was Kosmologen bisher auf die rätselhafte, allgegenwärtige Antischwerkraft zurückgeführt haben, sei in erster Linie die Beschleunigung unserer eigenen Galaxiengruppe. »Ich vermute, dass wir von irgendeiner großen Masse jenseits des 650 Millionen Lichtjahre entfernten Shapley-Galaxienhaufens angezogen werden«, sagt Sarkar.

Was ist Dunkle Energie?

Der Begriff »Dunkle Energie« (englisch: dark energy) stammt aus den 1990er Jahren, das dahinterliegende Konzept ist aber bereits 100 Jahre alt. Es spielte eine Rolle bei der Entwicklung von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, der bis heute vorherrschenden Theorie von Raum, Zeit und Schwerkraft. 1917 sah sich Einstein gezwungen, einen Zusatz in seine Gleichungen aufzunehmen, die kosmologische Konstante.

Einstein wollte damit den Zusammensturz des Universums verhindern. Forscher hielten es damals für ein statisches Gebilde. Doch damit müsste das All früher oder später unter seiner eigenen Schwerkraft kollabieren, folgerte Einstein – und ersann die kosmologische Konstante. Sie verkörperte einen nach außen gerichteten Gegendruck, der dem Kollaps Einhalt gebietet. Doch als in den 1920er Jahren klar wurde, dass der Kosmos nicht statisch ist, sondern expandiert, verwarf Einstein die Idee wieder. Stattdessen setzte sich das Konzept des Urknalls durch, der dem All den nötigen Schwung für die Ausdehnung mitgab.

1998 erkannten Kosmologen jedoch, dass das Universum seit rund sieben Milliarden Jahren an Geschwindigkeit zulegt; die Expansion beschleunigt sich. Erklären lässt sich das mit der Dunklen Energie, die wie eine Art Antigravitation wirkt. Während gewöhnliche Materie, Dunkle Materie und elektromagnetische Strahlung mit wachsendem Volumen ausdünnen, scheint ihre Menge in einem Kubikmeter Weltall konstant zu bleiben – so wie es auch bei Einsteins kosmologischer Konstante der Fall war.

Kritik aus Amerika

Kann das sein? Ist die Dunkle Energie ein gigantischer Irrtum? Oder hat Sarkar selbst einen Fehler gemacht und Daten einseitig interpretiert? Wer mit anderen Astrophysikern spricht, hört immer wieder letztere Vermutung. Insbesondere US-Wissenschaftler reagieren mit heftiger Ablehnung auf die These des Professors aus Oxford. »Außergewöhnliche Behauptungen erfordern außergewöhnliche Beweise«, sagt etwa Dragan Huterer von der University of Michigan. »Die sehe ich hier in keinster Weise.«

Huterer und mehrere seiner Kollegen finden, dass sich die Veröffentlichung von Sarkar im Grunde selbst widerspricht: In einer Tabelle im Anhang ist aufgelistet, wie gut das konventionelle, dipolfreie Modell die analysierten Supernova-Daten erklärt. »Wenn man das mit dem Modell der Autoren aus einer anderen Tabelle im Paper vergleicht, sieht man, dass dieses sehr viel schlechter zu den Daten passt«, sagt Huterer.

Galaxienhaufen überall | Die Milchstraße und ihre Nachbarn (die »lokale Gruppe«) sind Teil des Virgo-Galaxienhaufens in der Mitte der Karte. Sie zeigt die Verteilung von Galaxienhaufen in bis zu einer Milliarde Lichtjahren Entfernung. In diesem Volumen tummeln sich etwa 63 Millionen Galaxien.

Sarkar hingegen bestreitet, dass man die Einträge der Tabellen in seinem Paper einfach so vergleichen kann – und verweist auf eine andere statistische Sichtweise, der zufolge sein Modell besser abschneide. Aber wieso geht das aus dem Paper dann nicht hervor? Es sei ein Fehler gewesen, das in der Veröffentlichung nicht deutlicher zu machen, rechtfertigt er sich. Geändert hätte das wenig: »Dann hätten jene, die unsere Schlussfolgerung nicht mögen, eben einen anderen Knüppel gefunden, um auf uns einzudreschen.«

Sarkar dürfte damit unter anderem David Rubin von der University of Hawaii meinen, der einst bei Saul Perlmutter promoviert hat. Rubin hat gemeinsam mit einer Studentin mehrere Kritikpunkte zusammentragen und auf dem Preprint-Server arXiv veröffentlicht. Rubin hatte bereits vor drei Jahren die Klingen mit Sarkar gekreuzt, als dieser schon einmal die Auswertung von Supernova-Daten bemängelte.

Einer der Kritikpunkte zielt auf den Supernova-Katalog ab, den Sarkars Team für seine Neuanalyse verwendet hat. Diese »Joint Lightcurve Analysis« stammt aus dem Jahr 2014, obwohl es mittlerweile neuere und größere Datensätze gibt. Wieso hat Sarkar diese nicht verwendet? Eine Antwort dazu findet sich unter anderem in einer Erwiderung, die die er und sein Team am Mittwoch ebenfalls auf Arxiv veröffentlicht hat. »Diese Daten scheinen öffentlich nicht in einer Form vorzuliegen, die wir verwenden können«, heißt es darin etwas kryptisch. In dem früheren Paper der Gruppe war zusätzlich dazu noch von »Bedenken hinsichtlich der Genauigkeit der Daten« die Rede, die nun verschwunden zu sein scheinen.

Im Schatten der Nobelpreisträger

Wegen solcher Details kann man die Zurückhaltung verstehen, mit der viele Astrophysiker Sarkar begegnen: Ihm eilt zuweilen der Ruf voraus, sich vorrangig auf jene Daten zu berufen, die sein Argument stützen. Aber ist die vernichtende Kritik aus den Vereinigten Staaten wirklich gerechtfertigt? Oder reagieren die dortigen Forscher vielleicht auch deshalb so allergisch, weil der Oxford-Theoretiker gewissermaßen das Lebenswerk von Perlmutter, Schmidt und Riess in Frage stellt – die nach wie vor sehr einflussreiche Figuren in der US-Kosmologieszene sind?

In der Tat äußern sich europäische Experten ambivalenter, wenn man sie auf Sarkars jüngsten Vorstoß anspricht. Da ist zum Beispiel Bruno Leibundgut. Der Schweizer gehörte Ende der 1990er Jahre zu einem der Teams, die die beschleunigte Expansion entdeckt haben, und war später Wissenschaftsdirektor der Europäischen Südsternwarte ESO. Mit Blick auf Sarkars Paper sagt er: »Ich finde, das sind durchaus Fragen, die man stellen kann.« Im Detail überzeugt ihn die These seines Oxford-Kollegen aber auch nicht – unter anderem vermisse er eine gründliche Diskussion der Unsicherheiten der Analysen.

Das kosmische Netz | Diese detaillierte Simulation der großräumigen Strukturen im Universum entstand im Rahmen der Illustris-Simulation. Die Verteilung der Dunklen Materie ist blau und die des Gases orange dargestellt. Der abgebildete Bereich hat eine Kantenlänge von 300 Millionen Lichtjahren. Deutlich zu erkennen sind die filamentartigen Materieansammlungen.

Generell müsse man zwei Aussagen der Veröffentlichung unterscheiden, findet Leibundgut: Da sei zum einen die Frage, ob man die Blickrichtung bei der Rotverschiebung stärker berücksichtigen müsse als bisher. »Wir können bisher nicht ausschließen, dass es hier einen Dipol gibt«, sagt er. Die andere Frage sei, ob man daraus schließen könne, dass es keine Dunkle Energie gibt. »Das geben die Daten meiner Meinung nach nicht her.«

Soll heißen: Die Dunkle Energie gibt es zwar, aber Kosmologen unterschätzen die statistischen Unsicherheiten in ihren Analysen. So ähnlich sieht es auch Dominik J. Schwarz von der Universität Bielefeld. Er hält Sarkars Vorstoß für einen wichtigen Beitrag: »Ich finde es absolut richtig, die Supernova-Daten nicht zu korrigieren, bevor man ein Modell anpasst, sondern diese Korrekturen als Teil des Modells zu betrachten – und nicht als Teil der Daten«, sagt Schwarz. Letzteres sei bei vielen Kosmologie-Analysen Standard, könne aber im schlimmsten Fall die Ergebnisse verfälschen. Er forsche deshalb zu ähnlichen Fragen.

Auch Matthias Bartelmann von der Universität Heidelberg kann der Arbeit im Kern etwas Positives abgewinnen. »Sie greift den wichtigen Punkt auf, dass es in den Supernova-Daten noch ungeklärte Abhängigkeiten geben mag, die die Signifikanz der daraus abgeleiteten Ergebnisse verringern.« Die daraus gezogene Schlussfolgerung geht Bartelmann aber viel zu weit: »Allein aufgrund dieses Befundes zu behaupten, es gäbe keine Dunkle Energie, ist angesichts vieler anderer Daten einfach abenteuerlich«, sagt er.

Nicht nur Supernovae deuten in Richtung Dunkler Energie

Da ist zum Beispiel die kosmische Hintergrundstrahlung, aus der Forscher nicht nur die Geschwindigkeit unserer Milchstraße ablesen können, sondern auch die Materieverteilung 380 000 Jahre nach dem Urknall. Indirekt lässt sich daraus folgern, dass es große Mengen einer unbekannten Energieform geben muss.

Hintergrundstrahlung | Die ESA-Raumsonde Planck hat von 2009 bis 2013 die kosmische Hintergrundstrahlung des gesamten Himmels mit der bisher besten Genauigkeit und Winkelauflösung vermessen. Spektrum und Intensität der Strahlung entsprechen an jedem Punkt des Himmels einer bestimmten Temperatur, die hier farbig codiert dargestellt ist. Der Temperaturbereich, der in der Abbildung von tiefblau bis tiefrot dargestellt ist, entspricht nur wenigen Millionsteln der Durchschnittstemperatur von rund 3 Kelvin.

Auch die Verteilung von Galaxienhaufen im heutigen Universum spricht aus Sicht vieler Fachleute für die Dunkle Energie: Die kosmischen Strukturen sehen so aus, als handele es sich um die aus der Hintergrundstrahlung ersichtlichen Dichteschwankungen, die von einer beschleunigten Expansion in den letzten 13,8 Milliarden Jahren stark vergrößert wurden. Daneben sprächen auch so genannte Gravitationslinsen und die Zahl von Galaxienhaufen bei bestimmten Rotverschiebungen für die Dunkle Energie, sagt Dragan Huterer.

Für Subir Sarkar sind das alles Argumente, die auch eine andere Erklärung haben könnten. Wer mit ihm über Kritik an seiner Arbeit spricht, erlebt einen höflichen Mann, der jedoch wenig Zweifel an seiner These zulässt. Auf jeden fachlichen Einwand hat er eine umfassende, nachdrücklich vorgetragene Antwort parat. Dabei klingt er stets so, als ob diese Antwort den Einwand restlos entkräftet. »Die Leute sind oft einfach zu faul, meine Analyse nachzuvollziehen«, beschwert er sich.

Ob sich Jim Peebles die Zeit nehmen wird? Sarkar hatte den frisch gebackenen Nobelpreisträger ja per E-Mail über sein neues Paper informiert. Peebles habe auch geantwortet, am 3. Dezember, erzählt Sarkar: Er sei gerade auf dem Weg zur Preisverleihung in Stockholm und wolle sich den Aufsatz im Flugzeug ansehen. Bisher habe sich der US-Kollege leider nicht zurückgemeldet – kein Wunder bei den vielen Festlichkeiten rund um die Nobelpreisgala. Aber die Antwort werde sicher noch kommen: »Jim hatte immer ein offenes Ohr für unsere Kritik.«

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