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Klimawandel: Eddies könnten antarktisches Paradoxon erklären

Aktuelle Klimasimulationen haben eine Schwäche: Sie überschätzen den Meereisverlust am Südpol. Ihnen fehlt der Einfluss der kleinen Wasserwirbel im Ozean, ergab nun eine Studie.
Impressionen vom Eis der Antarktis

Klimafachleute sprechen von einem Paradoxon: In der Arktis hat sich das Meereis in den vergangenen vier Jahrzehnten massiv zurückgezogen, ganz im Einklang mit den Prognosen der Klimasimulationen. Auch für den Ozean am anderen Ende der Welt sagen solche Simulationen einen Meereisverlust voraus, doch er ist bislang nicht eingetreten. Seit 1979 ist seine Ausdehnung nahezu konstant geblieben, von einzelnen Schwankungen abgesehen.

Woran liegt das? »Dieses so genannte antarktische Meereis-Paradoxon beschäftigt die wissenschaftliche Gemeinde schon länger«, sagt Thomas Rackow vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in einer Pressemitteilung anlässlich einer neuen Studie seines Teams. Darin untersuchte er mit Kolleginnen und Kollegen, ob sich die Diskrepanz zwischen Prognose und Wirklichkeit mit Hilfe von Ozeanwirbeln erklären lässt.

Im Fachblatt »Nature Communications« erläutern sie, dass kleinräumige Wirbel, so genannte Eddies, von 10 bis 20 Kilometer Größe eine abschirmende Wirkung auf das Meereis haben. Sie setzten dazu das AWI Climate Model (AWI-CM) ein. Nur in Simulationsläufen, in denen sie die Verhältnisse im Meer auf kleinen Skalen modellierten, stimmten Vorhersage und langjährige Beobachtung überein.

Die Wirbel scheinen die Erwärmung des Südkontinents zu dämpfen, indem sie dazu beitragen, die zusätzliche Wärme nordwärts abzutransportieren. Gröber aufgelöste Simulationen hatten diesem nordwärts gerichteten Wärmetransport einen weiteren Richtung Südpol entgegengesetzt. Die besser aufgelösten Simulationen der oberen Ozeanschichten ergaben jedoch, dass die Wirbel sich eher neutral verhalten und dadurch in Summe eine nordwärts gerichtete Wärmebewegung ermöglichen: Das Eis bleibt – zumindest vorerst – konstant.

Auch alternative Erklärungen für das antarktische Paradoxon wurden bereits vorgeschlagen. So könnte das kalte Schmelzwasser, das vom Festland kommt, das Meereis vom wärmeren Tiefenwasser abschirmen. Möglich ist ebenso, dass das Meereis nur in seiner Ausdehnung konstant blieb, aber in seinem Volumen abgenommen hat. Dieser Unsicherheiten ist sich beispielsweise auch der Weltklimarat IPCC bewusst, wie er in seinem letzten Sachstandbericht erläutert.

Besser aufgelöste Simulationen könnten dank Fortschritten in der Computertechnik bald »routinemäßig möglich sein«, sagt Rackow. Die Modellrechnungen seines Teams, in denen die Rolle der Eddies bereits eingepreist ist, sagen selbst bei starkem Anstieg der Treibhausgase eine konstante Meereisbedeckung bis 2050 voraus. Allerdings nimmt die Eisdecke danach genauso rapide ab, wie man es derzeit in der Arktis beobachtet. Fachleute gehen davon aus, dass die Gewässer rund um den Nordpol bis zur Mitte des Jahrhunderts im Sommer eisfrei sein könnten.

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