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Organkonservierung: Längeres Leben für Lebern

Bei einer Transplantation zählt oft jede Minute - vor allem, wenn Unvorhergesehenes geschieht. Vielleicht kann man Lebern in Zukunft tiefkühlen und so wertvolle Zeit gewinnen.
Tiefgekühlte Leber, Ausschnitt

Wenn eine Spenderleber transplantiert werden soll, bleibt den Ärzten nicht viel Zeit. Denn bislang kann man das Organ nur rund einen halben Tag lang lagern, ohne dass es erheblichen Schaden nimmt. Das könnte sich vielleicht bald ändern. Einem Team um Korkut Uygun von der Harvard Medical School und dem Massachusetts General Hospital in Boston ist es gelungen, menschliche Lebern auf minus vier Grad Celsius zu kühlen. So gelagert könne man sie für 27 Stunden funktionsfähig erhalten, schreiben die Forscher nun im Fachmagazin »Nature Biotechnology«.

Das sei vor allem für solche Fälle interessant, bei denen nicht alles nach Plan laufe, meint Daniel Seehofer, Leiter der Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Leipzig. Beispielsweise wenn eine Leber kurzfristig doch nicht verpflanzt werden kann und zu einem anderen Transplantationszentrum gebracht werden müsse. In manchen Ländern, zum Beispiel den USA, sind die Entfernungen groß – die Zeit kann knapp werden. Außerdem könnte man den Transplantationszeitpunkt etwas flexibler wählen und etwa von der Nacht auf die Tagesstunden verlegen.

Üblicherweise wird das Spenderorgan, eingebettet in eine Konservierungslösung, auf »crushed ice« gelagert, allerdings ohne dieses direkt zu berühren, wie Seehofer erklärt. So erreicht man eine Temperatur von vier Grad Celsius im Organ. 10 bis maximal 16 Stunden könne man so überbrücken. Nicht nur diese Spanne könne das Verfahren von Uygun und seinem Team verlängern, sondern möglicherweise auch helfen, die Schäden bei kürzeren Konservierungszeiten zu verringern, meint Seehofer.

Denn je stärker man Zellen oder ganze Organe kühlt, desto langsamer laufen die Stoffwechselprozesse darin ab – auch das Absterben des Organs lässt sich so hinausschieben. Sinkt die Temperatur jedoch unter die Null-Grad-Marke, drohen Gefrierschäden. In den Zellen, die zum Großteil aus Wasser bestehen, bilden sich Eiskristalle. Sie dehnen sich aus und können die Zellmembran zum Platzen bringen. Dies verhinderten Uygun und seine Kollegen, indem sie ihrer Konservierungslösung die Gefrierschutzmittel Trehalose und Glycerol zusetzten. Die Stoffe senken den Gefrierpunkt der Flüssigkeit in den Zellen und stabilisieren die empfindlichen Membranen. In vorherigen Arbeiten konnte das Team um Uygun mit Hilfe ähnlicher Stoffe bereits Rattenlebern bei minus sechs Grad Celsius über mehrere Tage unbeschadet aufbewahren.

Eine menschliche Leber ist jedoch etwa 200-mal größer als die einer Ratte. Das macht es schwierig, eine gefrierschutzmittelhaltige Lösung gleichmäßig im gesamten Organ zu verteilen. Außerdem ist die Kontaktfläche zur Luft, an der sich bevorzugt Eis bildet, viel größer. Um diese Probleme zu umgehen, setzte das Team um Uygun auf ein maschinelles Spülsystem, das außerdem eine geregelte Konzentrationserhöhung der Gefrierschutzmittel ermöglichte. Insgesamt fünf Lebern, die aus medizinischen Gründen nicht mehr transplantiert werden konnten, spülte das Forscherteam mit der Flüssigkeit und kühlte sie gleichzeitig auf minus vier Grad Celsius ab. Anschließend packte es die Organe unter Luftausschluss in Beutel und bewahrte sie für 20 Stunden auf. Zum Wiederauftauen spülten die Forscher eine Nährlösung ohne Gefrierschutz durch die Lebern und erhöhten die Temperatur langsam bis auf 37 Grad Celsius. Drei der Lebern ließen sie sogar von menschlichem Blut durchströmen, um eine erfolgte Transplantation zu simulieren.

Indem es verschiedene Parameter wie etwa die Herstellung von Gallenflüssigkeit oder den Sauerstoffverbrauch der Zellen vor und nach dem Tiefkühlen verglich, stellte das Team fest, dass dieser Prozess der Aktivität der Leberzellen offenbar keinen Abbruch getan hatte. Nur wenige Zellen waren abgestorben. Zudem waren die lebertypischen Entzündungswerte nicht nennenswert gestiegen, was bedeutet, dass die Organe die Prozedur gut vertragen hatten. Ob eine tiefgekühlte Leber tatsächlich erfolgreich transplantiert werden kann, wollen Uygun und seine Kollegen in Zukunft – zunächst auch wieder anhand von Tiermodellen – untersuchen.

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