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Ultramarathon: Laufen am Limit

Je mehr man sich verausgabt, desto mehr Kalorien verbraucht man? Nein! Der Stoffwechsel pendelt sich auf einem überraschend niedrigen Niveau ein - selbst bei Extremsport.
Läuferin beim RAUSA-Wettbewerb

Sechsmal pro Woche einen Marathon, also etwa 42 Kilometer laufen – und das fast ein halbes Jahr am Stück. Für die meisten Menschen ist dies unvorstellbar. Die Teilnehmer des »Race Across USA« (RAUSA) nahmen die Herausforderung an: Anfang 2015 überquerten sie die USA von West nach Ost. Auf dem Weg von Kalifornien bis nach Washington D.C. legten sie insgesamt 4957 Kilometer zurück. Wie schafft es ihr Körper, über so lange Zeit die Energie dafür bereitzustellen? Ein Team um den Evolutionsanthropologen Herman Pontzer von der Duke University und den Biologen John Speakman von der University of Aberdeen nahm den Stoffwechsel der Läufer unter die Lupe. In der Studie, die die Forscher kürzlich im Fachmagazin »Science Advances« veröffentlichten, stellten sie fest, dass die Langstreckenläufer auf Dauer weniger Energie verbrauchten als gedacht: kaum mehr als das Doppelte ihres Grundumsatzes.

Bei extremen körperlichen Anstrengungen wie etwa einem Triathlon kann sich der Verbrauch unseres Körpers kurzfristig um fast das Zehnfache seines Grundumsatzes, also der Energie, die er in Ruhe benötigt, erhöhen. Müssen wir also, wenn wir täglich einen Marathon laufen, Unmengen an Nahrung zu uns nehmen? Um das herauszufinden, bestimmte das Forscherteam um Pontzer und Speakman den Energieverbrauch von sechs Teilnehmern jeweils vor, in der ersten Woche und während der letzten zwölf Tage des RAUSA-Wettbewerbs. Dazu verabreichten sie den Sportlern isotopenmarkiertes Wasser und untersuchten regelmäßig ihren Urin. In der ersten Woche des Rennens erhöhte sich der Verbrauch der Läufer auf etwa das Vierfache ihres Grundumsatzes – sie verbrannten täglich rund 6000 Kilokalorien. Im Endspurt der USA-Überquerung waren es jedoch 20 Prozent weniger. Pontzer und Speakman gehen davon aus, dass der hohe Energieverbrauch der ersten Tage für etwa 70 Tage anhält. Danach schalten die Läufer wohl auf eine Art Energiesparmodus um. Wie sie es trotzdem schafften, ihr tägliches Laufpensum zu bewältigen, ist unklar. Die Forscher vermuteten bereits in vorherigen Arbeiten, dass der Körper zu Gunsten der sportlichen Betätigung andere Funktionen zurückfährt.

Dieses Phänomen gilt wohl nicht nur für Läufer. Auf Dauer können wir offenbar nicht mehr als das 2,5-Fache unseres Grundumsatzes verheizen – sonst geht es an unsere Reserven und ist für den Körper nicht tragbar. Laut den Forschern pendelt sich ein solches Niveau auch ein, wenn wir andere Ausdauersportarten intensiv betreiben – oder schwanger sind. Während Schwangerschaft und Stillzeit verbrennen Frauen – ohne einen einzigen Marathon zu laufen – täglich etwa das 2,2-Fache ihres Grundumsatzes. Weil bei solchen körperlichen Anstrengungen unterschiedliche Muskeln und Organe beteiligt sind, geht das Team um Pontzer und Speakman davon aus, dass es vor allem unser Verdauungssystem ist, das unseren Umsatz limitiert. Essen wir mehr, als der Körper verstoffwechseln kann, nehmen wir zwar zu, verbrennen aber prinzipiell nicht mehr Kalorien, so beobachtete das Forscherteam bei Testpersonen. Für die Theorie der Forscher sprechen außerdem Studien, die zeigten, dass Menschen auf der ganzen Welt im Alltag maximal das Doppelte ihres Grundumsatzes verbrauchen – sofern sie nicht gerade Extremsportler oder schwanger sind.

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