Direkt zum Inhalt

Meeresströmungen: Führen Seepocken endlich zu Flug MH370?

Zu den größten Rätseln der Luftfahrt gehört der Verbleib des malaysischen Flugzeugs von MH370, das 2014 verschwand. Geochemie könnte bei der Suche vielleicht helfen.
Seepocken
Seepocken siedeln sich rasch auf festen Unterlagen im Wasser an - auch Schiffsrümpfe oder Wrackteile sind davon betroffen.

Am 8. März 2014 verschwand Flug MH370 der Malaysia Airlines vom Radar. Ursprünglich auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking, änderte die Maschine plötzlich den Kurs und steuerte in Richtung des Indischen Ozeans, wo sie schließlich abstürzte. Es folgte eine der größten Suchaktionen in der Geschichte der Luftfahrt. Doch außer einigen Trümmern, die Wochen und Monate später an verschiedenen Küsten angeschwemmt wurden, fanden sich keine größeren Wrackteile oder gar Überreste der Passagiere. Gregory Herbert von der University of South Florida und sein Team schlagen in »AGU Advances« eine neue Suchstrategie vor: Auf angeschwemmten Flugzeugbruchstücken hatten sich Seepocken angesiedelt, deren Schalen charakteristische geochemische Signaturen aufweisen, je nachdem welches Seegebiet sie durchkreuzt haben. Auf diese Weise ließe sich womöglich ihre Reise rekonstruieren und damit das Suchgebiet eingrenzen.

Ganz besonders weckte das Interesse von Herbert und Co eine Flügelklappe, die ein Jahr nach dem Absturz auf der Insel Réunion im Indischen Ozean angeschwemmt wurde. »Sie war mit Seepocken bedeckt, und als ich das sah, begann ich sofort, E-Mails an die Ermittler zu schicken, weil ich wusste, dass die Geochemie ihrer Schalen Hinweise auf den Absturzort liefern könnte«, so Herbert. Seepocken und andere wirbellose Meerestiere mit Schalen wachsen täglich und bilden dabei innere Schichten ähnlich wie Baumringe. Die Chemie jeder Schicht wird durch die Temperatur des umgebenden Wassers zu dem Zeitpunkt beeinflusst, an dem die Schicht gebildet wird.

In seiner Studie führte Herberts Team ein Wachstumsexperiment mit lebenden Seepocken durch, um deren Chemismus zu analysieren. Dadurch konnte es zum ersten Mal Temperaturen aus den Schalen der Krebstiere ableiten. Diese Methode wandten die Forscher dann auf die Schalen von Seepocken an, die sich auf dem Wrackteil befanden und für Forschungszwecke aufbewahrt wurden. Die ermittelten Temperaturwerte speisten sie dann in ein Computermodell ein, mit dem der zurückgelegte Weg der Flügelklappe zumindest zu einem Teil erfolgreich rekonstruiert werden konnte.

»Leider stehen die größten und ältesten Seepocken des Wracks noch nicht für die Forschung zur Verfügung. Aber mit dieser Studie haben wir bewiesen, dass diese Methode auf Seepocken angewandt werden könnte, die sich kurz nach dem Absturz auf den Trümmern angesiedelt haben. Dadurch ließe sich dann vielleicht ein vollständiger Driftpfad zurück zum Absturzort rekonstruieren«, sagt Herbert.

Bislang erstreckte sich die Suche nach MH370 über mehrere tausend Kilometer entlang eines Nord-Süd-Korridors, der als »Siebter Bogen« bezeichnet wird und auf dem das Flugzeug nach Ansicht der Ermittler aufgeschlagen sein könnte, nachdem ihm der Treibstoff ausgegangen war. Da sich die Meerestemperatur entlang des Bogens schnell ändert, könnte diese Methode laut Herbert zeigen, wo genau sich das Flugzeug befindet. »Der französische Wissenschaftler Joseph Poupin, der als einer der ersten Biologen die Flügelklappe untersuchte, kam zu dem Schluss, dass die größten Seepocken sich möglicherweise schon kurz nach dem Absturz auf dem Wrack ansiedelten – und zwar ganz in der Nähe der Absturzstelle, wo das Flugzeug jetzt liegt«, so Herbert. Das Suchgebiet ließe sich dadurch womöglich eingrenzen und eine neue Mission zum Aufspüren des Wracks erleichtern.

Drei Jahre nach dem Absturz wurde die groß angelegte Suche nach MH370 eingestellt. Bis dahin fanden sich bis auf die wenigen angeschwemmten Trümmer keine weiteren Hinweise auf das Schicksal des Flugzeugs. Die Meeresforschung hat davon allerdings stark profitiert. Gewonnen wurden etwa zahlreiche Daten zur Beschaffenheit des Meeresbodens in der Region. Zudem konnten manche Schiffsunglücke aufgeklärt werden.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.