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Arthrose: Micro-RNA - ein stummer Schrei des Knorpels nach Erneuerung?

Was haben der Knorpel von Arthrosepatienten und ein Axolotl gemeinsam? Bestimmte micro-RNAs. Vielleicht können diese kleinen Moleküle helfen, abgenutzte Gelenke zu reparieren.
Axolotl

Warum ist Arthrose in der Hüfte schlimmer als im Knöchel? Weil sich die Proteine und damit die Knorpel dort langsamer erneuern. Forscher um Virginia Kraus von der Duke University School of Medicine in Durham wollen die Strippenzieher des Reparaturprozesses gefunden haben: kleine RNA-Moleküle – micro-RNAs (miRNAs) –, die auch Tiere wie das Axolotl haben. Dem Regenerationskünstler wachsen bei Bedarf ganze Gliedmaßen nach. Diese Möglichkeit wird uns wohl auch mit Hilfe der Ergebnisse, die das Team nun in der Fachzeitschrift »Science Advances« veröffentlichte, verwehrt bleiben. Vielleicht könnten die miRNAs aber zur Behandlung von Hüft- und Kniegelenkarthrose nützlich sein.

Um an Knöchel-, Knie- und Hüftknorpel zu kommen, bediente sich das Team um Kraus an dem, was bei Gelenkersatzoperationen übrig geblieben war. Je schlechter sich der Knorpel erneuern kann, desto älter müssen die Proteine sein, die sich darin befinden, dachte sich die Forschergruppe. Und tatsächlich: Die Untersuchung ergab, dass die Proteine im Knöchel im Schnitt am jüngsten waren. Im Kniegelenk dauerte es länger – und in der Hüfte am längsten –, bis sich die Proteine erneuert hatten. Das Proteinalter bestimmte das Team mit Hilfe einer ausgeklügelten Methode. Es berechnete das Verhältnis von amidiertem zu deamidiertem Asparagin. Diese Aminosäure verändert sich nämlich im Lauf der Zeit. Sie spaltet eine Amidgruppe ab. Den entstehenden Massenunterschied kann man im Spektrometer detektieren und daraus die Halbwertszeit eines Proteins bestimmen. Die Zeiten, nach denen die Hälfte eines bestimmten Proteins abgebaut war, unterschieden sich übrigens stark. Aggrecan, das gemeinsam mit den Kollagenfasern für die Elastizität des Knorpels sorgt, wurde in allen Gelenken im Schnitt nur etwa drei Tage alt. Ein bestimmtes Kollagen vom Typ II hingegen blieb stets länger als fünf Jahre stabil.

Neben den Proteinen interessierte sich das Team um Kraus auch für die RNA, die im Knorpel vorkam. Forscher von der University of Maine hatten bereits 2016 entdeckt, dass Axolotl (Ambystoma mexicanum), Zebrabärblinge (Danio rerio) und Flösselhechte (Polypterus senegalus) bestimmte miRNAs herstellen, wenn sie im Begriff sind, sich zu regenerieren. Diese Moleküle sorgen dafür, dass in der Schwanz- oder Flossenspitze die richtigen Gene abgelesen werden. Just dieselben RNA-Moleküle – vor allem miR-21 – fanden Kraus und ihre Kollegen in den arthrotischen Knorpeln, die sie untersuchten. Bei der Menge der miRNAs beobachteten sie erneut einen Gradienten zwischen Knöchel, Knie und Hüfte. Darum überprüften sie im nächsten Schritt, ob es einen Zusammenhang zwischen miRNA und dem Alter der Knorpelproteine gab – und tatsächlich: Je mehr miRNA im Knorpel vorhanden war, desto jünger waren die Proteine dort insgesamt.

Ob die RNA-Moleküle im Knorpel wirklich eine Art Reparatursignal sein könnten, testete das Team, in dem es als Kontrolle normal dickes Knorpelmaterial aus der Unfallchirurgie verwendete. Hier fand es deutlich geringere Mengen an miR-21, miR-31 und miR-181-C. Außerdem fehlten dem gesunden Gewebe etwa 50 Proteine, die die Forscher im Knorpel von Arthrosepatienten identifiziert hatten. Diese Proteine – es handelte sich größtenteils um Kollagene – bildet der Knorpel offenbar als Antwort auf die miRNAs.

Knorpelgewebe dient unseren Gelenken als eine Art Schutzschicht und verhindert, dass Knochen auf Knochen reibt. Nutzt sich der Knorpel auf Grund von Verletzungen, Fehl- oder Überbelastung stark ab, spricht man von Arthrose. Dass sich Knorpelgewebe bis zu einem gewissen Maß nachbilden kann, war bereits bekannt. Wodurch der Mechanismus ausgelöst wird und weshalb er in verschiedenen Gelenken unterschiedlich gut funktioniert, darüber weiß man wenig. Laut Kraus und Kollegen kann man mit einem Cocktail aus den richtigen miRNAs die Regeneration arthrotischer Gelenke fördern oder gar den Verschleiß aufhalten. Dazu müsste man allerdings – zunächst in der Kulturschale – beweisen, dass die Moleküle, wenn sie künstlich zugegeben werden, tatsächlich das Knorpelwachstum fördern.

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