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Umweltverschmutzung: Mikroplastik verändert das Darmmikrobiom von Seevögeln

Und wohl nicht zum Besten, wie eine aktuelle Studie ergibt: Denn je mehr Mikroplastik sich im Darm der Tiere sammelt, desto mehr krankheitserregende Bakterien entstehen.
Ein Eissturmvogel, Artname Fulmarus glacialis.
Ein Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) fliegt übers Meer. Die Tiere fressen nicht nur Plastikmüll, sondern nehmen auch Mikroplastik auf, das ihre Darmflora verändert.

Längst ist bekannt, dass Seevögel an Kunststoff verenden, weil sie im Wasser treibenden Plastikmüll mit Nahrung verwechseln und verschlingen. Doch offenbar können auch winzige Plastikpartikel den Tieren schaden, wie Forschende um Gloria Fackelmann von der Universität Ulm im Fachmagazin »Nature Ecology & Evolution« berichten. Das Mikroplastik, also Teilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind, verändert die Zusammensetzung des Mikrobioms im Vogeldarm: So nimmt die Zahl jener Bakterien ab, die für die Gesundheit der Vögel förderlich sind. Im Gegenzug steigt die Menge schädlicher Mikroben.

Für die Studie, die zugleich ihre Doktorarbeit war, untersuchte Fackelmann 85 verendete Seevögel der Arten Eissturmvogel (Fulmarus glacialis), die aus der Baffin Bay zwischen Kanada und Grönland stammten, und Corysturmtaucher (Calonectris borealis) von der portugiesischen Inselgruppe der Azoren. Beide Tierarten streifen in Hochseegebieten umher und ernähren sich von Meerestieren wie Krebsen und Fischen. Fackelmann beprobte die Kloake – das Geschlechts- und Ausscheidungsorgan – sowie den Drüsenmagen, anschließend identifizierte sie die Zusammensetzung der Inhalte mit Hilfe genetischer Analysen. Das Ergebnis: Je mehr Mikroplastik im Magen-Darm-Trakt der Vögel schlummerte, desto weniger gesundheitsfördernde Bakterien fanden sich und desto mehr Krankheitserreger oder antibiotikaresistente und Plastik abbauende Mikroben siedelten im Darm.

So konnte Fackelmann krankheitserregende Bakterien der Art Corynebacterium xerosis nachweisen. Ebenso stellte sie einen Anstieg von Parvimonas-Bakterien fest, wenn sich viel Mikroplastik im Magen-Darm-Trakt der Vögel angesammelt hatte. Die Mikrobe gilt laut den Forschenden als Hinweis auf die Entstehung von Darmkrebs, allerdings beim Menschen. Das ebenfalls detektierte Cetobacterium sei resistent gegen bestimmte Antibiotika. Besonders gefährlich sei Clostridium perfringens – das Bakterium kann bei Vögeln eine nekrotische Enteritis auslösen, eine Infektionskrankheit im Darm, die meist tödlich verläuft.

Ob das Mikroplastik sich tatsächlich derart auf die Gesundheit der Vögel auswirkt, können die Forschenden aber noch nicht sagen. Allerdings ist bekannt, dass die Darmflora die Nährstoffaufnahme, das Immunsystem, die körperliche Entwicklung wie auch das Verhalten eines Lebewesens beeinflusst. Es sei daher zu erwarten, so die Wissenschaftler, dass die Plastikpartikel den Seevögeln schaden. Das Mikroplastik könnte nicht nur Verletzungen im Körper anrichten, sondern das neuartige Mikrobiom könnte ebenso chemische Prozesse im Körper verändern. Womöglich ergeben sich zudem langfristige Folgen, da sich das Mikroplastik über die Vögel in der Nahrungskette anreichert.

Die Studienautorinnen und -autoren betonen, dass ihre Ergebnisse die Lebenssituation von Tieren in der freien Natur behandeln, aber dass ihre Untersuchungen genauso »die Frage aufwerfen, wie Menschen und ihre Darmgesundheit durch die Aufnahme von Plastik beeinträchtigt werden könnten« – denn auch Menschen seien Mikroplastik ausgesetzt.

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