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News: Peitschenknall

Eigentlich dachten Physiker schon Anfang des vorherigen Jahrhunderts, sie hätten die Ursache für das knallende Geräusch beim Schlag mit der Peitsche gefunden: einen Überschallknall. Doch gab der genaue Ursprung des kurzen Lautes bislang Rätsel auf. Diese scheinen nun aber zwei Wissenschaftler mit einer theoretischen Betrachtung endgültig gelöst zu haben.
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Gekonnt schwingt Indiana Jones seine Peitsche, reißt seinem Gegenüber die Waffe aus der Hand und lässt noch einmal die Rute knallen, sodass der verblüffte Schurke schnell das Weite sucht. Was "Indy" uns da so eindrucksvoll lässig vorführt, bedarf schon einiger Übung, denn so mancher hat sich beim Versuch, dem Lederriemen ein Geräusch zu entlocken, einen schmerzhaften Striemen über die Backe gezogen.

Aber was knallt eigentlich beim Peitschenschlag? Ganz einfach, dachten sich Physiker schon Anno 1905: Das sind Schallwellen, die von einem überschallschnellen Teil der Peitsche stammen. Es würde sich also um dasselbe Phänomen handeln, wie es jeder von Flugzeugen kennt, die die Schallmauer durchbrechen. Und so gelang es Forschern denn auch im Jahre 1927 mit Hochgeschwindigkeitsaufnahmen, die Luftbewegung jenes Überschallknalls zweifelsfrei nachzuweisen.

Soweit so gut, doch geriet die alte Vorstellung ins Wanken, als Forscher vor einigen Jahren die Beschleunigung der Peitschenspitze maßen: Beschleunigungswerte bis zum 50 000fachen der Erdbeschleunigung erreichte sie, doch zum Erstaunen der damaligen Wissenschaftler ließ sich der Knall erst in dem Moment vernehmen, als sich die Spitze bereits mit doppelter Schallgeschwindigkeit bewegte.

Vielleicht hat man als Einwohner von Arizona schon eine gewisse Affinität zu Peitschen, aber die Idee, sich mit dem Thema zu beschäftigen, kam Alain Goriely, seines Zeichens Mathematiker an der University of Arizona in Tucson, an anderer Stelle: Der Forscher sah – und vor allem hörte – die Kunst des Peitschenschlags nämlich während einer Vorführung traditioneller Tänze, als er sich in Ungarn aufhielt.

Goriely erinnert sich: "Ich erkannte, dass es sich um ein sehr ungewöhnliches Phänomen der Filament-Dynamik handeln muss. Als ich nach Hause kam, wälzte ich zunächst einmal die Literatur und fand dabei heraus, dass dazu bislang offenbar nichts Solides von theoretischer Seite her veröffentlich war. Ich beschloss also, mit Tyler daran zu arbeiten. Der erste Schritt dazu war der Kauf einer Peitsche – jeder sollte das mal machen."

Gesagt, getan – Goriely übte sich mit seinem Studenten Tyler McMillen im Peitschenschlag: Dabei gibt es prinzipiell zwei verschiedene Methoden, das Leder zu schwingen: zum einen den downward snap, zum anderen den forward crack. Der downward snap ist die etwas einfachere, intuitive Methode. Hier hebt man einfach den Griff der Peitsche etwas an und lässt ihn dann herunterschnellen, sodass sich eine Welle bis in die Spitze fortpflanzt. Etwas professioneller und eindrucksvoller ist aber der forward crack, bei dem der Griff gerade so in der Luft geschwungen wird, dass eine kleine Schlaufe entsteht, die dann schnell entlang des Lederriemens bis zu seinem Ende gleitet.

Gerade diese zweite Variante ließ es richtig knallen. Deshalb beschlossen Goriely und McMillen, hierfür eine einfache Bewegungsgleichung aufzustellen. Diese lösten sie und kamen dabei zu einem interessanten Ergebnis: Die Geschwindigkeit ist nämlich an der Spitze der Schlinge gerade doppelt so groß, wie die der Schlaufe selbst. Ähnliches kann man auch an einem Rad beobachten, dessen oberster Punkt sich auch stets doppelt so schnell bewegt wie das Rad selbst.

"Obwohl die Schlinge mit einer Geschwindigkeit gleitet, so bewegen sich doch bestimmte Teile der Peitsche – wie ihre Spitze zum Ende der Bewegung hin – mit doppelte Geschwindigkeit. Auch wenn diese Teile doppelt so schnell sind, ist es doch die Schlaufe selbst, die den Überschallknall auslöst", erläutert Goriely.

Wenngleich es bei anderen System nicht unbedingt zum Knall kommt, so ist der Bewegungsablauf beim Peitschen doch bei näherer Betrachtung gar nicht so ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick erscheint: Denn zum Beispiel lässt der Wurf der Angel beim Fliegenfischen – der roll-cast – die Schnur eine entsprechende Bewegung vollführen. Und auch der Schwanz von Spermien schlägt in ganz ähnlicher Weise zur Fortbewegung.

Für die Peitsche ist jedoch Übung gefragt, um es zu so hoher Kunstfertigkeit wie Indy zu bringen. Auch, wenn sich Goriely noch nicht als Profi bezeichnen möchte, so gelingen ihm doch die einfachen Hiebe, und er ermutigt alle, es ihm gleich zu tun: "Peitschen ist nicht so gefährlich, wie es aussieht, solange man nichts Unvernünftiges tut oder Drinnen übt – ich darf es jedenfalls nicht mehr Drinnen praktizieren!"

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