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Schwarzes Bilsenkraut: Berauschte Römer in den Niederlanden?

Ein hohler Knochen voll mit Samen des Schwarzen Bilsenkrauts. Jemand bewahrte das starke Halluzinogen vor rund 2000 Jahren in dem Behälter auf. Ob als Rausch- oder Heilmittel, ist unklar.
Behälter aus Knochen mit hunderten Samen des Schwarzen Bilsenkrauts.
In dem Knochen aus Houten-Castellum steckten hunderte Samen des Schwarzen Bilsenkrauts. Verschlossen war der Behälter mit einem Stöpsel aus Birkenpech.

Schmerzstillend, berauschend und falsch dosiert tödlich – das Schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) gilt seit Jahrtausenden als Pflanze mit starker Wirkung, sei es als Rausch- oder Heilmittel. Aus der Antike berichten davon Schriftquellen. Tatsächliche Funde, die für die damalige Zeit eine Verwendung als Gift- oder Heilpflanze bezeugen, waren aber bislang rar gesät. Nun berichten Fachleute um die Archäologin Maaike Groot von der Freien Universität Berlin von dutzenden Samenkörnern des Schwarzen Bilsenkrauts, die im römischen Houten-Castellum in den Niederlanden zum Vorschein kamen. Die fast 2000 Jahre alten Samen steckten in einem ausgehöhlten und mit einem Pechstöpsel verschlossenen Knochen. Womöglich handelte es sich dabei um eine Art Pillendöschen.

Archäologen entdeckten den Knochenbehälter bereits 2017 und stellen nun den Fund im Fachmagazin »Antiquity« vor. In römischer Zeit war Houten-Castellum eine bäuerliche Siedlung, in deren feuchtem Boden und unter Luftabschluss sich Objekte aus Knochen, Holz und anderen organischen Materialien sehr gut erhalten haben. So auch der gut sieben Zentimeter lange Beinknochen einer Ziege oder eines Schafs, der anfangs wohl mit mehr als 1000 Samen angefüllt war. Überdauert haben davon 382 Stück; der Rest ist offenbar bei anschließenden Untersuchungen zerfallen oder verloren gegangen. In dem hohlen Knochen hätte laut Groot und ihren Kollegen jedoch die beachtliche Menge von zirka 4000 Körnern Platz gehabt. Fachleute haben Spuren der Pflanze auch bei anderen Grabungen entdeckt, allerdings war meist unklar, ob die Überreste der natürlichen Vegetation entstammten oder Menschen das Bilsenkraut tatsächlich konsumiert hatten. Hyoscyamus niger gedeiht vor allem als Wildpflanze nahe Gewässern oder auf Kulturflächen.

Antike Autoren beschreiben das Nachtschattengewächs als Pflanze, die gegen diverse Arten von Schmerz, Fieber und Husten zum Einsatz gekommen sei. Sie erwähnen aber auch seine stark halluzinogene und narkotisierende Wirkung. Plinius der Ältere (23/24–79) warnt in seinem Mammutlexikon »Naturalis historia« vor dem Bilsenkraut; er betont, es sei Gift und Heilmittel zugleich. Aus den antiken Texten schließen Groot und ihr Team, dass die Menschen im Römischen Reich das Gewächs zu medizinischen Zwecken nutzten und seine gefährlichen Nebenwirkungen kannten. Der Samenbehälter untermauere nun die Annahme, so die Archäologin in einer Pressemitteilung, »dass Samen des Schwarzen Bilsenkrauts absichtsvoll in den römischen Niederlanden genutzt wurden«. Zu welchem Zweck genau, bleibt aber unbekannt.

Die Forschergruppe deutet den Knochen als Behälter. Ebenfalls möglich sei, dass es sich um eine Pfeife gehandelt habe – das würden schwarze Flecken am Knochen belegen. Allerdings hätten viele Gebeine, die im feuchten Boden von Houten-Castellum die Jahrhunderte überdauerten, eine dunkle Farbe angenommen, so die Ausgräber. Zudem sei keines der Samenkörner verkohlt. Das spreche gegen eine Deutung als Pfeife.

Schwarzes Bilsenkraut fanden die Ausgräber auch an anderer Stelle in Houten-Castellum: In einem Graben lag ein vollständiger Blütenstand neben einem Korb und Keramiktöpfen. Die Fachleute gehen davon aus, dass es sich um eine Art Opfergabe handelte. Ähnlich deuten sie den Fundort des Knochenbehälters, den sie auf die Zeit zwischen 70 und 100 n. Chr. datieren.

Die Einnahme des Schwarzen Bilsenkrauts ist gefährlich und kann tödlich enden. Alle Teile der Pflanze enthalten so genannte Tropanalkaloide. Besonders hoch ist deren Gehalt in den Samen. Es ist davon abzuraten, die Pflanze ohne medizinischen Rat zu konsumieren.

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