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Decoded: Smart Grids, intelligenter Schutz vor Stromausfällen

Intelligente Stromnetze könnten größere Stromausfälle verhindern. Derzeit sind sie allerdings noch ein leichtes Ziel für Hackerangriffe, erklärt das Video.
Decoded Smart Grids

Was würdest du tun, wenn dein Strom plötzlich ausfällt? Wenn du tage- oder wochenlang ohne Strom dastehst? Was, wenn deine ganze Stadt betroffen wäre? Die Sorge um einen solchen Stromausfall mag weit hergeholt klingen. Allerdings ist sie nicht unberechtigt. Im Februar 2021 fiel das Stromnetz in Texas aus. Mehr als 4,5 Millionen Haushalte blieben ohne Strom. Monate später bedrohten Dürren und Waldbrände die Stromversorgung im Westen der USA.

Die American Society of Civil Engineers hat dem veralteten US-Energiesektor die Note C- gegeben. Das ist eine 3 minus. Einige Komponenten des Stromnetzes seien schon mehr als ein Jahrhundert alt – bei einer geplanten Haltbarkeit von 50 Jahren. Aber was genau ist eigentlich das Stromnetz? Und wie kann ein Smart Grid, ein intelligentes Stromnetz, vor einem großen Stromausfall schützen?

© Scientific American / Spektrum der Wissenschaft
Wie intelligent sind Smart Grids?
Extremwetter bedrohen unsere Stromversorgung. Intelligente Stromnetze könnten Abhilfe schaffen. Doch wie funktionieren Stromnetze überhaupt? Und was macht sie smart? Antworten liefert das Video.

Innerhalb des Stromnetzes fließt der Strom von Generatoren, also etwa Turbinen und Solaranlagen, über Hochspannungsleitungen und Verteilernetze bis in die Steckdosen, Lampen oder Ladestationen für Elektroautos. Die Netzbetreiber müssen Angebot und Nachfrage ständig überwachen und ausgleichen: Ein Ungleichgewicht kann den Kraftwerken schaden. Um das zu vermeiden, haben Energieversorger verschiedene Optionen, den Lastabwurf etwa. In diesem Fall werden einige Haushalte vom Netz getrennt. Die Generatoren können sich auch selbst abschalten, um Schäden zu vermeiden. Das kann zu einer Kettenreaktion mit großflächigen Stromausfällen führen. Zudem können Wind- und Solaranlagen das Gleichgewicht durcheinanderbringen, denn sie liefern nur unbeständig Strom.

Smart Grids erkennen leichte Unausgewogenheiten schneller als die bisherigen Netze und passen sich an, damit die Probleme nicht größer werden. Ihre Sensoren überwachen das Netz fortlaufend. Und mehrere Steuereinheiten regulieren, wie viel Strom durch die Leitungen fließt. Gesteuert wird das Ganze von Computern, die das Netzwerk jederzeit anpassen können, um es noch effizienter zu machen.

Was genau ist ein Virus? Wie lernen Maschinen? Und was passiert in einem Schwarzen Loch? In der Videoserie »Decoded« von »Scientific American« und »Spektrum der Wissenschaft« entschlüsseln wir grundlegende Fragen aus Forschung und Wissenschaft.

See the English-language version at »Scientific American«.

Doch zunächst blicken wir auf die Anfänge des Stromnetzes zurück: Am 4. September 1882 schaltete Thomas Edison persönlich das Stromnetz der USA ein. Er hatte das erste Kraftwerk des Landes in New York City bauen lassen. Zu Beginn versorgte es etwa 80 Kunden in Manhattan mit ausreichend Strom für 400 Lampen. Edison verwendete Gleichstrom, auf Englisch »DC«, bei dem der Strom immer in eine Richtung fließt. Wegen der niedrigen Stromspannung konnte das Kraftwerk nur Haushalte in einem kleinen Radius beliefern.

Der Erfinder und Wissenschaftler Nikola Tesla fand Edisons Ansatz falsch. Er befürwortete ein Wechselstromsystem, kurz »AC«. Das heißt, der Strom wechselt in schneller Folge die Richtung. Wechselstromnetze sind schwer zu errichten, weil Frequenz, Spannung und Phase bei allen Generatoren perfekt synchronisiert sein müssen. Jahrelang befanden sich Edison und Tesla in einem Stromkrieg. Am Ende gewann Tesla. Auch, weil elektrische Transformatoren erfunden wurden, die den Wechselstrom in eine höhere Spannung umwandelten und dadurch transportfähig machten. Am Zielort wurde die Spannung wieder reduziert, damit der Strom sicher genutzt werden konnte.

Um 1920 hatten die meisten städtischen Regionen in den USA Strom, die ländlichen Regionen dagegen erst in den 1930er Jahren. Neue Kraftwerke und Stromleitungen waren teuer. Deshalb ließen die Bundesstaaten zu, dass Stromanbieter Monopole bildeten. Dafür bekamen alle Menschen einen Stromanschluss. Während des Ersten Weltkriegs waren die Stromkapazitäten mancherorts ausgeschöpft. Um Ressourcen zu bündeln, legten immer mehr Regionen ihre Netze zusammen. Bis Nordamerika nur noch fünf Stromnetze hatte: im Osten, Westen, in Quebec, Alaska und Texas.

In den 1970er Jahren öffnete der Kongress die Stromleitungen für Unternehmen, die billigeren Strom erzeugen konnten. Daraufhin bezogen viele Versorger ihren Strom aus entfernteren Quellen. Die Versorgungskette war für solche Lasten nie ausgelegt. Und die gemeinsamen Leitungen wurden nie ausgebessert. Das machte sich in den frühen 2000er Jahren bemerkbar. Im Jahr 2003 zerstörten Äste einige Stromleitungen in Ohio. 50 Millionen Menschen waren ohne Strom.

Inselnetze sollen große Stromausfälle verhindern

Eine Echtzeitüberwachung des Netzes könnte Abhilfe schaffen: Sie erkennt die Warnzeichen eines drohenden Stromausfalls. Dann können die Ausfälle auf einen kleinen Bereich begrenzt oder ganz verhindert werden. Im Jahr 2007 forderte der Kongress die Entwicklung eines »intelligenten Stromnetzes«. Seitdem hat die Regierung Milliarden Dollar in dieses Ziel investiert.

Viele intelligente Stromnetze sollen aus Microgrids, auf Deutsch »Inselnetzen«, bestehen. Das sind lokale Stromnetze, die kleine Gebiete versorgen und gleichzeitig an ein größeres Netz angebunden sind. Der Vorteil: Wenn eine Leitung ausfällt, kann das zugehörige Inselnetz abgetrennt werden. Dadurch breitet sich der Stromausfall nicht weiter aus. Intelligente Netze könnten auch neuartige Fernverbindungen beinhalten, die mit Gleichstrom arbeiten. In solchen Gleichstromleitungen lässt sich die Energie über größere Entfernungen effizienter transportieren als früher. Und erneuerbare Energiequellen produzieren ohnehin häufig Gleichstrom. Kommt mehr Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen, braucht es riesige Batteriespeicher, die sich schnell ein- und ausschalten lassen. Sie sollen den Strombedarf an Tagen mit wenig Sonne oder Wind decken.

Ein intelligentes Stromnetz löst aber nicht alle Probleme. Die Generatoren an sich müssen widerstandsfähiger gegen Extremwetter werden. Das tritt auf Grund des Klimawandels immer häufiger auf. Auch Wohnhäuser müssen energieeffizienter werden. Intelligente Stromnetze haben außerdem Schwachstellen. Viele elektrische Systeme sind an Computernetzwerke angeschlossen. Entsprechend hoch ist die Gefahr für Hackerangriffe. Russische Hacker sind bereits mindestens einmal in amerikanische Energieunternehmen eingedrungen. Wie verwundbar die Netzwerke tatsächlich sind, wird sich noch zeigen.

Nicht nur Smart Grids sind gefährdet. Auch Generatoren, die nicht an das Internet angeschlossen sind, lassen sich mit Cyberangriffen lahmlegen. Früher oder später werden intelligente Stromnetze viel sicherer sein als das derzeitige System. Sie versprechen eine zuverlässige und wirtschaftliche Infrastruktur, die gegen Bedrohungen gewappnet ist.

Immer mehr Geräte gehören zu unserem digitalen Alltag. Sie alle brauchen viel Strom. Wie der Strom nach Hause kommt, fragen sich wohl die wenigsten von uns. Wie wichtig etwas ist, merkt man oft erst, wenn es plötzlich fehlt.

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