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SpaceX: Starlink Megakonstellation zwischen Start und Klage

Ist die Ästhetik des Nachthimmels durch das Umweltrecht geschützt? In den USA soll ein Gericht darüber entscheiden. Anlass ist das umstrittene Starlink-Satellitennetz, das am Himmel strahlt und Astronomen die Arbeit erschwert.
In diesem Foto, das am 6. Mai 2021 mit einer langen Belichtung aufgenommen wurde, zieht eine Reihe von SpaceX StarLink-Satelliten über ein altes Steinhaus in der Nähe von Florence.

Sollte die natürliche Schönheit des Nachthimmels gesetzlich geschützt sein, oder sollte der Himmel jedem offenstehen, um ihn nach eigenem Ermessen zu nutzen? Mit dieser Frage haben sich zuletzt viele auseinandergesetzt. Denn seit gut zwei Jahren ziehen riesige Gruppen von Satelliten am Firmament entlang, auch Megakonstellationen genannt. Die Zahl der Gerätschaften geht schon jetzt in die Tausende.

Prominentes Beispiel für solch eine Megakonstellation ist das stetig wachsende Starlink-Netzwerk des kalifornischen Unternehmens SpaceX. Erklärtes Ziel ist es, schnelles Internet für alle von Menschen besiedelten Regionen der Welt zu bieten – zu dem potenziellen Preis, dass der Himmel verschandelt wird, da die Satelliten in der Umlaufbahn das Sonnenlicht auf den Boden reflektieren.

Schätzungen zufolge werden in den kommenden Jahren tausende Satelliten zu jeder beliebigen Stunde am Nachthimmel zu sehen sein. Nun könnte ein US-Gericht erstmals ein Urteil zu dem Thema fällen. Unabhängig vom Ausgang könnte die Entscheidung sich auf die gesamte Satellitenindustrie sowie die Astronomie auswirken. Je nach Ergebnis könnte die Frage zu den Nutzungsrechten des Himmels gar vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten verhandelt werden.

Kommunikationsunternehmen Viasat will Starlink rechtlich bewerten lassen

Anstoß zur rechtlichen Debatte hatte 2020 ein Artikel im »Vanderbilt Journal of Entertainment and Technology Law« gegeben. Demnach könnte die für die Freisetzungserlaubnis zuständige US-Behörde Federal Communications Commission (FCC) im Fall von SpaceX gegen geltendes Umweltrecht verstoßen haben, insbesondere gegen den National Environmental Policy Act (NEPA). »Scientific American« und »Spektrum« berichteten. Zwar gilt durch eine Klausel von 1986, dass kaum eine der FCC-Aktivitäten im Hinblick auf NEPA geprüft werden muss. Der Verfasser des Artikels argumentierte jedoch, im Hinblick auf die aktuellen Entscheidungen der FCC – vor allem die Lizenzierung von Satelliten im Weltraum – solle das nicht mehr gelten. »Aus rechtlicher Sicht ist es klar, dass die FCC den NEPA nicht befolgt«, sagt Ramon Ryan, der kürzlich sein Jurastudium an der Vanderbilt University abgeschlossen hat und Autor des Artikels ist.

Allerdings ist umstritten, ob NEPA auf den Weltraum ausgedehnt werden sollte. Kein Gericht hat über diese Frage entschieden. Bis jetzt: Das in Kalifornien ansässige Kommunikationsunternehmen Viasat, das einen konkurrierenden Satelliten-Internetdienst betreibt, hat beim U. S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit einen Antrag auf eine Neubewertung der Lizenzierung einiger Starlink-Satelliten durch die FCC gestellt.

Obwohl sich der Antrag nur auf eine kürzliche Änderung bezieht, die die geplante Flughöhe von etwa 3000 Starlink-Satelliten verringert, könnte dies einen Präzedenzfall schaffen, der die Behörde zwingt, die Auswirkungen zukünftiger Satellitenlizenzen auf den Nachthimmel zu berücksichtigen. »Die FCC ist sehr verwundbar«, sagt ein ehemaliger FCC-Beamter. »Ich glaube nicht, dass sie einem Gericht erklären können, warum NEPA nicht anwendbar ist.«

»Alle sind sich einig, dass das, was passiert, einen Einfluss auf die Atmosphäre, den Nachthimmel und den Weltraum hat«
John Janka, Viasat Chief Officer

Viasat bezieht sich unter anderem auf den Einfluss der Satelliten auf den Nachthimmel und bittet das Gericht, die Genehmigung der 3000 Starlink-Satelliten zu stoppen, während eine NEPA-Umweltprüfung läuft. »Alle sind sich einig, dass das, was passiert, einen Einfluss auf die Atmosphäre, den Nachthimmel und den Weltraum hat«, sagt John Janka, Chief Officer von Viasat's global regulatory and government affairs. »Aber niemand hat die Auswirkungen quantifiziert oder bestimmt, wie man sie am besten abmildert.« Deshalb bittet Viasat das Gericht, »die Regeln für uns alle zu klären«, sagt er. »Unsere Firma gibt es seit 35 Jahren. Wir planen, für die absehbare Zukunft aktiv zu sein, und wir sind sehr besorgt über das, was hier passiert.«

Der Ausgang des Falles könnte das erste Schriftstück der US-Gerichte darüber liefern, ob die natürliche Ästhetik des Nachthimmels durch das Umweltrecht geschützt ist. »Es ist spannend, ob das Gericht mit meiner Analyse übereinstimmt«, sagt Ryan.

Der Surpreme Court tendiert zu Einschränkung des NEPA

Der Prozess dürfte sich hinziehen. Es könnte bis zu einem Jahr oder länger dauern, bis eine Entscheidung getroffen ist. Doch wie auch immer das Verfahren ausgeht, die unterlegene Partei – sei es Viasat oder die FCC – hätte die Möglichkeit, den Fall zu überprüfen. »Es besteht eine nicht unerhebliche Chance, dass dies bis zum Obersten Gerichtshof geht«, sagt Kevin Bell von der gemeinnützigen Organisation Public Employees for Environmental Responsibility.

Angesichts der Tatsache, dass das höchste Gericht der USA durch Ernennungen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump eher konservativ eingestellt ist und daher im Allgemeinen eine Einschränkung des NEPA befürwortet, könnte dieses Szenario die FCC begünstigen, sagt Bell. Die FCC lehnte eine Anfrage ab, sich zu den laufenden Rechtsstreitigkeiten zu äußern.

Zugegeben, die Chancen, dass der Fall den Supreme Court erreicht, sind relativ gering, sagt Sarah Bordelon, eine in Nevada ansässige Umweltanwältin bei der Kanzlei Holland & Hart. Eine Prüfung durch den Supreme Court sei ziemlich unwahrscheinlich, sagt sie, wenn man bedenkt, dass jedes Jahr Tausende von Fällen zur Überprüfung eingereicht werden, von denen nur eine kleine Anzahl ausgewählt wird. Doch selbst wenn der Fall nicht den Supreme Court erreicht, könnte das Ergebnis des Berufungsgerichts »neue NEPA-Gesetze schaffen«, sagt Bordelon. »Es wird ein Präzedenzfall sein.« Das mache es wert, die Entwicklungen zu verfolgen.

Bald könnten 65 000 Satelliten im Orbit sein

Ein Ergebnis zu Gunsten von Viasat könnte für viele Astronomen eine willkommene Nachricht sein. Derzeit geht man davon aus, dass sich Megakonstellationen stark auf ihre Himmelsstudien auswirken werden. Wenn alle öffentlich bekannten Pläne für solche Systeme umgesetzt werden – einschließlich der Megakonstellationen aus den USA, China und Großbritannien –, könnte es bald etwa 65 000 Satelliten im Orbit geben. Momentan sind es rund 4000.

Eine aktuelle Analyse von Samantha Lawler von der University of Regina in Saskatchewan und Aaron Boley von der University of British Columbia zeigt, dass in diesem Fall »mehr als 2500 Satelliten während des Sommers die ganze Nacht sichtbar wären«, sagt Lawler. »Ich war wirklich erschrocken, als ich diese Zahl sah. Der Großteil der Bevölkerungen Nordamerikas und Europas würde [künftig] potenziell mehr Satelliten als Sterne sehen. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass meine Kinder mit so etwas aufwachsen.«

»Es wird einige unbrauchbare Daten geben und einige Dinge, die wir nicht entdecken können«
Meredith Rawls, Astronomin

Diese Satelliten würden die astronomische Erforschung des Universums erheblich behindern: Streifen von ihnen würden sich auf die Durchmusterung des Nachthimmels und die Abbildung entfernter Sterne und Galaxien auswirken, was eine gewisse Zahl an Beobachtungen im Wesentlichen unbrauchbar machen würde. »Es wird einige nicht verwertbare Daten geben und einige Dinge, die wir nicht entdecken können«, sagt Meredith Rawls von der University of Washington, die eine Gruppe leitet, die den Umgang mit Megakonstellationen für eine virtuelle Konferenz namens Satellite Constellations 2 (SATCON2) nächsten Monat bewertet. »Das beunruhigt mich am meisten.«

Die Veränderung des Nachthimmels würde sich auch auf Kulturen auswirken – mit unvorhergesehenen Folgen. »Ein gutes Beispiel ist die hawaiianisch-polynesische Tradition der Wegfindung«, sagt Aparna Venkatesan von der University of San Francisco, die für SATCON2 derlei mögliche Konflikte untersucht. »Es ist eine himmlische, nicht instrumentelle Navigation, bei der man Wind und Meeresströmungen, aber auch die Sterne liest. [Natürliche] Konstellationen in der Morgendämmerung und Abenddämmerung sind sehr wichtig. Wir wollen sicherstellen, dass [Satelliten] nicht mit [solchen] kulturellen Traditionen interferieren.«

Es gibt Bemühungen, die Auswirkungen von Megakonstellationen auf die Astronomie zu verringern. SpaceX, das bereits mehr als 1400 Starlink-Satelliten gestartet hat, arbeitet mit Astronominnen und Astronomen zusammen, um die sonnenbeschienenen, blendenden Satelliten zu reduzieren, mit einigem Erfolg. Doch auch wenn sie nun fast so schwach sind, dass sie keine Probleme für große Untersuchungen des Nachthimmels darstellen, werden sich in anderen Fällen weiter für Ablenkung sorgen. »Um sie in den Bereich ›unbedenklich‹ zu bringen, müssten sie mindestens 100-mal dunkler sein«, sagt Richard Green von der University of Arizona, der eine SATCON2-Gruppe leitet, die sich mit politischen Fragen rund um Megakonstellationen beschäftigt. »Das geht über den Bereich des physikalisch Möglichen hinaus.«

Auf der Jagd nach Regulierung

Selbst wenn SpaceX bereit ist, sich freiwillig mit den Auswirkungen seiner Satelliten auf den Nachthimmel auseinanderzusetzen, gibt es Bedenken, dass andere Länder und Unternehmen nicht so kooperativ sein könnten. China, das den Start einer Konstellation von 13 000 Satelliten plant, hat sich bezeichnenderweise nicht zu diesem Thema geäußert. Lynk, ein US-amerikanisches Unternehmen, das 5000 Satelliten starten will, reagierte nicht auf eine Anfrage nach einem Kommentar. Amazon plant eine mehr als 3000-köpfige Project Kuiper-Konstellation, und ein Sprecher des Unternehmens sagte gegenüber »Scientific American«, dass die Reflektivität seiner Satelliten eine »Schlüsselüberlegung« sei und dass sie so ausgerichtet würden, dass »reflektierende Oberflächen während des Orbits minimiert werden«. Amazon hat jedoch keine Details über das Design seiner Satelliten veröffentlicht.

Die in Großbritannien ansässige Firma OneWeb hat mehr als 200 Satelliten in einer geplanten Konstellation von 648 gestartet und hat eine Lizenz für tausende weitere beantragt. Ein Sprecher von OneWeb sagte gegenüber »Scientific American«, dass man Gespräche mit astronomischen Gruppen geführt habe, »um die Auswirkungen von Satelliten auf die Beobachtungsaktivitäten zu verstehen«, und dass man »Helligkeitsmessungen durchführe«, lehnte es aber ab, Details zu irgendwelchen konstruktiven Maßnahmen zu nennen, die die Firma erwägt, um das Problem anzugehen.

Außerhalb der USA sind Bestrebungen im Gange, neue internationale Regeln für die Helligkeit von Satelliten durch die Vereinten Nationen aufzustellen. Im April 2021 legte Piero Benvenuti, ehemaliger Generalsekretär der Internationalen Astronomischen Union, dem Komitee der Vereinten Nationen für die friedliche Nutzung des Weltraums einen Bericht über die Auswirkungen von Satelliten auf die Astronomie und den Nachthimmel vor. Obwohl die Diskussionen viel versprechend waren und 18 von 90 Delegationen die Ergebnisse unterstützten, wurde kein Konsens über das Ergreifen von Maßnahmen erreicht. Die Angelegenheit wird bei einem Treffen im August erneut diskutiert werden, und eine Konferenz im Oktober wird sie weiter untersuchen. »Unser Ziel, das sehr schwer zu erreichen sein wird, ist es, eine Regelung zu bekommen, die die negativen Auswirkungen auf die Astronomie abmildert«, sagt Benvenuti. »Ich bin ein bisschen skeptisch. Das Beste, was wir erreichen können, [könnte] eine Reihe von Richtlinien sein.«

Wie auch immer die Diskussionen in der UNO ausgehen oder die rechtlichen Schritte in den USA, es scheint immer wahrscheinlicher, dass Astronomen und die Öffentlichkeit einfach lernen müssen, mit Megakonstellationen zu leben. Und während viele hoffen, dass die Auswirkungen dieser Satellitenschwärme so weit wie möglich gemildert werden können, läutet ihre Ankunft auch eine neue Ära in der Nutzung des Weltraums ein, in der häufige, kostengünstige Starts – und eine immer größer werdende Menge an orbitalem Durcheinander – zur Norm werden. »Die Entstehung dieser großen Konstellationen ist ein grundlegender Wandel in der Art und Weise, wie wir den Weltraum nutzen«, sagt Brian Weeden von der Secure World Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für Nachhaltigkeit im Weltraum einsetzt. »Selbst wenn das Gericht entscheidet und sagt, dass NEPA für den Nachthimmel gilt, ist das erst der Anfang.«

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