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News: Stress ist affig

Was hat eine Affenhorde mit einem Büro gemein? Stress! Natürliche Feinde sind keine Bedrohung und die Nahrungssuche kein Problem, also ist das Miteinander selbst die Ursache für Überforderung und gesundheitliche Probleme. Hier wie da besteht das Leben aus Freundschaften, Bündnissen und Hierarchien, und hier wie da sind Bluthochdruck und Arterienverkalkung die Folge.
Schon so mancher Zoobesucher, der vor dem Paviangehege verweilte, mag sich spontan an die Verhältnisse an seinem Arbeitsplatz erinnert haben. Da werden Entscheidungen von oben herab getroffen, Ellenbogen benutzt und strategische Bündnisse geschmiedet. Das alles kann recht stressig sein – und zwar sowohl in der Firma, als auch im afrikanischen Busch. Gerade die westlichen Gesellschaften unterscheiden sich überraschend wenig von einer Pavianhorde. Hunger, Seuchen und natürliche Feinde sind für Mensch und Affe weitgehend ohne Bedeutung, und so erwachsen die alltäglichen Herausforderungen vor allem aus dem komplexen Miteinander.

Seit Jahrzehnten beschäftigt sich Robert Sapolsky vom Neurosciences Program der Stanford University mit den Paviangesellschaften Kenias und stieß dabei auf Verhaltensweisen, die ihm nur allzu bekannt vorkamen. Da müssen Stellungen behauptet und Weibchen erobert, Freundschaften geknüpft und Freizeiten gestaltet werden. So ein Paviantag kann also ziemlich stressig sein. Doch leiden Paviane deshalb auch unter ähnlichen Beschwerden wie wir? Zur Beantwortung dieser Frage untersuchte Sapolsky das Blut betäubter Paviane des Serengeti-Nationalparks, die sich in ganz unterschiedlichen, alltäglichen Situationen befanden. Und tatsächlich spiegelten sich Rang und individuelle Persönlichkeit der Affen in der unterschiedlichen Produktion von Stresshormonen, Antikörpern und Cholesterin wider. Jene Tiere, die langfristig unter erhöhtem Druck standen, litten genauso an hohem Blutdruck und Arterienverkalkung, wie der überforderte Europäer oder Amerikaner.

Da die Weibchen wegen ihres Nachwuchses nicht ohne Risiko betäubt werden konnten, basieren Sapolskys Ergebnisse vor allem auf den Männchen der Herde. Ob sie unter Stress leiden, ist offenbar nicht nur von der Position innerhalb der Hierarchie abhängig, sondern vor allem von dem eigenen "Stressmanagment". Tiere, die sich ihre Zeit mit dem Lausen vertreiben oder mit dem Nachwuchs balgen, sind viel weniger gestresst. Gleiches gilt für alle Tiere einer Gruppe, wenn die Ränge stabil sind. Obwohl es auch dann gleichwohl zu Rangeleien kommt, die wiederum den Boss weniger stressen als die Untergebenen. Doch auch bei Auseinandersetzungen gibt es eine stressärmere Strategie, nämlich die der Selbstbewussten und Entscheidungsfreudigen, die eine Situation rasch richtig einschätzen können. Sie hadern nicht, sondern sorgen unverzüglich für Klarheit - sei es, indem sie austeilen oder das Weite suchen.

Selbstbewusste Paviane, die - wenn nötig - das Zepter in die Hand nehmen, ansonsten aber entspannt den Tag genießen, haben also die besten Aussichten auf ein langes Leben. Und dies gelingt am ehesten, wenn Pavian viele Freunde und wenig Feinde hat. Somit drängen sich dem Zoobesucher entsprechende Assoziationen also geradezu auf. Aber wieso sollte es uns auch anders gehen als unseren nächsten Verwandten?

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