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Stoffkreislauf nach Vulkanausbruch: Überraschender Treibstoff für Vulkan-Algenblüte

Vulkane sorgen auch für neues Leben: Sie beliefern Algen im Ozean mit Nährstoffen in Massen. Das funktioniert allerdings etwas anders als vermutet.
Ausbruch des Kilauea auf Hawaii

Algen wachsen im Ozean stetig und unaufhörlich, wenn sie bei angenehmen Temperaturen ausreichende Mengen von Nährstoffen verarbeiten können – und überwuchern dann gerne ganze marine Ökosysteme in Form grünlichem Schlamms oder als braune Flut gigantischen Ausmaßes. Weniger schleichend und eher spektakulärer sind dagegen die explosionsartigen Algenblüten, die sich nach einem sehr plötzlichen Nährstoffschub abspielen – so einem, wie ihn der ins Meer fließende Lavastrom des Vulkans Kīlauea auf Hawaii 2018 geliefert hat. Damals hatten die Algen vor Ort schon drei Tage nach dem Ausbruch wie wild zu wachsen begonnen, dann zwei Monate gewuchert und ihre Ausbreitung erst nach Monaten eingestellt, als die Lava des Vulkans nicht mehr in den Ozean lief. Ein Forscherteam hatte dieses Zeitfenster für Monate genutzt, um die Umwälzungen im Ökosystem im Detail zu dokumentieren – und fasst in einer Veröffentlichung in »Science« nun neben ein paar naheliegenden auch mindestens eine überraschende Schlussfolgerung aus den gesammelten Daten zusammen.

Samuel Wilson von der Universität Hawaii und sein vielköpfiges Kollegenteam hatten nach dem Ausbruch schnellstmöglich begonnen, mit Sammelgefäßen vom Schiff aus und einer Tauchdrohne Wasserproben im Ozean um den Ausbruchsort herum einzuholen. Am Ende konnten sie sich so ein detailliertes Gesamtbild von der Entwicklung von chemischen Inhaltstoffen im Meerwasser und dem Wachstum der Algen über die Wochen nach dem Ausbruch machen. Natürlich hatten die Forscher erwartet, dass die Algenpopulation sich bald nach dem Ausbruch deutlich verändert und stark anwächst: Man vermutete lange, dass Lavaströme größere Nährstoffmengen ins Wasser tragen, und weiß längst, dass Eisen aus der abregnenden Asche die Blüte massiv antreiben kann. Überraschend war für die Forscher allerdings ein plötzlicher Anstieg von Nitrat im Ozean beim Kīlauea – der sich ereignete, obwohl in der Lava des Vulkans kaum nennenswerte entsprechende Stickstoffverbindungen nachzuweisen sind.

Algenblüte nach dem Ausbruch | Nach Vulkanausbrüchen strömt Lava ins Meer und startet eine massive Algenblüte – wie hier auf der Luftaufnahme zu erkennen ist, die während des Kilauea-Ausbruchs entstanden ist. Der Nährstoffeintrag geht dabei allerdings nicht unbedingt auf das Konto der Lava selbst: Ihre Wärme treibt tiefes, nährstoffhaltiges Wasser nach oben und versorgt so die wachsende Masse an größeren Phytoplanktonorganismen.

Ganz offensichtlich, so Wilson und Co, stammt das Nitrat aus anderen Quellen: aus tiefen Meeresschichten, die in der Folge des Lavaeinstroms stark erhitzt werden, im Wasserkörper auftreiben und dabei die in ihnen gelösten Nährstoffe mit sich tragen. Tatsächlich zeigen Isotopenuntersuchungen des Nitrats einen Ursprung in der Tiefsee. Die Signaturen von Sauerstoff und Stickstoff unterscheiden sich deutlich von Grundwassernitrat an Land oder biologisch fixiertem Nitrat aus den höheren Wasserschichten. Auch das Zeitmuster der Algenblüte passt zu der Theorie. Der Nitratschub geht der Blüte voraus und beginnt erst zu dem Zeitpunkt, an dem das Aufwallen des vom Lavastrom erwärmtem Tiefenwasser abgeschlossen ist, wie Modellrechnungen der Forscher nahelegen.

Spannende Entwicklungen zeigen die Messungen am Vulkan nicht nur mit Blick auf den Stickstoffkreislauf nach einem Vulkanausbruch, der sich in einer relativ nährstoffarmen Meeresregion wie der um die Hawaii-Inseln ereignet. Denn die nährstoffschubgetriebene Algenblüte verändert zudem die Artenzusammensetzung des Phytoplanktons drastisch, wie die Beobachtungen bestätigen: Wo in den tropischen Meeren sonst eher kleine Zyanobakterien vorherrschen, wachsen nun plötzlich vor allem große, stoffwechselaktive Kieselalgen sowie die typische Algenblütengattung Trichodesmium, die als Stickstofffixierer weiteren Nährstoffnachschub liefert. Zusammen mit dem eingetragenen Eisen aus der Vulkanasche sind dem weiteren Wachstum der Turboalgen dann zunächst keine Grenzen gesetzt – was schließlich auch wieder den Kohlenstoffkreislauf ankurbelt. Die gut versorgten Diatomeen verstoffwechseln deutlich mehr Kohlendioxid und sorgen so dafür, das viel mehr CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und anschließend in der Tiefsee fixiert wird. Das alles bewirkt einen bislang womöglich unterschätzen positiven Effekt der drastischen Algenblüte. Nach Berechnungen des Teams um Wilson könnten die neu herangewachsene Algen am Ende annähernd ebenso viel CO2 zusätzlich aufgenommen haben, wie der Vulkan bei seinem Ausbruch in die Luft geblasen hat: rund zehn Millionen Kilogramm Kohlendioxid pro Tag.

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