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Akustische Tarnung: Walmütter flüstern mit den Kindern

Viele Wale sterben aus vielen Gründen allmählich aus - kaum jedoch, weil hungrige Meeresräuber sie verspeisen. Denn auch die verletzlichen Jungtiere müssten die Jäger erst einmal finden.
Nordkaper

Große Wale haben im Meer wenige Feinde: Sie müssen sich höchstens von sehr hungrigen Haischwärmen oder Orcas in Acht nehmen. Selbst die werden aber höchstens einem sehr geschwächten Tier gefährlich – oder einem Jungtier. Auf die noch nicht wehrhaften Jungen müssen Waleltern allerdings gut aufpassen – und sie tun dies vor allem mit einer akustischen Verschleierungstaktik, berichten Forscher um Susan Parks von der Syracuse University nun in den »Biology Letters«.

Parks' Team untersucht bereits seit Längerem das Verhalten und die akustische Kommunikation von Atlantischen Nordkapern (Eubalaena glacialis) im Atlantik, ist jedoch erst bei ihrer neuesten Studie auf ein bisher verborgen gebliebenes Geheimnis der Walgesänge gestoßen: Walmütter dämpfen ihre Stimme in der Gegenwart ihrer Kälber, wie Aufnahmen mit einem neuen Typ Unterwassermikrofon ergaben, das per Saugnapf angebracht wurde. Die Rufe der Mutter sind dabei so leise, dass sie in einigen Metern Entfernung kaum mehr gehört werden.

Damit verhindern die Tiere offenbar, von Haien oder Orcas entdeckt zu werden, spekuliert Parks. Im Normalfall kommunizieren erwachsene Nordkaper untereinander mit den typischen weit schallenden Walrufen. Nur Mütter mit jungem Walnachwuchs verzichten auf diese Rufe fast völlig und benutzen stattdessen die nun erstmals aufgezeichneten Flüsterrufe – die von schwangeren Walen oder größeren Jungtieren, welche durch Räuber kaum gefährdet sind, dagegen nie zu hören sind. Wahrscheinlich gelingt es Haien und Orcas daher gar nicht erst, junge Wale aufzuspüren, wenn die Familienmitglieder ihren Standort nicht durch den waltypischen Geräuschpegel verraten. Im Untersuchungsgebiet vor der Ostküste der USA dürfte das von Vorteil sein: Hier sind Weiße Haie (Carcharodon carcharias) schon dabei beobachtet worden, wie sie kleinere Schwertwale jagen. Sie könnten akustisch enttarnte junge Nordkaper daher durchaus gefährlich werden.

Vielleicht sind die Flüsterrufe allerdings auch eine Folge der typischen Verhaltensweisen und Sozialstrukturen der Nordkaper, vermuten die Walforscher um Parks. Anders als andere Wale – außer dem Buckelwal – trennen sich die Nordkapermütter mit ihren Kälbern wohl häufig von ihrer Walschule, wie aus mehr als in 13 Jahren gesammelten Beobachtungsdaten deutlich wird; wahrscheinlich, weil die weiblichen Nordkaper ohnehin erst rund drei Jahre nach einer Geburt erneut schwanger werden können und eine soziale Isolation von Mutter und Kind stressärmer ist als das Leben in der Gruppe. Daher könnte die Kommunikation vor allem zwischen Mutter und Kind erfolgen, wozu keine kilometerweit tragenden Rufe nötig sind. Diese senden die Nordkaper bei der sozialen Interaktion einer weit verstreut schwimmenden Gruppe aus, wie die schon ausgewerteten früheren Lauschdaten nahelegen.

Insgesamt sind Nordkaper vom Aussterben bedroht: Die Art mit ihren bis zu 13 Meter langen ausgewachsenen Tieren geriet früh ins Visier kommerzieller Walfangflotten, weil sich der Nordkaper gerne nahe der Küste tummelt und zudem eher gemächlich daherschwimmt.

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