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Kulturfolger: Mäuse folgten Menschen, Katzen folgten Mäusen

In einer groß angelegten Genanalyse rekonstruierten Forscher die Ausbreitung der Hausmaus. Die Geschichte des Nagers ist eng mit der Sesshaftigkeit verknüpft – und der Ankunft der Katze.
Maus

Die Maus war nicht weniger erfolgreich als der Mensch, wenn es um die Besiedlung der Welt geht. Was daran liegt, dass sich der kleine Nager im Schlepptau des Zweibeiners über den Globus verbreitete. Eine Forschergruppe um den Genetiker Thomas Cucchi vom Centre national de la recherche scientifique hat nun die Geschichte des kleinen Nagers rekonstruiert und festgestellt: Als vor 14 500 Jahren Wildbeuter im Nahen Osten begannen sich niederzulassen, nistete sich die Hausmaus bei ihnen ein. Und damit schon vor der Entstehung des Ackerbaus.

Danach, mit Ausbreitung der Bauernkulturen nach Westen, gelang Mus musculus aber nicht der Sprung nach Europa, sondern erst später mit der Blüte weit reichender Handelsnetzwerke in der Bronzezeit. Zudem erreichte nicht die nahöstliche Hausmaus als Erste Europa, sondern ihr eurasischer Steppengenosse. Die Maus lockte wiederum einen weiteren Weggefährten des Menschen an: die Wildkatze Felis silvestris lybica, aus der die heutige Hauskatze hervorging.

Von der Hausmaus existieren heute drei Unterarten, die alle im Umfeld des Menschen hausen: M. m. domesticus, M. m. musculus und M. m. castaneus (asiatische Hausmaus). Die internationale Forscherequipe untersuchte nun 829 Mäusezähne, die sie den ersten beiden Unterarten zuweisen konnten. Die Reste waren an 43 verschiedenen Fundorten vom Mittleren Osten bis ins östliche Mittelmeergebiet geborgen worden und decken einen Zeitraum von vor 40 000 bis 3000 Jahren ab. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt »Scientific Reports« berichten, entschlüsselten sie aus 85 Proben zudem die mitochondriale DNA der Mäuse. Dieses Erbgut wird ausschließlich in der mütterlichen Linie weitervererbt und liegt in den Mitochondrien, die für die Energiezufuhr der Körperzellen sorgen. Daraus erstellten die Forscher eine Verbreitungskarte der Nager.

Feldzug mit Unterbrechung

Offenbar gesellte sich die Hausmaus Mus musculus domesticus erstmals schon vor rund 14 500 Jahren zum Menschen, als sich in der Levante Jäger und Sammler der Natufien-Kultur allmählich niederließen. Bis vor 12 000 Jahren hatte sich die Maus dann parallel zu den frühen Bauernkulturen im gesamten Nahen Osten ausgebreitet – angelockt vom üppigen Nahrungsangebot der Getreidespeicher. Vor 10 8000 Jahren gelangte sie mit den Neolithikern auch auf die Insel Zypern. Danach stoppte der Siegeszug der Nager. Anders als die Forscher erwartet hätten, drang die Hausmaus nicht mit den einwandernden Bauern weiter bis Europa vor.

Erst für die Zeit zwischen 2500 und 2000 v. Chr. mehren sich in der Ägäis Funde von M. m. domesticus. Wie Cucchi und sein Team vermuten, kamen die Nager an Bord von Schiffen nach Südosteuropa, als im 3. Jahrtausend v. Chr. der Handel im Ostmittelmeerraum florierte. Ein direkter Beleg liegt für das 14. Jahrhundert v. Chr. vor: Im berühmten Schiffswrack von Uluburun an der Südwestküste der heutigen Türkei bargen Unterwasserarchäologen auch die Reste einer Hausmaus.

Erstankömmlinge aus der Steppe

Die Hausmaus der Levante war zu dieser Zeit allerdings nicht der erste Nager seiner Art in Europa: Wie die Genanalysen ergaben, war M. m. musculus vor 6500 Jahren in neolithischen Siedlungen im heutigen Rumänien und Serbien. Cucchi und seine Kollegen vermuten, dass die Unterart ursprünglich aus den Steppen am Schwarzen Meer nach Westen gelangte. Als Ursprung der Unterart wird allgemein die Kaukasusregion angenommen.

Wie eine groß angelegte Genanalyse aus dem Jahr 2017 ergab, führen die frühesten Nachweise der Hauskatze ebenfalls in die Levante zur Natufien-Kultur. Vor rund 11 000 Jahren begann die Wildkatze der Unterart Felis silvestris lybica, sich in den dortigen Siedlungen aufzuhalten. Der Erstautor dieser Studie in »Nature Ecology & Evolution« Claudio Ottoni von der Universität La Sapienza in Rom vermutete, dass die wachsende Population von Hausmäusen ihre natürlichen Feinde anlockte. Forscher gehen jedenfalls davon aus, dass die frühen Bauern in den Katzen effektive Schädlingsbekämpfer erkannten und womöglich begannen, die Tiere gezielt zu halten. Es entstand eine so genannte kommensale Beziehung – Tier und Mensch profitierten voneinander.

Für das Zusammenleben von Mensch und Katze existieren ähnlich wie für die Hausmaus frühe Belege auf Zypern: In der neolithischen Siedlung von Shillourokambos entdeckten Archäologen das gemeinsame Grab eines Menschen und einer Katze, das Alter: ungefähr 9500 bis 9000 Jahre. Die ersten Bauern brachten offenbar nicht nur die Maus mit, sondern auch gleich ein wirksames Mittel gegen die Schädlinge.

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