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Neue Mathematik, neue Malerei

Die Kunst der Renaissance profitierte von der Wiederentdeckung antiker Rechenkunst.

Thomas de Padova entführt uns in jene europäische Epoche, in der auf engem Raum diesseits und jenseits der Alpen die Grundlagen der heute weltumspannenden exakten Wissenschaften entstanden. Zugleich gingen die bildenden Künste bei Mathematik und Naturforschung in die Lehre. Leonardo da Vinci (1452–1519) und Albrecht Dürer (1471–1528) schufen nicht nur spektakuläre Kunstwerke, vor denen sich heute Museumsbesucher drängen. Ersterer skizzierte mit unerschöpflicher Neugier innere Organe, Wasserwirbel und utopische Maschinen, während Dürer das erste deutsche Mathematikbuch schrieb.

Ein neues Zahlensystem

Ursprünglich war man gewohnt, sich beim kaufmännischen Rechnen mit den römischen Ziffern I, V, L, C und M für 1, 5, 50, 100 und 1000 zu bescheiden, was aber arithmetische Operationen – Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren – unnötig erschwerte. Erst die zehn »arabischen«, ursprünglich aus Indien stammenden Zahlzeichen, die sich im Lauf des 15. Jahrhunderts in Italien und Deutschland einbürgerten, gaben dem Stellenwert der Ziffer im Dezimalsystem sowie der Null ihre heutige Bedeutung und ermöglichten damit Handwerkern und Kaufleuten die übersichtliche Buchführung.

Den nächsten großen Schritt zur Abstraktion gingen die Mathematiker der Renaissance, als sie auf dem Umweg über den Nahen Osten die altgriechische Mathematik als Algebra – ein arabisches Lehnwort – wiederentdeckten und weiterentwickelten. Sie lernten, für mögliche Zahlen Buchstaben einzusetzen, etwa x für die Unbekannte, und konnten damit erstmals Lösungsformeln für quadratische und kubische Gleichungen aufstellen. Zugleich begann sich das antike Feld der natürlichen Zahlen ins Negative und Rationale, ins Reelle und letztlich ins Komplexe auszudehnen.

De Padova erzählt das nicht trocken wie eine weitere Geschichte der Algebra, sondern anhand der Schicksale von Spielern, Gaunern und Glücksrittern, die zum eigenen Vorteil Gewinnchancen berechneten oder im – durchaus mit harten Bandagen ausgetragenen – Mathematikerduell den Konkurrenten beim Ziehen von Wurzeln und bei der Bewältigung kubischer Gleichungen überbieten wollten.

Parallel zu den Fortschritten der Arithmetik geriet die Geometrie zur Basis der Malkunst. Mit der Einführung der Zentralperspektive gewannen Gemälde und Zeichnungen räumliche Tiefe; komplizierte Architekturen wurden zur Bühne dynamischer Figurenensembles.

Für die rasche Verbreitung der neuen Künste und Formeln sorgte der Buchdruck, als dessen Zentrum sich Nürnberg etablierte. Lehrbücher für Zeichenkunst und Mathematik trugen das Wissen in Europas Gelehrtenstuben; Dürers sensationelle Druckgrafiken gewannen durch Vervielfältigung ihre Breitenwirkung.

Thomas de Padova versteht es, die Engführung von Buchdruck, Bild- und Rechenkunst lebhaft darzustellen. Das Abenteuer, in dessen Verlauf die Menschen der Renaissance lernten, die Natur und ihr Abbild mit ganz neuen Augen zu betrachten – bevor sich das frisch gewonnene Wissen bald darauf durch Spezialisierung wieder in separate Disziplinen auffächern sollte –, gewinnt hier den Charme einer spannenden Erzählung.

Ein spezielles Lob gebührt dem Anmerkungsapparat. Er ist nicht wie so oft überladen mit langen Fußnoten, sondern verweist kurz und knapp auf die Liste der Quellen. (Nur ausnahmsweise führt eine Anmerkung bezüglich Diophant und Fermat auf einen »Miller, M.«, den es im Literaturverzeichnis dann nicht gibt.) Das rundum gelungene, glänzend geschriebene Buch macht einfach Freude.

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