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Was unser Konsum verursacht

Der Journalist James B. MacKinnon untersucht, was ein Ende der Konsumkultur nach sich ziehen würde, und beleuchtet dafür gegenwärtige Fehlentwicklungen, Gegenbewegungen und geschichtliche Analogien.

Die Fakten liegen auf dem Tisch: Wir leben über unsere Verhältnisse und konsumieren weit mehr, als uns und dem Planeten guttut. Hochrechnungen gehen davon aus, dass jeder Erdenbürger gegenwärtig 2,7 Hektar Land in Anspruch nimmt, während maximal 1,6 Hektar nachhaltig und ökologisch vertretbar wären. Dabei ist die Verteilung extrem ungleich. In reichen Ländern der Welt wird etwa 13-mal so viel konsumiert wie in den ärmeren, was sich auch in der fiktiven Flächennutzung ausdrückt: Würden alle Menschen genauso viel konsumieren wie der durchschnittliche Amerikaner (Europäer schneiden nicht viel besser ab), bräuchte es acht Planeten, um den Bedarf zu decken. Bei einem durchschnittlichen Konsum wie in Eritrea bräuchte es nicht einmal eine Erde – die Fläche des Mondes würde ausreichen.

Auch die Folgen sind bekannt: Angefangen bei der Klimakrise über den Verlust der Artenvielfalt bis zu gigantischen Müllbergen – pro Quadratmeter bedecken inzwischen durchschnittlich 50 Kilogramm Zivilisationsmüll die Erde. Es ist Zeit zu handeln, das sollte mittlerweile klar sein.

Leben in einer Utopie

In seinem neuen Buch geht der kanadische Journalist James MacKinnon der Frage nach, was es bedeuten würde, wenn wir uns von der aktuellen Konsumkultur verabschiedeten – nicht ganz, aber doch erheblich. Der Autor setzt für sein Gedankenexperiment eine Reduzierung des Konsums von 25 Prozent an. In vier Oberkapiteln geht er dann der Frage nach, wie sich die ersten Tage nach einer Entscheidung für den Verzicht gestalten würden, mit welchen Zusammenbrüchen zu rechnen wäre, welche Anpassungen einträten und wie sich die Transformation in eine nachhaltigere Welt gestalten ließe.

Die Überlegungen verdeutlicht der Autor anhand realer Bespiele und beschreibt beispielsweise die Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse in anderen Ländern, die näher am Ideal des Eine-Welt-Konsums sind. Dabei zeichnet er Lieferketten in der Textilindustrie nach, beschreibt das Leben zu Zeiten wirtschaftlicher Krisen etwa nach dem Ende der Sowjetunion, der Ölkrise in den 1970ern oder während der Bankenkrise 2008.

Die vom Autor angeführten Fälle geben interessante Einblicke, wie sich Menschen auch mit erschwerten Bedingungen arrangieren – allerdings vermitteln sie keine konsequente Utopie einer konsumfreien oder zumindest konsumreduzierten Gesellschaft. Das mag teilweise daran liegen, dass der Autor das Gedankenexperiment des »Tages, an dem wir aufhören zu shoppen« nicht konsequent weiterführt, sondern viele einzelne Themenbereiche anreißt. Da diese für sich genommen durchaus interessant und mit spannenden Beobachtungen unterfüttert sind, bleibt das Buch lesenswert.

Doch die Einzelkapitel bleiben unzusammenhängend, und man gewinnt den Eindruck, dass dem Autor sehr viele Themen unter den Nägeln brannten, die er gerne aufgreifen wollte: Im Buch finden sich geplanter Verschleiß ebenso wie Aspekte der Kreislaufwirtschaft, von Nachbarschaftsläden, nachhaltigen Familienbetrieben, verstecktem und virtuellem Konsum, demografisch geschrumpften Orten in Japan oder Subsistenzwirtschaft in Afrika. Fehlen dürfen auch nicht die Coronakrise und deren mitunter positive – vermutlich aber nicht nachhaltige – Folgen für die Umwelt oder etwa die Folgen einer fortschreitenden Lichtverschmutzung an immer mehr Orten.

Insgesamt bleibt der Eindruck eines thematisch etwas überfrachteten Buchs. Man hätte sich gewünscht, dass der Autor auf manches verzichtet hätte, um anderen Themen mehr Raum zu geben. Gleichwohl regt die Lektüre zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten an – und darüber, ob an der einen oder anderen Stelle nicht doch weniger mehr sein könnte.

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