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»Fühlen, Spüren, Reagieren«: Zwischen Lehr- und Sachbuch

Die Hautsinne sind eine oft vernachlässigte Wahrnehmungsmodalität des Menschen. Der Physiologieprofessor Wolfgang Skrandies hat ein informatives Buch darüber geschrieben.
Mit Hautausschlägen oder Juckreiz beginnen etliche Autoimmunkrankheiten. Oft trifft es Frauen.

Für alle Lebewesen ist es essenziell, Informationen aus der Umwelt wahrnehmen zu können. Tiere haben dafür verschiedene Sinnesorgane entwickelt, die je nach Lebensstil und Umgebung unterschiedlich leistungsfähig sind. Menschen sind »Augentiere«, bei ihnen ist der Sehsinn besonders gut ausgeprägt – und auch untersucht. Ebenso ist über Hör- und Riechsinn bei Säugetieren inzwischen vieles bekannt. Weniger gut greifbar sind hingegen die Hautsinne, die den aktiven Tastsinn und das passive Fühlen umfassen. Dieser vernachlässigten Wahrnehmungsmodalität widmet sich Wolfgang Skrandies, Professor für Physiologie i. R. an der Justus-Liebig-Universität Gießen in einem Buch, das inhaltlich und optisch an das 2021 erschienene Werk »Das Hören des Menschen« anknüpft.

Der Sinn des Hautsinns

Anfangs geht Skrandies kurz auf die Grundlagen und Untersuchungsmethoden der Sinnesphysiologie ein. Im Hauptteil des Buchs stehen die Hautsinne im Vordergrund: die Wahrnehmung von Druck und Vibration, von Schmerz- und Temperaturreizen. Der Autor stellt die anatomischen Strukturen, die Rezeptoren, für die Wahrnehmung dieser Umweltreize vor und gibt auch einen Überblick über die Bedeutung der Hautsinne für die Überlebensfähigkeit des Menschen. So schützen sie nicht nur den Körper vor schädlichen Einflüssen, sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der frühkindlichen Entwicklung sowie bei sozialen Interaktionen und nonverbaler Kommunikation.

Im Anschluss widmet sich Skrandies den (pathologischen) Veränderungen der Hautsinne, einerseits durch bestimmte (meist neurologische) Erkrankungen, andererseits im Zuge normaler Alterungsprozesse. Dabei stehen insbesondere die Entstehung und die Behandlung von Schmerz im Vordergrund. Weitere Kapitel beleuchten psychische Aspekte der Berührung, beispielsweise während der Kindesentwicklung, sowie die Rolle, die die Hautsinne bei Therapien wie der Massage spielen.

Das Buch ist systematisch aufgebaut und übersichtlich gegliedert; kurze Kapitel, ein angenehmer Satz sowie die Verwendung von Tabellen und Aufzählungen laden zum Lesen ein. Der Sprachstil ist nüchtern und wissenschaftlich, obwohl sich der Autor bemüht, viele Beispiele aus dem täglichen Leben einfließen zu lassen und den Lesenden damit direkt anzusprechen. Abbildungen gibt es nur wenige; hin und wieder finden sich Schwarz-Weiß-Grafiken und einige anatomische Zeichnungen in Farbe. Fachausdrücke werden in einem Glossar im Anhang erklärt, und ein Stichwortverzeichnis erleichtert das Auffinden bestimmter Passagen. Im Anschluss an jedes Kapitel nennt der Autor weiterführende Quellen, wobei er sich weitgehend auf Bücher zur Sinnesphysiologie beschränkt.

»Fühlen, Spüren, Reagieren« kann auf 200 Seiten nicht alle Aspekte der Hautsinne abdecken und sollte deshalb nicht als eigenständiges Lehrbuch verstanden werden. Es eignet sich aber gut als ergänzende Lektüre zu einem Standardwerk der Sinnesphysiologie, insbesondere für Studierende, die einen vertieften Einblick in den Themenkomplex suchen. Auch interessierte Laien können von der Lektüre profitieren; sie sollten jedoch über ein gewisses Vorwissen und Durchhaltevermögen verfügen.

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