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Der Mathematische Monatskalender: Ada Lovelace (1815–1852): Zauberin der Zahlen

Zusammen mit Charles Babbage träumte sie von einer universellen Rechenmaschine.
Ada Lovelace (1815–1852): Zauberin der Zahlen

Für den Mathematiker Charles Babbage war sie eine Zauberin der Zahlen (»Enchantress of Numbers«), für die Feministinnen unserer Tage gilt sie als die Prophetin des Computerzeitalters; das amerikanische Verteidigungsministerium hat sogar eine Programmiersprache nach ihr benannt hat (Ada).

Geboren ist sie als Augusta Ada Byron, nach ihrer Heirat trägt sie den Titel Augusta Ada King Countess of Lovelace. Ihr Vater ist der englische Dichter George Gordon Byron (der spätere sechste Baron Byron), ihre Mutter Anne Isabella Milbanke (die spätere elfte Baroness Wentworth). Deren am 2. Januar 1815 geschlossene Ehe ist nur von kurzer Dauer: Am 16. Januar 1816, einen Monat nach der Geburt der gemeinsamen Tochter, trennt sich das Paar wegen unüberbrückbarer Differenzen – der zu Wutanfällen neigende, leidenschaftliche Dichter verspottet seine Mathematik liebende, eher rational denkende Frau als »Princess of Parallelograms«, sie hält ihren Ehemann für geisteskrank.

Als die Mutter der Ehefrau öffentlich die unter strenger Strafe stehende Homosexualität ihres Schwiegersohns andeutet, entscheidet sich dieser, der Trennung formal zuzustimmen, auf das Recht der Kindeserziehung zu verzichten und England zu verlassen. Nach Aufenthalten am Genfer See und in Venedig schließt er sich der griechischen Freiheitsbewegung an; 1824 stirbt er, ohne jemals Kontakt zu Ada aufgenommen zu haben. Nur in einem Gedicht erinnert er an seine Tochter:

Is thy face like thy mother's, my fair child! Ada! sole daughter of my house and heart?
When last I saw thy young blue eyes they smiled, and then we parted, – not as now we part,
but with a hope …

Hohe Erwartungen

Adas Mutter will durch eine strenge Erziehung verhindern, dass eventuell vom Vater geerbte Eigenschaften zum Tragen kommen. Als Lady Byron beispielsweise bemerkt, dass ihre Tochter mehr Freude am Geografie-Unterricht des Privatlehrers hat als an dessen Arithmetik-Stunden, ersetzt sie die Geografie durch zusätzlichen Unterricht in Mathematik. Aber eigentlich zeigt sie wenig Interesse an der Entwicklung ihrer Tochter, die als Kind oft krank ist, und überlässt sie meistens der Großmutter.

Im Alter von zwölf Jahren beschließt Ada, ein Buch über das Fliegen zu schreiben; sie studiert die Anatomie der Vögel und überlegt, welche Materialien sich am besten für den Bau von Flügeln eignen. Auch denkt sie darüber nach, wie man einen Flugapparat mit Hilfe von Dampf antreiben könnte.

Mit 18 Jahren wird Ada Byron am Hof vorgestellt und kann nunmehr auch an den Veranstaltungen der »höheren Gesellschaft« teilnehmen. In diesem Rahmen lernt sie unter anderem Mary Somerville und Charles Babbage kennen; von der ersten Begegnung an ist sie von Babbages Idee fasziniert, eine »analytic machine« zu bauen.

Zu der aus Schottland stammenden Mary Somerville, geborene Fairfax (1780–1872), entwickelt Ada eine besondere Beziehung. Diese lädt sie nicht nur zu gemeinsamen Konzertbesuchen ein, sondern gibt ihr vielfältige wissenschaftliche Anregungen. Mary Somerville wird für sie zum Vorbild, dem sie nacheifern möchte.

Denn auch die Eltern von Mary Fairfax hatten eine besondere schulische Bildung für ihre Tochter für überflüssig gehalten (»… die Belastung des abstrakten Denkens würde den zarten weiblichen Körperbau verletzen …«). Als Elfjährige hatte Mary dann für sich beschlossen, alle Bücher zu lesen, die ihr in die Hände fallen; auch brachte sie sich selbst Latein bei. Als sie von ihrem Klavierlehrer hörte, dass die »Elemente« des Euklid Grundlage für das Studium der Astronomie und anderer Wissenschaften seien, arbeitete sie dieses Buch durch – mit Unterstützung ihres jüngeren Bruders (der umfassenden Unterricht erhielt). Mary wurde mit einem entfernten Verwandten verheiratet; ihr Ehemann zeigte kein Verständnis für ihre wissenschaftliche Neugier. Nach dessen baldigem Tod nahm sie unter anderem zu John Playfair, Professor für Naturphilosophie an der University of Edinburgh, Kontakt auf, der ihr empfahl, sich mit Newtons »Principia« und der »Mécanique Céleste« von Pierre-Simon Laplace zu beschäftigen.

Mit dem Mediziner William Somerville, ihrem zweiten Ehemann, zog sie nach London, wo sich ihr über ihren Mann, der Mitglied der Royal Society wurde, der Zugang zu allen Wissenschaften öffnete. Nach einer ersten Veröffentlichung über die magnetischen Eigenschaften des violetten Lichts wurde sie ermuntert, die »Mécanique Céleste« ins Englische zu übersetzen. Das Werk – von ihr mit ausführlichen Kommentaren versehen – wurde ein großer finanzieller Erfolg und erschien in zehn Auflagen; die Kommentare wurden sogar ins Deutsche und Italienische übersetzt. 1835 wurden sie und die Astronomin Caroline Herschel (die Schwester Wilhelm Herschels) als erste Frauen in die Royal Astronomical Society aufgenommen. Mary Somerville veröffentlichte danach noch weitere Bücher zur Physik, zur Geografie und über Mikroskopie. Von ihr stammt übrigens die Bezeichnung »scientist« für Wissenschaftler. Die Royal Bank of Scotland ehrte sie 2017 durch Abdruck ihres Porträts auf einer Zehn-Pfund-Note.

1835 heiratet Ada Byron den zehn Jahre älteren Lord William King, 1838 erbt sie den Titel einer »Countess of Lovelace«. Erst nach der Geburt dreier Kinder findet sie wieder die Zeit, sich mit wissenschaftlichen Fragen zu beschäftigen. Insbesondere möchte sie Babbages Projekt verstehen und will daher vor allem ihre Kenntnisse in Mathematik vertiefen – mit Augustus de Morgan findet sie einen äußerst kompetenten Lehrer.

De Morgan hat einen Lehrstuhl für Mathematik am University College in London; wegen seiner zahlreichen Veröffentlichungen, insbesondere zur abstrakten Algebra und zur formalen Logik (de-morgansche Gesetze), genießt er großes Ansehen.

Der Traum vom Computer

Charles Babbage, einer der Gründer der Royal Astronomical Society und seit 1827 Inhaber des berühmten Lucasischen Lehrstuhls für Mathematik in Cambridge, verfolgt seit Jahren den Plan, eine leistungsfähige Rechenmaschine zu bauen. Hierfür hat er bereits 1823 eine staatliche Starthilfe erhalten, die immer wieder aufgestockt wird. Aber seine Ankündigung, innerhalb von drei Jahren die aus Zahnrädern, Hebeln und Achsen zusammengesetzte »difference engine« zu bauen, kann er nicht einhalten. Ständig hat er neue Ideen und ändert seine Pläne.

Schließlich denkt er über eine umfassendere Maschine nach, die »analytical engine«. Während die »difference engine« nur Additionen ausführen kann, soll dieser Vorläufer des heutigen Computers für Rechnungen aller Art eingesetzt werden können: Alle Operationen sollen über ein mit Hilfe von Lochkarten einzulesendes Programm gesteuert werden (wie bei den von Joseph-Marie Jacquard 1801 erfundenen automatischen Webstühlen).

Im Jahr 1840 hat Babbage Gelegenheit, seine Überlegungen auf einem Kongress in Turin vorzustellen. Der Mathematiker Luigi Federico Menabrea verfasst hierüber einen Bericht (»Notions sur la machine analytique de Charles Babbage«), den Ada Lovelace ins Englische übersetzt. Voller Begeisterung (»… so wie der Jacquard-Webstuhl Blumen und Blätter webt, webt diese Maschine algebraische Muster …«) ergänzt sie den Text durch eigene Kommentare. Menabreas Bericht wird hierdurch auf den vierfachen Umfang ausgeweitet. Auf Babbages Anregung fügt sie noch ein konkretes Beispiel hinzu, in dem sie erläutert, welche Art von Anweisungen die Maschine benötigen würde, um die so genannten Bernoulli-Zahlen zu berechnen.

Ihre Schrift wird 1843 unter dem Kürzel »AAL« veröffentlicht und allgemein belobigt; danach geht jedoch das Interesse daran verloren, da der Bau der »analytical engine« nicht realisiert wird. Erst im 20. Jahrhundert wird der Stellenwert ihrer »Notes«, insbesondere des von ihr beschriebenen Algorithmus, erkannt.

Ein unglückliches Ende

In den folgenden Jahren denkt Ada Lovelace über weitere Veröffentlichungen nach, kann aber keines der angedachten Projekte realisieren. Das Verhältnis zu ihrem Ehemann verschlechtert sich, da dieser wenig Verständnis für ihre wissenschaftlichen Ambitionen zeigt. Sie hat mehrere Affären, ihr Alkoholkonsum nimmt Besorgnis erregend zu. Hinzu kommt eine Leidenschaft für Pferdewetten – ein von ihr entwickeltes vermeintlich sicheres Wettsystem führt zu einer dramatischen Verschuldung. Mit ihrer Mutter bricht sie, als ihr klar wird, dass diese alles getan hat, um ihren Vater bei ihr in ein schlechtes Licht zu setzen.

Anfang 1852 wird bei ihr unheilbarer Gebärmutterkrebs entdeckt. Auf ihren Wunsch hin wird sie neben ihrem Vater, den sie nie kennen gelernt hat, in einer Kirche in Nottinghamshire beigesetzt.

Ada Lovelace (1815–1852): Zauberin der Zahlen

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