Direkt zum Inhalt

Ernährung: Schadet Zucker dem Gehirn von Kindern?

Zu viel Zucker verursacht nicht nur Karies, sondern beeinträchtigt auch das Konzentrationsvermögen der Kleinen. Oder? Das kann man so pauschal nicht sagen. Es hängt auch davon ab, was die Kinder sonst noch essen, erklären unsere Expertinnen.
Kinderhände, die bunte Gummibärchen halten
Kinder lieben Süßigkeiten. Hin und wieder ist dagegen vermutlich nichts einzuwenden – sofern die übrige Ernährung ausgewogen ist.

Zucker versüßt das Leben, vor allem das der Kleinen. Doch was lecker schmeckt, entspricht nicht immer der ­besten Wahl in Sachen Gesundheit. Zu viel Zucker verursacht Karies, fördert Übergewicht und steht im Verdacht, die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zu begünstigen. Vielleicht kommt daher die Befürchtung vieler Eltern, Zucker könne der Hirnentwicklung und damit der Konzentrationsfähigkeit ihrer Kinder schaden. Doch stimmt das?

Wenn wir von Zucker sprechen, meinen wir meist den Haushaltszucker Saccharose, den wir zum Süßen von Speisen verwenden. Saccharose gehört biochemisch zu den Kohlenhydraten und besteht aus zwei so genannten Einfachzuckern: Glukose und Fruktose. Eine aktuelle Übersicht zum Zuckerverzehr in Europa zeigt, dass der meiste zugesetzte Zucker, den Kinder zu sich nehmen, in Fertigprodukten wie Limonaden, Kakaogetränken, Fruchtjogurts, Süßigkeiten oder Backwaren steckt. Die enthaltene Saccharose wird bei Kindern wie bei Erwachsenen zunächst im Darm in die beiden Einfachzucker gespalten. Diese gelangen dann in die Blutbahn und von dort zu den Organen und Zellen des Körpers, wo sie zur Energiegewinnung dienen.

Das Gehirn ist auf Glukose als einzige Energiequelle angewiesen. Wir nehmen sie aber nicht nur über Süßigkeiten und Co. auf, sondern gewinnen sie hauptsächlich aus Stärke, die vor allem in Brot, Getreideflocken, Nudeln, Reis und Kartoffeln enthalten ist. Lange genug gekaut, schmecken diese Lebensmittel süßlich, weil die Stärke schon im Mund in Glukose aufgespalten wird. Bei extrem einseitiger Ernährung mit wenig Stärke und Zucker kann der Körper auch aus anderen Nährstoffen Energie gewinnen, um so die Versorgung des Gehirns zu sichern.

Gerade in den ersten Lebensjahren wächst das menschliche Denkorgan stark und ist somit besonders empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie der Ernährung. Kann es in dieser Zeit womöglich zu einem »Zucker-Overload« kommen, der dem Gehirn schadet? Da die Blutzuckerkonzentration in der Regel durch das körpereigene Hormon Insulin geregelt wird, ist eine ­direkte toxische Wirkung ausgeschlossen. Außerdem sorgt die so genannte Blut-Hirn-Schranke – eine natürliche Barriere, die für Nährstoffe durchlässig ist, aber Schadstoffe abhält – für eine sichere und stetige Energieversorgung. Indirekte Einflüsse des Zuckerverzehrs auf das Hirn sind jedoch sehr wohl möglich. Werden etwa junge Ratten mit Zucker gefüttert, verändern sich die Bakterien in ihrem Darm und es kommt vermehrt zu Entzündungen. Diese können auch eine bestimmte Hirnregion, den Hippocampus, betreffen. Sie ist besonders wichtig für das Kurz- und Langzeitgedächtnis, aber auch für Emotionen sowie Hunger- und Sättigungsgefühle.

In Beobachtungsstudien, in denen man festhielt, wie viel Zucker Kinder im Alltag zu sich nehmen, zeigten sich mit steigendem Zuckerkonsum ebenfalls Veränderungen in einigen Bereichen des Hippocampus. Ob und welche Folgen dies mit sich bringt, wird aktuell noch untersucht. Vermutlich kommt es aber auf die Ernährung als Ganzes an: So scheint eine insgesamt gute Ernährungsqualität die Konzentrationsfähigkeit von Kindern zu verbessern – unabhängig vom Zuckerverzehr.

Eine gesunde Ernährung, die Wachstum, Entwicklung und Leistungsfähigkeit bei Kindern fördert, unterstützt also auch die Hirnentwicklung. Dabei kommt es darauf an, dass die Kost neben ausreichend Energie alle nötigen Nährstoffe und vielfältige bioaktive Substanzen enthält. Das bedeutet: regelmäßige Mahlzeiten, reich an Obst und Gemüse, dazu Wasser als Durstlöscher. Neben einer ausgewogenen Ernährung fördern ausreichend Schlaf und Bewegung, am besten an der frischen Luft, erwiesenermaßen die Konzentra­tion. Dann darf es auch öfter mal etwas Süßes geben.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Clark, K. A. et al.: Dietary fructose intake and hippocampal structure and connectivity during childhood. Nutrients 12, 2020

Hsu, T. M. et al.: Effects of sucrose and high fructose corn syrup consumption on spatial memory function and hippocampal neuroinflammation in adolescent rats. Hippocampus 25, 2015

Mazzoli, A. et al.: Fructose removal from the diet reverses inflammation, mitochondrial dysfunction, and oxidative stress in hippocampus. Antioxidants 10, 2021

Noble, E. E. et al.: Gut microbial taxa elevated by dietary sugar disrupt memory function. Translational Psychiatry 11, 2021

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.