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Partnerschaft: Schadet Jammern der Beziehung?

Verspätete Bahnen, unverschämte Kollegen: Die Ärgernisse des Tages teilen viele am Abend mit ihrem Partner. Stärkt das die Liebe oder zerstört man sie damit auf Dauer?
Silhouette eines Paares bei Nacht vor Großstadtlichtern
Wir gegen den Rest: Manchmal hat der Austausch über Negatives auch etwas Verschwörerisches.

Der Zug hatte Verspätung, der Rücken tat weh und die bissige Mail ging versehentlich an alle im Büro. Je mehr uns etwas aufwühlt, desto eher wollen wir unseren Liebsten davon erzählen – allen voran der Partnerin oder dem Partner. Der Volksmund sagt »Geteiltes Leid ist halbes Leid« und dass man sich »Frust von der Seele reden« kann.

Die Forschung zeigt jedoch, dass dieses Verhalten auch Nachteile hat: Wer von belastenden Erfahrungen erzählt, lässt die damit verbundenen Gefühle wieder aufleben, was nicht nur die eigene Stimmung trüben kann, sondern auch die des Zuhörers. Muss man beim abendlichen Jammern also ein schlechtes Gewissen haben? Lässt man es der Liebe zuliebe sogar besser ganz bleiben?

Wer seinen Frust teilt, signalisiert damit Vertrauen

Nein, denn offenbar kann der Austausch über Negatives wichtige zwischenmenschliche Prozesse in Gang setzen, wie wir in einer 2023 erschienenen Studie herausgefunden haben. 100 Paare aus Berlin gaben uns zunächst Auskunft über die emotionale Nähe untereinander. Danach teilten sie uns drei Wochen lang regelmäßig via Handy mit, ob ihnen in den letzten 120 Minuten etwas Unerfreuliches passiert war – zum Beispiel eine Migräneattacke, eine Begegnung mit einem unfreundlichen Verkäufer oder ein Streit mit einer Kollegin. Außerdem gaben die Befragten an, ob sie das Erlebte mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin geteilt hatten und wie nahe sie sich einander gerade fühlten. Die Angaben wurden immer von beiden gleichzeitig gemacht, so dass wir auch erfassten, wie es der Person ging, die sich die wenig erfreuliche Geschichte anhören musste. Zweieinhalb Jahre später hakten wir noch einmal nach: Wie verbunden waren sie sich jetzt?

Das Ergebnis unserer Längsschnittstudie deutet darauf hin, dass der Austausch über alltägliche Ärgernisse die Bindung festigt – kurzfristig und sogar langfristig. Nicht nur die Person, die ihr unschönes Erlebnis geteilt hatte, fühlte sich ihrer besseren Hälfte anschließend stärker verbunden, dem Zuhörer oder der Zuhörerin ging es genauso.

Wer Schlechtes teilt, signalisiert damit Vertrauen und erntet im besten Fall Trost. Offenbar entsteht dabei eine wertvolle emotionale Nähe, die soziale Wesen als belohnend empfinden. Wer sich zugehörig fühlt, weiß außerdem, dass er Probleme nicht allein stemmen muss. Die Erkenntnisse passen zu denen eines Teams um Edward Tory Higgins von der Columbia University. Die Psychologen konnten belegen: Paare, die zu zweit schwierige Momente durchleben, empfinden dabei unter bestimmten Umständen weniger Stress. Nämlich dann, wenn sie sich gegenseitig signalisieren, dass sie die Situation ähnlich einschätzen, und einander darin bestärken, dass ihre Gefühle angebracht sind. Vor allem Frauen profitierten unter Stress von dieser Bestätigung einer »gemeinsamen Realität«.

Rat nur dann, wenn er erwünscht ist

Allerdings gelten beim gesunden Dampfablassen gewisse Regeln. So ist es wichtig, die andere Person im Blick zu behalten – also nicht einfach Frust abzuladen, sondern offen zu sein für Anregungen und echten Austausch. Für Zuhörende gilt: Wertschätzung entgegenbringen und herausfinden, was das Gegenüber braucht. Wer emotional aufgewühlt ist, sucht oft Mitgefühl und Verständnis, keine Ratschläge. Verteilt man stattdessen Tipps oder redet das Problem klein, kann das nach hinten losgehen. Daher gilt: Rat geben nur dann, wenn er wirklich erwünscht ist.

Außerdem sollte man bewusst auch positive Erlebnisse miteinander teilen – die schönen Dinge des Alltags, die einen zum Lachen gebracht oder glücklich gemacht haben. Erzählen Paare einander nur noch von Ärgernissen, geraten sie mitunter in einen Teufelskreis, in dem sie sich gegenseitig belasten und in ihren pessimistischen Ansichten bestärken.

Wenn Sie diese Regeln beherzigen, kann Jammern die Beziehung also überraschenderweise sogar stärken. Dann ist geteiltes Leid nicht bloß halbes Leid – es schweißt die Teilenden auch fester zusammen.

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  • Quellen

Goldring, M. R. et al.: Shared reality can reduce stressor reactivity. Frontiers in Psychology 13, 2022

Rauers, A., Riediger, M.: Ease of mind or ties that bind? Costs and benefits of disclosing daily hassles in partnerships. Social Psychological and Personality Science 14, 2023

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