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Krebs verstehen: Wie läuft eine Chemotherapie ab?

»Viele Nebenwirkungen lassen sich gut beherrschen.« Ärztin Marisa Kurz erklärt in ihrer Kolumne, wie eine Chemotherapie wirkt und was Betroffenen in dieser Zeit hilft.
Eine offenbar an Krebs erkrankte Frau trägt ein Kopftuch und schaut hoffnungsvoll eine andere Frau an, die gerade einen Infusionsbeutel reguliert.
Oft können Chemotherapien ambulant in einer Tagesklinik oder in einer onkologischen Praxis erfolgen.

Wenn ich Patientinnen und Patienten über eine Chemotherapie aufkläre, begegne ich vielen Ängsten und Sorgen. Was passiert bei einer Chemo? Wann kommt sie zum Einsatz? Und mit welchen Nebenwirkungen muss ich rechnen?

Chemotherapie kommt im ganzen Körper an

Immer dann, wenn sich eine Krebserkrankung im Körper ausgebreitet hat oder das Risiko für eine Metastasierung besonders hoch ist, braucht es eine Behandlung, die im ganzen Körper ankommt. Zu diesen so genannten Systemtherapien gehören Chemotherapien, aber auch zielgerichtete Therapien, Immuntherapien oder zellbasierte Therapien. Chemotherapeutika sind Medikamente, die schon lange erfolgreich eingesetzt werden, um Krebs zu behandeln. Sie werden allein verabreicht oder mit anderen Therapieverfahren kombiniert.

Wie eine Chemotherapien durchgeführt wird

Je nachdem, welches Ziel man erreichen will, gibt es verschiedene Formen der Chemotherapie:

  • Die neoadjuvante Chemotherapie wird vor einer Operation verabreicht, um den Tumor davor möglichst zu verkleinern und die Chance zu erhöhen, dass er operabel ist.
  • Die adjuvante Chemotherapie findet nach einer Operation statt und soll das Risiko senken, dass eine Krebserkrankung zurückkommt.
  • Bei einer Radiochemotherapie werden Bestrahlung und Chemotherapie kombiniert.
  • Eine kurative Chemotherapie soll möglichst alle im Körper vorhandenen Tumorzellen zerstören und eine Krebserkrankung möglichst langfristig heilen.
  • Die palliative Chemotherapie wird eingesetzt, wenn nicht mehr alle Krebszellen beseitigt werden können. Sie kann helfen, die Krebserkrankung zu verlangsamen oder in Schach zu halten.

Chemotherapien laufen in Zyklen ab. Das bedeutet, die Behandlung erfolgt in bestimmten Abständen (beispielsweise wöchentlich, zweiwöchentlich, dreiwöchentlich und so weiter). Je nach Medikament, Krebserkrankung und Therapieschema werden die Chemotherapeutika über die Vene, unter die Haut, in das Nervenwasser oder in eine Arterie gegeben oder als Tablette verabreicht.

Chemotherapeutika, die über das Blut infundiert werden, können feine Venen und das umliegende Gewebe schädigen. Oftmals wird deshalb ein Katheter in ein größeres Blutgefäß gelegt, da dort die Wirkstoffe gleich mit viel Blut verdünnt werden. Hierzu gehören so genannte Portkatheter.

Eine Chemotherapie zu bekommen bedeutet nicht zwangsläufig, im Krankenhaus liegen zu müssen. Tatsächlich können die meisten ambulant in einer Tagesklinik oder onkologischen Praxis durchgeführt werden. Patienten und Patientinnen sitzen dort beispielsweise in einem Behandlungsstuhl oder Sessel, während die Medikamente über eine oder mehrere Infusionen in die Vene laufen. Eine solche Therapiesitzung kann zwischen einer halben Stunde und mehreren Stunden dauern. Wenn man möchte, kann man sich währenddessen beschäftigen, zum Beispiel lesen oder Musik hören. Viele Kliniken und Praxen erlauben es auch Angehörigen oder Freunden, Betroffene zu begleiten. Betroffene, die sehr krank sind, können die Chemotherapie auch während eines Klinikaufenthalts erhalten. Zudem kann eine Chemo auch stationär sein, wenn sie über mehrere Tage geht oder Begleituntersuchungen wie Labor- und Urinkontrollen oder kontinuierliche Begleitinfusionen notwendig sind.

Eine Krebstherapie richtet sich auch gegen den Körper

Krebs ist kein Eindringling von außen, kein Bakterium oder Virus. Die Erkrankung entsteht aus den eigenen Körperbausteinen. Behandelt man Krebszellen, richtet sich das also auch gegen Teile des eigenen Körpers, weshalb es zu Nebenwirkungen kommen kann.

Chemotherapeutika können Zellen an unterschiedlichen Stellen angreifen, um ihre Vermehrung zu verhindern. Gewebe, in denen viel Erneuerung und Zellteilung stattfindet, werden von den Medikamenten besonders stark attackiert. Dazu gehören vor allem Krebszellen, aber auch Schleimhautzellen, die vom Mund bis zum Enddarm im gesamten Verdauungstrakt vorkommen. So entstehen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall. Auch die Blut bildenden Zellen werden von Chemotherapeutika angegriffen. Patientinnen und Patienten leiden deshalb zum Teil an einer erhöhten Infekt- und Blutungsneigung oder an Blutarmut. Andere Nebenwirkungen können Allergien, Gefühlsstörungen in Händen und Füßen, Hautveränderungen, Haarausfall, Zeugungsunfähigkeit oder eine Verschlechterung der Nierenfunktion sein.

Was Nebenwirkungen gering hält

Viele Nebenwirkungen durch Chemotherapeutika lassen sich im medizinischen Alltag gut beherrschen. Werden beispielsweise Chemotherapeutika verabreicht, von denen bekannt ist, dass sie Übelkeit und Erbrechen auslösen, erhalten die Patientinnen und Patienten vor und nach der Chemotherapie Medikamente, die sie davor schützen. Hierbei werden verschiedene Wirkstoffe kombiniert, die an unterschiedlichen Stellen im Körper angreifen, die Übelkeit auslösen können. Auch Durchfall lässt sich, falls er auftritt, medikamentös gut behandeln oder sogar verhindern.

Selten treten bei Chemotherapien allergische Reaktionen auf. In den allermeisten Fällen können auch sie durch Medikamente beherrscht werden. Werden Chemotherapeutika verabreicht, die die Blutbildung besonders angreifen, kann der Körper durch die Gabe bestimmter Wirkstoffe dazu angeregt werden, weiße Blutkörperchen zu bilden, und so das geschwächte Immunsystem unterstützen.

Um der Schädigung von Organen vorzubeugen, führen Ärztinnen und Ärzte vor und im Verlauf der Krebstherapie spezielle Untersuchungen wie einen Ultraschall des Herzens, eine Lungenfunktionsuntersuchung oder einen Hörtest durch. Hat ein Patient schon eine Vorschädigung, wird eine andere Therapie mit einem passenderen Nebenwirkungsprofil ausgewählt.

Die meisten Nebenwirkungen kommen nicht schlagartig zu Stande. Wird im Verlauf einer Chemotherapie bemerkt, dass sich bestimmte Körperfunktionen verschlechtern, sei es durch eine solche Untersuchung oder im Arztgespräch, kann die Dosis der Medikamente reduziert oder diese Behandlung abgebrochen werden. So können bleibende Schäden verhindert werden.

Besonders wichtig sind dabei Laboruntersuchungen: Hier können etwa die Blutzellen oder die Nierenfunktion bestimmt werden. Manchmal muss die Fortsetzung einer Chemo um einige Tage verschoben werden, wenn sich zum Beispiel die Abwehrzellen stark verringert haben. Mit der Zeit erholt sich die Blutbildung und die Anzahl der Zellen steigt wieder an.

Regelmäßige Kontrollen zeigen den Therapieerfolg

Werden Chemotherapeutika ergänzend zu einer Operation oder Bestrahlung eingesetzt, wird oftmals eine bestimmte und vorher festgelegte Anzahl von Zyklen verabreicht und die Therapie ist dann beendet. Soll die Therapie eine Krebserkrankung bekämpfen oder in Schach halten, werden in regelmäßigen Abständen Erfolgskontrollen durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Patienten und Patientinnen von der Chemotherapie profitieren. Dazu werden beispielsweise alle drei Monate Staging-Untersuchungen durch Computertomografien oder Ultraschall durchgeführt. Auch regelmäßige Blutuntersuchungen helfen dabei, den Therapieerfolg abzuschätzen: Sinken Tumormarker oder Blutwerte von befallenen Organen wie der Leber, kann das darauf hindeuten, dass die Therapie anspricht. Manche Patientinnen und Patienten merken an ihrem Körper, ob eine Therapie wirkt, wenn sie zum Beispiel an Bauchwasser oder Wasser in der Lunge litten und sich die Beschwerden unter der Therapie zurückbilden. Zeigt sich in Untersuchungen, dass eine Therapie nicht wirkt, wird auf eine andere Therapie umgestellt.

Was kann man während einer Chemotherapie für sich tun?

Viele Betroffene leiden auf Grund ihrer Krebserkrankung und Chemotherapie an Erschöpfungszuständen, so genannter Fatigue. Körperliche Bewegung während der Therapie mildert die Müdigkeit nachweislich. Doch hierzu müssen Patientinnen und Patienten einen Teufelskreis durchbrechen: Wer müde ist, bewegt sich weniger.

Um sich vor Komplikationen wie Infekten zu schützen, sollten Krebserkrankte unter Chemotherapie sich schnellstmöglich beim Arzt oder der Ärztin vorstellen, wenn sie Fieber haben. In vielen Fällen benötigen sie dann sofort ein Antibiotikum. Außerdem sind Schutzimpfungen wie gegen Influenza oder Sars-CoV-2 dringend zu empfehlen. Bei bestimmten Chemotherapien kann es nötig sein, sich besonders vor Keimen im Essen zu schützen. Lebensmittel sollten gut gewaschen, geschält und gekocht werden. Auf Lebensmittel, die Pilzsporen enthalten können, etwa Nüsse, sollte dann verzichtet werden.

Wichtig ist, mit den behandelnden Ärzten über alle eingenommenen Präparate zu sprechen, auch wenn es sich um scheinbar harmlose und frei verkäufliche Substanzen handelt. Vor allem pflanzliche Mittel enthalten Wirkstoffe, die Wechsel- und Nebenwirkungen haben können. Im schlimmsten Fall schwächen sie die Wirkung der Chemotherapeutika ab oder verstärken die Nebenwirkungen der Therapie. Patientinnen und Patienten, die auf vermeintlich alternative Präparate zurückgreifen, haben nachweislich eine schlechtere Prognose.

Tun Sie, was Ihnen guttut

Meine Patienten und Patientinnen fragen mich häufig, ob sie während der Therapie bestimmte Lebensmittel zu sich nehmen sollen, um ihren Therapieverlauf positiv zu beeinflussen. Leider gibt es kein Wundernahrungsmittel gegen Krebs. Da viele an Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust oder Untergewicht leiden, halte ich es für sehr wichtig, dass Krebserkrankte das essen, was ihnen schmeckt. Ernährungsberater können falls nötig geeignete hochkalorische und mit Nährstoffen versetzte Nahrungsergänzungsmittel auswählen, die einem Gewichtsverlust entgegenwirken. Auf Diäten sollte während einer Chemotherapie verzichtet werden.

Hören Sie auf Ihren Körper und tun Sie, was Ihnen guttut.

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