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In Bestform: Macht Sport mehr Lust auf Sex?

Auf das richtige Maß komme es an, sagt der Sportmediziner Frank Sommer, Professor für Männergesundheit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: »Kurze Trainingseinheiten wirken sexuell anregend.«
Mann und Frau in Liegestütze flirten

Wer Sport treibt, hält sich fit und stählt seine Muskeln. Mitunter hört man auch, Sport fördere die Lust und mache den Sex besser. Ist da was dran? Und falls ja – gilt das für Männer und Frauen gleichermaßen? Welche Sportarten sind der Libido besonders zuträglich? Urologe, Androloge und Sportmediziner Frank Sommer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf klärt auf.

»Spektum.de«: Herr Professor Sommer, man hört oft, Sport sei gut für die Libido. Haben Menschen, die viel Sport treiben, tatsächlich mehr Lust auf Sex?

Frank Sommer: Einerseits ja, andererseits nein. Wenn man Menschen, die sportlich aktiv sind, mit solchen vergleicht, die viel auf der Couch sitzen und sich schlecht ernähren, haben erstere tatsächlich eine wesentlich bessere Libido.

Warum?

Der Beckenbereich wird besser durchblutet. Für Männer bedeutet das: Die Erektionsfähigkeit ist erhöht. Und bei Frauen verbessert sich zum Beispiel die Lubrikation, also die Befeuchtung, und die lokale Erregbarkeit. Auch die weiblichen Geschlechtsorgane haben Schwellkörper, die für die sexuelle Aktivität gut durchblutet sein müssen.

Was bedeutet »Libido«?

Das Wort stammt aus dem Lateinischen und steht für »Begehren« oder »Begierde«. Laut Duden bezeichnet Libido den Geschlechtstrieb oder das Bedürfnis, sexuelle Lust zu empfinden. Libido, Potenz und sexuelle Erregbarkeit sind nicht dasselbe. Männer können trotz geringer Libido eine Erektion bekommen und zum Orgasmus kommen. Letzteres gilt auch für Frauen, sprich: Sie können trotzdem feucht werden. Allerdings ergreifen Menschen mit geringer Libido selten oder nie die Initiative zum Geschlechtsverkehr.

Hat es nicht auch damit zu tun, dass sich sportlich aktive Menschen in ihrem Körper wohler fühlen und sich oft auch gesünder ernähren?

Ja, natürlich. Die meisten Menschen, die körperlich aktiv sind, achten stärker auf ihre Ernährung. Sie haben häufig ein positiveres Körperbild und mehr Lust auf Sex. Bei wenig Bewegung entstehen außerdem oft Erkrankungen, die sich negativ auf die Sexualität auswirken, zum Beispiel ein metabolisches Syndrom, die Vorstufe von Diabetes. Das kann den Spiegel der Sexualhormone beeinträchtigen und die Nerven schädigen. Der Tastsinn und die Reizweiterleitung spielen bei der Sexualität eine wichtige Rolle, man kann sich also gut vorstellen, dass eine Beeinträchtigung hier einen großen Effekt hat.

Warum ist Sport trotzdem nicht immer förderlich?

Das gilt für Leute, die es mit der sportlichen Aktivität übertreiben. Das Limit ist individuell sehr unterschiedlich. Etwa wenn sich Menschen auf einen Marathon vorbereiten, die noch relativ untrainiert sind: Wenn sie plötzlich lange Ausdauereinheiten absolvieren, kann sich das negativ auf ihre Sexualität auswirken. Bei Frauen verändert sich der Hormonhaushalt manchmal so drastisch, dass ihre Regelblutung ausbleibt.

Und was passiert bei Männern?

Frank Sommer | Der Urologe, Androloge und Sportmediziner ist am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig. Er ist der erste Professor für Männergesundheit und außerdem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit.

Ein zu hartes Training senkt den Testosteronspiegel. Der spielt für das sexuelle Verlangen beider Geschlechter eine wichtige Rolle. Zudem ist Testosteron wichtig für die Strukturen im Beckenboden. Das Hormon sorgt dafür, dass dort alles richtig funktioniert. Wenn sein Spiegel dramatisch absinkt, kann es sein, dass sportliche, durchtrainierte Menschen unter Erektionsstörungen, Libidoverlust oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr leiden.

Das passt nicht so recht ins Bild. Wer beim Sport leistungsfähig ist, sollte es ja auch im Bett sein, oder?

Genau, so ist die Erwartung. Bei übertriebenem Ausdauertraining ist aber oft das Gegenteil der Fall. Besonders häufig beobachten wir das bei Ultraläufen, also beim Laufen von Distanzen, die länger als ein Marathon sind. Aber auch kürzere Distanzen können dem Hormonhaushalt schaden.

Gilt das auch für übertriebenes Krafttraining?

Ja, durchaus. Zwei bis drei Stunden reines Krafttraining täglich kann zu Ermüdung führen und die sexuelle Lust stören.

Könnte das auch daran liegen, dass Stresshormone die Lust auf Sex dämpfen? Sport stellt ja einen gewissen Stress für den Körper dar.

Kurze Trainingseinheiten, das heißt so zwischen 30 und 75 Minuten – auch das ist individuell verschieden –, wirken sexuell anregend. Danach sind Testosteron und bei Frauen auch Östradiol erhöht, und man ist der Sexualität eher zugeneigt. Aber wenn man an seine körperliche Leistungsgrenze geht, sich also komplett verausgabt, werden Stresshormone ausgeschüttet. Dann passiert sexuell nicht mehr viel, bis man sich wieder erholt hat.

Gibt es Sportarten, die besonders geeignet sind, die Libido zu steigern?

Pilates und Yoga. Damit steuert man indirekt die Muskulatur im Beckenbereich an. Unsere Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass Skilanglauf und Rudern, egal ob draußen oder an einem Rudergerät, positiv wirken. Auch sie stärken offenbar die Beckenstrukturen, die für die Sexualität wichtig sind. Besonders gut ist außerdem Sport, bei dem sich Belastungs- und Erholungsphasen abwechseln. Das regt die Durchblutung an und hält das Gewebe geschmeidig. Um beim Sex länger durchzuhalten, können Männer ihre Beckenbodenmuskulatur auch gezielt trainieren. Dazu gibt es Übungsanleitungen auf meiner Homepage.

Von Sportler zu Sportlern

Als Arzt habe er den Anspruch, seinen Patienten ein Vorbild zu sein, sagt Frank Sommer. Er absolviert täglich ein Rundum-Fitnessprogramm. Insbesondere Menschen über 50 Jahren rät er, die Komponenten Koordination und Gelenkigkeit in sportliche Aktivitäten zu integrieren. Außerdem gelte es, die Stabilität des Rumpfes zu fördern. Sowohl Kraft als auch Ausdauer sollten ausreichend trainiert werden, sagt Sommer. Dafür brauche man weder ein Fitnessstudio noch Geräte, sondern nur das eigene Körpergewicht und stabile, standfeste Möbel, zum Beispiel für Liegestütze auf der Tischkante.

Manche Leute sagen, Radfahren mache impotent. Ist da was dran?

Zuerst die gute Nachricht: Wer drei bis vier Stunden pro Woche auf dem Fahrrad sitzt – egal wie schlecht der Sattel oder das Fahrrad eingestellt ist –, fördert seine sexuelle Gesundheit damit mehr, als er ihr schadet. Sprich: Das ist in jedem Fall besser, als sich gar nicht zu bewegen. Die positiven Effekte überwiegen. Nun die schlechte Nachricht: Je nachdem, welchen Sattel man wählt und wie man auf dem Fahrrad sitzt, können Nerven oder Blutgefäße, die für die Sexualität wichtig sind – sowohl bei Männern als auch bei Frauen – abgedrückt oder geschädigt werden. Wenn man sehr ungünstig und lange auf dem Fahrrad sitzt, kann es also langfristig zu Schäden kommen, die manchmal nicht mehr reversibel sind. Das passiert zwar in der Regel nur, wenn man an mehrtägigen Radrennen teilnimmt und dabei mehrere hundert Kilometer fährt. Aber auch, wenn man kürzer radelt, kann es manchmal zu Taubheitsgefühlen im Genitalbereich kommen. Folglich ist man dort nicht mehr so sensibel und erregbar.

Das ist dann aber reversibel?

Ja, ich würde sagen, das ist in den allermeisten Fällen reversibel. Ein kleines Restrisiko bleibt immer.

Wie lässt sich Muskelkater vermeiden? Wie viel sollten Sportler trinken? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Biochemikerin Annika Röcker in ihrer Kolumne »In Bestform«. Mit Expertinnen und Experten aus der Sportmedizin diskutiert sie, was beim Sport im Körper vorgeht und wie ein gesundes Training aussieht.

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